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Aktant

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Der französische Soziologie und Wissenschaftstheoretiker Bruno Latour verwendet den Begriff A., der aus der strukturellen (↗ Struktur) ↗ Semiotik von Algirdas J. Greimas (1917–1992) entnommen ist (Greimas 1971, 165), um nichtmenschlichen Entitäten Handlungspotential (↗ Handlung) zuzuschreiben. Latour (2005) entwirft eine Soziologie, in der Artefakte als Teil der Gesellschaft angesehen werden und sich folglich politische Angelegenheiten im Sinne einer ‚Dingpolitik‘ auf Sachen erstrecken: So wie einerseits Objekte, Apparate und Techniken gleichsam sozialisiert werden – insofern ihnen Wirkmächtigkeit (↗ Kausalität) zugeschrieben wird –, so werden andererseits ↗ Menschen als im Wesen technisiert (↗ Gestell) aufgefasst. Die Hybridisierung von menschlichen und nichtmenschlichen Akteuren zu sog. Netzwerken (↗ Netz) ist laut Latour (1998) grundlegender als die moderne Trennung von Subjekt und Objekt und die Vorstellung intentionalen (↗ Intentionalität) ↗ Handelns. Zufolge Latours Akteur-Netzwerk-Theorie sind in die Handlungsverbünde neben Dingen und Menschen zugleich Normen, ↗ Diskurse, ↗ Theorien und Institutionen gemengt. Auch räumliche Anordnungen haben ihre spezifische Wirkmächtigkeit, wie insbesondere anhand von Latours (2000, 226ff.) Beispiel der Bodenschwellen (↗ Schwelle) zur Tempolimitierung in verkehrsberuhigten (↗ Ruhe) ↗ Straßen deutlich wird: Hier wird nicht nur durch einen räumlichen Eingriff ein bestimmtes Fahrverhalten (↗ Hodologie) erzwungen, sondern ethische Beweggründe durch Nutzenerwägungen (↗ Praxis) ersetzt. Autofahrer reduzieren nunmehr die Geschwindigkeit (↗ Beschleunigung) nicht aus Rücksichtnahme gegenüber anderen Menschen, sondern um ihr eigenes Fahrzeug nicht zu schädigen. Die Bodenschwelle ist die Übersetzung von Normen in eine räumliche Anweisung (↗ unveränderlich Bewegliches). Eine solche Theorie der Delegation von Handlungsprogrammen an Raumgestaltungen lässt sich mit Ansätzen in der strukturorientierten Architektursoziologie verbinden, in der ↗ Räume als Mittel der Vergesellschaftung (↗ Gemeinschaft) aufgefasst werden. Räume gelten damit als A.en, sofern sie das Handeln regulieren, soziale ↗ Praktiken bestimmen, Vorschriften ersetzen oder – zu denken ist an die räumliche ↗ Situation von Laboren, die Latour zusammen mit Steve Woolgar (1986) untersucht – an der ↗ Produktion von ↗ Wissen beteiligt sind.

Literatur: Belliger/Krieger 2006; Busch 2007; Kneer et al. 2008.

Belliger, Andréa/Krieger, David J. [Hg.] (2006): ANThology, Bielefeld.

Busch, Kathrin (2007): Der Raum als Aktant, in: Kultureller Umbau, hg. v. K. Mey, Y. Spielmann u. M. Kröncke, Bielefeld, 13–28.

Greimas, Algirdas J. (1971): Strukturale Semantik, Braunschweig [frz. 1966].

Kneer, Georg/Schroer, Markus/Schüttpelz, Erhard [Hg.] (2008): Bruno Latours Kollektive, Frankfurt a. M.

Latour, Bruno (1998): Wir sind nie modern gewesen, Frankfurt a. M. [frz. 1991].

Ders. (2000): Die Hoffnung der Pandora, Frankfurt a. M. [engl. 1999].

Ders. (2005): Von der Realpolitik zur Dingpolitik, Berlin.

Ders./Woolgar, Steve (1986): Laboratory Life, Princeton [1979].

Kathrin Busch

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