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3. Der Übersetzungsbegriff

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Die Diskussion um den Übersetzungsbegriff ÜbersetzungBegriffhat eine lange Tradition und verschiedene Ursachen. Zum einen hatte sich mit der Übersetzungswissenschaft eine eigene wissenschaftliche Domäne entwickelt, die ihre Aufgaben vor allem darin sah, dem angehenden professionellen Übersetzer und Dolmetscher mit den Informationen zu versorgen, die ihm seine angestrebte Tätigkeit erleichtern oder sogar ihre Grundlagen bildeten. Das führte insbesondere zu textstrukturellen, textvergleichenden und hermeneutischen Beschreibungsansätzen, bei denen der Übersetzer zwar das Ziel, selten aber der Mittelpunkt oder gar Ausgangspunkt der Überlegungen war. Mitte der 1980er Jahre zeigen dann Untersuchungen zum realen Übersetzungsprozess, dass wechselhafte Vorstellungen zum (professionellen) Übersetzen inzwischen einer Revision bedurften; nicht zuletzt, weil auch das Übersetzen häufiger autonom-kreativen Entscheidungen folgt. In partieller Abhängigkeit davon geriet gleichzeitig auch das ÜbersetzenÜbersetzen im Fremdsprachenunterricht in die Diskussion. Traditionelles satzweises Übersetzen isolierter Einzeläußerungen zur Festigung neuer fremdsprachlicher Strukturen wurde als unzureichend angesehen, weil es stures Auswendiglernen als höher und wichtiger einschätzte als die notwendige Einbettung übersetzerischen Handelns in möglichst authentischen Situationen. Ziel des Einsatzes von Übersetzungs- und/oder Sprachmittlungsübungen konnte und kann es dennoch nicht sein, im Fremdsprachenunterricht angehende Übersetzer auszubilden, sondern die Lernenden vielmehr in multilingualen Kommunikationszusammenhängen in die Lage zu versetzen, kommunikativ und intentionsangemessen sprachlich zu handeln. Damit wird der Weg frei für den Begriff der SprachmittlungSprachmittlung, bei dem es nicht auf strukturell-sprachliche Äquivalenz, sondern auf die Mittlung der kommunikativen zentralen Botschaften einer Aussage ankommt. An die Stelle der früheren Strukturübungen in Form von Übersetzen treten neue Aufgabenstellungen, durch die Lernende in die Lage versetzt werden sollten, in Kommunikationssituationen, in denen die Gesprächsteilnehmer nicht über eine gemeinsame Sprache verfügen, zwischen verschiedenen Sprachen und Gesprächsteilnehmern zu vermitteln (↗ Art. 103). Dabei sollen sie lernen, kommunikativ relevante Inhalte von weniger relevanten Inhalten zu trennen und durch einen Abgleich mit vorhandenen sprachlichen Wissensbeständen verständlich und angemessen, aber nicht notwendig vollständig und sprachstrukturell äquivalent zu sprachmitteln. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass jetzt auch – wenngleich mit anderen Begründungen – darüber nachgedacht wird, dem ÜbersetzenÜbersetzen im Fremdsprachenunterricht wieder einen eigenen Stellenwert zu geben, der allerdings über Sprachmittlung hinausgeht und den kulturellen und auch sprachdidaktischen Veränderungen und Herausforderungen Rechnung tragen soll (vgl. Rösler 2015).

In der Entwicklung des Sprachmittlungsbegriffs treffen sich also mehrere unterschiedliche Entwicklungen: Zum einen verdankt er seine Entstehung den strukturell bisweilen überlasteten und wenig inhaltsvollen Satzübersetzungen, die häufig mehr der Kontrolle des Erreichten als der Entwicklung angemessenen kommunikativen Verhaltens dienen. Zum zweiten weist der Gemeinsame europäische Referenzrahmen (↗ Art. 18, 19) vielfach auf die Bedeutung der Sprachmittlung in unterschiedlichen Unterrichtskonstellationen hin. Und zum dritten führt auch hier die bereits erwähnte Entstehung von immer zahlreicheren Lernergruppen mit unterschiedlichen Herkunftssprachen (↗ Art. 106) ebenso zur Notwendigkeit, der SprachmittlungSprachmittlung mehr Aufmerksamkeit zu widmen, wie die Tatsache, dass internationale Schulkooperationen längst das Feld traditioneller deutscher SchulfremdsprachenSchulfremdsprachen verlassen haben und die Notwendigkeit nach der Suche gemeinsamer Kommunikationswege deutlich vor Augen geführt haben.

Was aber folgt aus alldem für Gestaltung und Erforschung des Fremdsprachenunterrichts?

Handbuch Mehrsprachigkeits- und Mehrkulturalitätsdidaktik

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