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Löss und Landschaftsbild

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Im Rahmen der quartärgeologischen Betrachtung wurde bewusst der Löss nur knapp und unzureichend angesprochen. Diese Lücke soll nun an dieser Stelle geschlossen werden. Die Begründung für die Abtrennung von der Geologie ist einfach zu geben: Der den ganzen Wormser Raum in wechselnder Mächtigkeit überdeckende und damit das Relief ausgleichende und verschleiernde Löss hat eine überragende Bedeutung für das Bild der Natur- und die Entwicklung der Kulturlandschaft. Dieser prägende Einfluss des Gesteins kommt aber nur im Zusammenspiel mit dem Wirkungskomplex Klima zum Tragen. Das gilt für die Zeit seiner Entstehung bis in die Gegenwart. Um dieses Geflecht deutlich zu machen, ist die Kenntnis des regionalen Klimageschehens notwendig. Deshalb wurde das Kapitel Klima zwischengeschaltet.

Wie oben gesagt, fällt die Entstehung des Lösses in eine Kaltzeitphase, die durch Trockenheit und extreme Kälte charakterisiert war. Durch Frostsprengung wurden die Oberflächengesteine in immer kleinere Partikel zerlegt. Es fehlte aber als Folge der tiefen Temperaturen fast jede chemische Verwitterung. Der von starken Winden in den Liefergebieten (z.B. Schotterfluren des Rheins) aufgenommene und in der Nachbarschaft als Löss wieder abgelagerte Gesteinsstaub hat also praktisch die gleiche chemische Zusammensetzung wie das Ausgangsgestein. Alle für die Bodenfruchtbarkeit wichtigen Minerale sind dementsprechend noch vorhanden. Noch während der Sedimentation jüngerer Staubschichten wurden in den darunter liegenden, also vorher abgelagerten, die Einzelkörner durch den Kalkanteil fest verbacken. Die Vorgänge von Ablagerung und Verfestigung liefen über mehrere tausend Jahre zwischen 25.000 und 18.000 v.h. ab. Damit wurden die Grundeigenschaften des Substrates Löss festgelegt: hohe Standfestigkeit, große Wasseraufnahmefähigkeit im Porenraum zwischen den Körnern und potentielle Bodenfruchtbarkeit. Jede Einwirkung auf diese Eigenschaften zum Beispiel durch klimatische Veränderungen oder anthropogene Aktivitäten zeitigt dann typische, nur Lösslandschaften eigene Ergebnisse. Hierzu ein paar auch den Wormser Raum prägende Beispiele:

1. Durch seine flächige Ausbreitung einerseits reliefausgleichend, kann der Löss durch Einwirkung des Menschen andererseits auch reliefverstärkend sein. Hier seien die überall an der Rheinfront bekannten Hohlwege genannt. Ihre Entstehung: Unter der Belastung von Fahrzeugrädern zerbricht das Kalkgerüst des Lösses. Die nun losen Einzelkörner werden durch den nächsten Regen leicht abgeschwemmt. So tiefen sich zunächst die Radspuren und dann der gesamte Fahrweg schnell ein, während der unverletzte Löss senkrechte Wände bildet. In wenigen Jahrzehnten entstehen viele Meter tiefe und oft nur wagenbreite Gassen. Diese Lösshohlwege bildeten früher ein dichtes Schluchtennetz, vor allem am Übergang von den Tälern auf die Höhen. Der in allen Gemarkungen verbreitete Name »Hohl« belegt dies. Mit der Mechanisierung in der Landwirtschaft wurden diese Wege immer mehr zum Hindernis. Vor allem als Ergebnis der Flurbereinigungen sind sie deshalb fast völlig aus dem Landschaftsbild verschwunden. Die wenigen verbliebenen Exemplare werden heute dagegen streng geschützt, denn sie sind die einzigen Rückzugsräume für die regionale Flora und Fauna in einer ansonsten ausgeräumten Agrarlandschaft.

2. Neben dem Relief prägt die Vegetation das Bild der Naturlandschaft. Auch hier haben Lösslandschaften eigene Züge. Parallel zur oben beschriebenen postglazialen Erwärmung ersetzten Wärme liebende Pflanzen nach und nach die Tundrenvegetation. Vor etwa 9000 Jahren war schließlich ganz Mitteleuropa von einem dichten Waldkleid überzogen. Man kann aber davon ausgehen, dass das nicht in gleichem Maße für Rheinhessen galt. Denn die ohnehin geringen Niederschläge unseres Raumes versickerten zu einem großen Teil im porenreichen Löss, sodass die den Pflanzen zur Verfügung stehende Wassermenge für eine geschlossene Walddecke nicht ausreichte. In den feuchteren Phasen, beispielsweise während des Atlantikums vor ca. 5500 Jahren, ist deshalb hier bestenfalls mit einer parkartigen Landschaft zu rechnen, in den trockneren Phasen wohl sogar nur mit einer weiten Grassteppe. Reste von Schwarzerden, wie sie heute zum Beispiel in den Steppen Südrusslands zu finden sind, belegen dies. Nur in den lössfreien Fluss- und Bachtälern (ehemals ja die Liefergebiete des Lösses) waren die Bedingungen für Waldvegetation – in unserem Fall feuchte Auewälder – gegeben.

3. Zeitigten die Lösseigenschaften durch Standfestigkeit und Porenvolumen charakteristische Relief- und Vegetationsbilder, so werden beide durch die Auswirkungen der potentiellen Bodenfruchtbarkeit in ihrer Bedeutung für das Landschaftsbild noch weit übertroffen. Denn durch die Erwärmung wurde nicht nur eine anspruchsvollere Vegetation ermöglicht, sondern gleichzeitig wurden auch chemische Verwitterungsprozesse wieder in Gang gesetzt. Diese führten in den oberflächennahen Bereichen zur Aufspaltung der Minerale in für das Pflanzenwachstum verfügbare Bausteine. Sich zersetzendes organisches Material lieferte wiederum Säuren, die den Zerfallsprozess der Minerale verstärkten. Diese Vorgänge führten zur Bildung von Böden, die in Folge des mineralreichen Ausgangssubstrates zu den fruchtbarsten überhaupt gehören. Je nach topografischer Situation und Reifezustand handelt es sich um Pararendzinen, Parabraunerden und Braunerden. Damit waren in den Lössgebieten Rheinhessens alle Voraussetzungen für eine Gunstlandschaft erfüllt: Wärme und ausreichende Feuchtigkeit, äußerst fruchtbare, infolge der Feinkörnigkeit auch leicht zu bearbeitende Böden, lichte Vegetation, die aufwändige Rodungsarbeit ersparte. Löss und Klima führten also dazu, dass schon in frühesten Zeiten der Mensch diesen Raum nutzte und ihn so umgestaltete, dass von der Naturlandschaft nichts mehr übrig ist. Selbst naturgeschützte Räume, wie zum Beispiel die Hohlwege, sind nur »Natur aus zweiter Hand«. Die Lössgebiete Rheinhessens sind seit dem frühen Neolithikum landwirtschaftlich geprägte Kulturlandschaften, manchmal etwas abfällig auch als »Kultursteppen« bezeichnet. Dazu passt ein in der Region gängiges ironisches Wort: »Was höher ist als Korn und Rebe ist nutzlos«; oder positiver die Beschreibung Merians von Rheinhessen in seiner Topographia Germaniae: »… über die Maßen fruchtbar an Wein und Kornfrüchten.«

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