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Zum Klima der Gegenwart

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Schon eingangs wurde betont, dass die in Grafik 2 zusammengestellten Klimadaten wegen ihrer punktuellen Erfassung nur beschränkte Aussagekraft haben. Deshalb muss man, wenn über eine vergleichende großklimatische Betrachtung hinaus die Bedeutung des Witterungsgeschehens für den Menschen und seine Umwelt ermessen werden soll, die Abweichungen der realen Messergebnisse vom Mittelwert aufzeigen. In aller Kürze soll also erhellt werden, auf welcher gemessenen Datenbasis die statistischen Werte der Grafik 2 fußen.

In Grafik 1 ist der mittlere Jahresgang der Temperatur dargestellt und aus der 30-jährigen Beobachtungsperiode sind nach Zufall die Temperaturverläufe der Jahre 1971 und 1986 dazu gezeichnet. Die Abweichung aller realen Monatswerte vom Mittelwert wird so ganz offenbar, und zwar in einer relevanten Größenordnung. Zieht man die Zahl der Schwellentage in den 30 Einzeljahren mit heran, so kommt man zu dem Schluss, dass sich in dem Mittelwert eigentlich kaum vergleichbare Jahre verstecken: Tropentage (Mittel 10, Schwankung zwischen 2 und 32), Sommertage (47; 26–77), Frosttage (58; 19–81), Eistage (15; 0–36).

Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn man tiefer in das Zahlenmaterial eindringt. In Grafik 2 sind die Julitemperaturen von 1971 bis 1986 mit dem Mittelwert verglichen. Es zeigt sich, dass nur im Jahr 1977 Monats- und Mittelwert übereinstimmen, alle anderen Jahre weichen teilweise deutlich davon ab.

Letztlich wird die Problematik der Mittel offenbar, wenn man das Zustandekommen der auf der Basis der wirklich gemessenen Tagestemperaturen errechneten Monatsmittel betrachtet. In Grafik 3 sind die Tagestemperaturen des Januar 1971 gegen den daraus errechneten Mittelwert aufgezeichnet. Deutlich sind eine kalte und eine warme Monatshälfte zu erkennen. Der Mittelwert wird so gut wie nie eingestellt. Eine milde atlantisch geprägte und eine kalte mehr kontinentale Wetterlage zeigen hier eindrücklich die Wechselhaftigkeit unseres Klimas. Die Analyse des Niederschlagsgeschehens zeigt Ähnliches. Dem Jahresmittelwert von 585 mm stehen Abweichungen nach unten (385 mm) und oben (859 mm) gegenüber. Weiterhin sind zwar in der Summe die Monate Mai bis August die Monate höchsten Niederschlags; aber während der 30-jährigen Beobachtungsreihe sind auch alle anderen Monate einmal mit dem höchsten Niederschlag eines Jahres aufgetreten. Die Zahl der Regentage schwankt ebenfalls gewaltig (z.B. N>1 mm/Tag: Mittel 108, Schwankung 77–146). Die stärksten Niederschlagsereignisse sind im Sommer an Gewitter, im Winter an Dauerregen gebunden.


Grafik 1: Der mittlere Jahresgang der Temperatur der Periode 1961–1990 und die Jahresgänge der Temperatur der Jahre 1971 und 1986


Grafik 2: Die mittlere Julitemperatur (TM) der Periode 1961–1990 und die mittleren Julitemperaturen der Einzeljahre 1971–1986

Nach so viel Unterschiedlichkeit tut sich die Frage auf, ob Klimatabellen überhaupt sinnvoll sind. Uneingeschränkt Ja; aber nur wenn sich der Nutzer der Wechselhaftigkeit bewusst ist und bei einschlägigen Fragen die Spannbreite der Abweichungen in seine Antwort mit einbezieht. Daran mangelt es leider sehr häufig – wissentlich oder unwissentlich. Das wird immer dann deutlich, wenn klimatisches Datenmaterial – je nach Zielvorstellung des Benutzers – in Fragen der Landwirtschaft, des Hochwasserschutzes, der Planung von Gewerbegebieten oder Verkehrsanlagen usw. eingesetzt werden muss. Am einzelnen Objekt wird die Lösung klimarelevanter Probleme aber auch sehr schwierig, manchmal fast unmöglich. Denn zu der zeitlich dynamischen Variabilität kommt nun noch die Beeinflussung der unteren Atmosphärenschichten durch Relief, Vegetation, Bebauung usw. Diese Einflüsse treten besonders bei windschwachen Wetterlagen in Erscheinung. Sie zeitigen das, was als Lokalklima oder Geländeklima, in unserem Falle als Stadtklima zusammengefasst wird. Der Einfluss des Reliefs macht sich besonders nachts bemerkbar und beruht auf der Tatsache, dass unterschiedlich temperierte Luft unterschiedlich schwer ist. Nächtlich abgekühlte schwere Luft fließt dementsprechend im Gelände hangab, sammelt sich in den Talzonen und strömt dort weiter talab oder staut sich an Hindernissen zu Kaltluftseen mit hoher Frostanfälligkeit auf. Deswegen sind Rebanlagen in der Region nie in der Talsohle zu finden. Die Vegetation unterstützt die Stärke der Abkühlung durch Verdunstungskälte. Der angenehme Aufenthalt in einem Park an einem heißen Sommertag ist jedem bekannt. In Stadtregionen spielt die Bebauung weiterhin eine große Rolle, denn Steine, Beton und Asphalt speichern die Wärme des Tages bis weit in die Nacht. Insgesamt wird so das ohnehin komplizierte Klimageschehen noch einmal stark regional aufgesplittert, und zwar in bedeutenden Größenordnungen.


Grafik 3: Die mittlere Temperatur im Januar 1971 und die Mitteltemperatur der Einzeltage des Monats

Die geländeklimatische Gliederung des Wormser Raumes ist in Teilen in der »Stadtklimauntersuchung Worms« der SPACETEC zusammengefasst. Wie zu erwarten sind die besonders warmen Bereiche die dichtester Bebauung und Bodenversiegelung. Dazu gehören der Stadtkern, Teile von Horchheim, aber auch alle anderen Ortskerne, allerdings in abgeschwächter Form. Ihnen stehen die Gebiete gegenüber, in denen nächtlich Kaltluft produziert wird. Es sind die ackerbaulich genutzten Flächen und sanften Rücken südlich von Wiesoppenheim, zwischen Heppenheim und Pfeddersheim, das gesamte Feld zwischen Pfeddersheim, Herrnsheim, Mörstadt, Abenheim und der Raum nördlich von Abenheim. Von den Höhen fließt die entstandene Kaltluft in die Täler von Eisbach, Pfrimm und Lachgraben. Leider sind diese Talsysteme aber als Frischluftbringer für die überwärmte Innenstadt nur von geringer Bedeutung, weil zum einen Pfrimm- und Eisbachtal so stark verbaut sind, dass ein Kaltluftfluss ständig gestaut wird, und zum anderen der funktionierende Kaltluftstrom des Lachgrabens nördlich an der Stadt vorbeigeht. Die überwärmte, mit Immissionen belastete Luft der Innenstadt kann so nur von der ebenfalls Kaltluft produzierenden Rheinaue melioriert werden. Die Größenordnung der städtischen Überwärmung gegenüber dem nahen Umland ist mit 2 °C im Jahresmittel sehr groß. Zum Vergleich: Die Differenz der Jahresmitteltemperatur zwischen den Klimastationen Worms und Hamburg beträgt 1,8 °C. Das unterstreicht noch einmal, dass klimatische Aspekte bei Raumentwicklungsfragen dringend berücksichtigt werden müssen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Großklima eines Raumes langfristig durch natürliche Klimaschwankungen und kurzfristig durch Wechselhaftigkeit charakterisiert ist. Unter Einflussnahme der Erdoberfläche entwickeln sich daraus die Grundzüge des Lokalklimas, das letztlich an der Kulturlandschaftsentwicklung und dem Bild der heutigen Umwelt stark prägend mitbeteiligt ist.

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