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5. Code-Switching

1. Definitionen

Code-SwitchingCode-Switching beschreibt die Verwendung von zwei oder mehreren Sprachen bzw. Sprachvarietäten in einer Äußerung oder längeren Interaktion. Verwandte Konzepte, die sich teilweise mit Code-Switching überschneiden, sind borrowingborrowings. code mixing (weekend für Wochenende) sowie code mixingcode mixing. Mixing z.B. kann sich auf das Mischen innerhalb eines Satzes, auf Code-Switching-Phänomene oder auf neue Sprachmischungen wie DenglishDenglish oder PortuñolPortuñol beziehen (vgl. Myers-Scotton, Beitrag in Li 2007: 102). Auch calques (z.B. fall in love/tomber amoureux/-se, in Québec als tomber en amour übersetzt) werden in diesem Zusammenhang genannt.

DiglossieDiglossie steht für die Verwendung von zwei Varianten einer Sprache (z.B. eines Dialekts und einer standardisierten Variante) oder von unterschiedlichen Sprachen innerhalb einer SprachgemeinschaftSprachgemeinschaft, wenn die Sprachen bestimmten Funktionen und soziolinguistischen Kontexten zugewiesen werden können (Fishman 2007: 47-54). Weiterführende Beiträge zu Code-Switching und verwandten Begriffen finden sich in Li (2007) und Auer & Li (2007).

In aktuellen Forschungen werden neue Begriffe diskutiert: Language crossingLanguage crossing (vgl. Beitrag von Rampton in Li 2007: Kap. 9) bezieht sich auf den Wechsel zwischen Sprachen oder Sprachvarianten über ethnische und soziale Grenzen hinweg; code meshing (Canagarajah 2011) auf das Mischen von Sprachen in schriftlichen Produktionen, und Translanguaging (García & Sánchez 2018) auf die Verwendung mehrerer Sprachen in der schulischen Praxis.

2. Code-Switching – (historischer) Problemaufriss

Erklärungsmodelle für Code-Switching stammen aus unterschiedlichsten Disziplinen. Die sozio-linguistische bzw. sozio-kulturelle Perspektive betrachtet Code-Switching als Frage der SprachenwahlSprachenwahlbeim Code-Switching, bei der soziale Prozesse und linguistische Formen ineinandergreifen. Code-Switching als rationale Entscheidung dient der Ausverhandlung von Rollen und Funktionen, bildet die sozialen Beziehungen und Netzwerke der Sprachteilhaber auf der Mikro- und Makroebene ab bzw. ist eine politische Strategie zur Sicherung der Dominanz oder als Ausdruck des Widerstands (vgl. Heller 1988: 1-3; Beiträge in Li 2007: Teil 1; Auer & Li 2007). Myers-Scotton (vgl. Beitrag in Li 2007: Kap. 5) geht in ihrem Modell davon aus, dass die Wahl einer Sprache auf einem „set of rights and obligations“ der Gesprächspartner beruht. Sie kann markiert (Wechsel der Intention, der sozialen Beziehungen etc.) oder nicht markiert (erwartete NormNormerwartete sprachliche) sein.

In der psycholinguistischen Forschung (↗ Art. 51) wird Code-Switching den Sprachkontakt- oder Transferphänomenen zugeordnet. Erforscht wird u.a., welche switches möglich sind, ob diese grammatikalischen Begrenzungen unterliegen, ob es eine Basissprache gibt und wie man diese definiert (vgl. Beiträge in Milroy & Muysken 1995). Theorien über Code-Switching wurden mit psycholinguistischen oder syntaktischen Theorien verbunden. Das Matrix Language Frame ModelMatrix Language Frame Model von Myers-Scotton (vgl. Beitrag in Milroy & Muysken 1995) z.B. basiert auf der Annahme einer Basissprache, die das grammatikalische Gerüst vorgibt und in die die zweite Sprache eingebettet ist. Es stellte sich aber bald heraus, dass der Wechsel zwischen Sprachen eher pragmatischen denn syntaktischen Regeln folgt (vgl. Auer & Li 2007).

3. Forschungsstand: Neuere Sichtweisen

Ab den 1990er Jahren entstand eine ganzheitliche Sicht von Mehrsprachigkeit (↗ Art. 6, 7)Mehrsprachigkeit, die der Annahme von getrennten Sprachsystemen widersprach (Grosjean 1985). Diese führte zur Definition von mehrsprachigen Menschen als multikompetenten Individuen (z.B. Cook 1991), die durch den Kontakt zwischen den Sprachen u.a. ein erhöhtes metalinguistisches bzw. multilinguales Bewusstsein und eine andere Art der Sprachverarbeitung in Form von Code-Switching und erweiterten pragmatischen Transfer-Fähigkeiten entwickeln (vgl. z.B. das Konzept der crosslinguistic interactioncrosslinguistic interaction CLIN von Herdina & Jessner 2002).

In der Mehrsprachigkeitsforschung (↗ Art. 85) werden in der Diskussion über die Bedeutung der BrückensprachenBrückensprache die Funktionen von switches diskutiert (siehe dazu Williams & Hammarberg 1998). Jessner (2006) erweitert in ihrer Studie mit zweisprachig (in Italienisch und Deutsch) aufgewachsenen Englischstudierenden diese Diskussion um die Bedeutung von switches in metasprachlichen Äußerungen bzw. Metasprache.

Code-Switching in multilingualen Gesellschaften (↗ Art. 3) erfüllt unterschiedliche diskursive Funktionen, z.B. um die individuelle und soziale IdentitätIdentität zu definieren oder InklusionInklusion und Empathie herzustellen. Neuere Forschungen beziehen sich auf SprachwechselSprachwechselu. Identität und Identität (↗ Art. 1), auf Sprachwahl in der digitalen Kommunikation und im familiären Kontext oder auf den Wechsel zwischen Laut- und GebärdensprachenGebärdensprache. Der Begriff TranslanguagingTranslanguaging hat Code-Switching inzwischen in vielen Bereichen abgelöst (vgl. Stavans & Porat, im Druck).

4. Praxisrelevanz – Code-Switching und Translanguaging im schulischen Kontext

Frühe Studien zu Code-Switching wurden in den USAUSA bereits in den späten 1970er Jahren durchgeführt, oft in Zusammenhang mit der Diskussion über Vor- und Nachteile des bilingualen Unterrichtsbilingualer Sachfachunterricht (↗ Art. 111) und die Funktion der involvierten Sprachen (meist Englisch und Spanisch).

In der Fremdsprachendidaktik schloss die Fokussierung auf negativen TransferTransfernegativer oder InterferenzInterferenz zwischen der/den L1 und der Zielsprache die ErstspracheErstsprache/n für lange Zeit aus dem Unterricht aus. Code-Switching, wie in Forschungen festgestellt wurde, dient jedoch der Klärung von Unsicherheiten oder Beziehungsfragen zwischen Lehrenden und Lernenden und erleichtert das Erklären grammatikalischer Konzepte oder das classroom management (vgl. Beiträge in Milroy & Muysken 1995). Code-Switching wurde zur (vorübergehenden) Lern- und KommunikationsstrategieKommunikationsstrategien im Unterricht, die das Erreichen höherer Kompetenzen in der Zielsprache unterstützt.

Das Zulassen von Code-Switching zwischen allen im Repertoire der Lernenden vorhandenen Sprachen als Lernprinzip kann als Schritt in Richtung einer ganzheitlichen, die Sprachen vernetzenden Didaktik verstanden werden, die die Förderung von multilingualem Bewusstsein beinhaltet (Jessner, Allgäuer-Hackl & Hofer 2016). Ein neuerer, ganzheitlicher Ansatz ist TranslanguagingTranslanguaging als mehrsprachige, multimodale und transformative Kommunikation und Wissenskonstruktion (García & Li 2014), verstanden als Theorie von Sprache, die das individuelle Repertoire an Sprachen und semiotischen ZeichenZeichen als ein Ganzes sieht und die Lernenden anregt, dieses kreativ zu nutzen und weiter zu entwickeln. Translanguaging nimmt die kulturellen Elemente, Hierarchien und Machtgefälle zwischen den Sprachen in den Blick und durchbricht somit die gesellschaftlichen Muster von Abwertung und Ausgrenzung (↗ Art. 38).

5. Perspektiven

Sprachkontaktphänomene wie Code-Switching wurden anfänglich im bilingualen, später auch verstärkt im multilingualen Kontext untersucht, im Bildungsbereich vor allem in Bezug auf die speziellen Herausforderungen von Lernenden in Minderheiten- bzw. Migrationskontexten (↗ Art. 100, 105). Die monolingual orientierte, defizitäre Bewertung von Code-Switching wurde durch eine ressourcenorientierte Sicht abgelöst (vgl. Stavans & Porat, im Druck) und translinguale Praktiken als Lehr-Lehrstrategie und LernstrategienLernstrategien definiert. Damit wird Code-Switching/Translanguaging Teil einer ganzheitlichen MehrsprachigkeitsdidaktikMehrsprachigkeitsdidaktik, die Lernende mit unterschiedlichsten sprachlichen, kognitiven, sozialen und kulturellen Voraussetzungen erreichen will.

Code-Switching/Translanguaging im Unterricht kann im Zusammenhang mit der Förderung von language management skillslanguage management skills gesehen werden, wie sie unter anderem im Dynamischen Modell der Mehrsprachigkeit (Herdina & Jessner 2002) dargestellt und im Zusammenhang mit gesamtsprachen-curricularen AnsätzenGesamtsprachencurriculum (↗ Art. 14) beschrieben wurden.

Literatur

Auer, P. & Li, W. (Hrsg.) (2007): Handbook of Multilingualism and Multilingual Communication. Series Handbooks of Applied Linguistics, Bd. 5. Berlin.

Canagarajah, S. (2011): Code-meshing in Academic Writing: Identifying Teachable Strategies of Translanguaging. In: The Modern Language Journal 95/iii, 401-417.

Cook, V. J. (1991): The Poverty-of-the-Stimulus Argument and Multi-Competence. In: Second Language Research 7/2, 103-117.

Fishman, J. (2007): Who Speaks What Language to Whom and When? In: Li, W. (Hrsg.): The Bilingualism Reader. 2. Aufl. London, 55-70.

García, O. & Li, W. (2014): Translanguaging: Language, bilingualism and education. New York.

García, O. & Sánchez, M. T. (2018): Transformando la educación de bilingües emergentes en el estado de Nueva York. In: Language, Education, and Multilingualism 1, 138-156. [https://edoc.hu-berlin.de/handle/18452/19773].

Grosjean, J. (1985): The Bilingual as a Competent but Specific Speaker-Hearer. In: Journal of Multilingual and Multicultural Development 6, 467-477.

Heller, M. (Hrsg.) (1988): Codeswitching: Anthropological and Sociolinguistic Perspectives. Berlin, New York, Amsterdam.

Herdina, P. & Jessner, U. (2002): A Dynamic Model of Multilingualism: Changing the Psycholinguistic Perspective. Clevedon.

Jessner, U. (2006): Linguistic Awareness in Multilinguals. English as a Third Language. Edinburgh.

Jessner, U., Allgäuer-Hackl, E. & Hofer, B. (2016): Emerging Multilingual Awareness in Educational Contexts: From Theory to Practice. In: The Canadian Modern Language Review / La revue canadienne des langues vivantes 72/2, 157-182.

Li, W. (2007) (Hrsg.): The Bilingualism Reader. 2. Aufl. London.

Milroy, L. & Muysken, P. (Hrsg.) (1995): One Speaker, two Languages: Crossdisciplinary Perspectives on Code-Switching. Cambridge, New York.

Stavans, A. & Porat, R. (im Druck): Code Switching. In: Montanari, S. & Quay, S. (Hrsg.): Multilingual Approaches to Multilingualism. New York.

Williams, S. & Hammarberg, B. (1998): Language Switches in L3 Production: Implications for a Polyglot Speaking Model. In: Applied Linguistics 19/3, 295-333.

Ulrike Jessner & Elisabeth Allgäuer-Hackl

Handbuch Mehrsprachigkeits- und Mehrkulturalitätsdidaktik

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