Читать книгу Geschichte der Stadt Worms - Группа авторов - Страница 23

Neolithikum und Hinkelstein

Оглавление

Liegt Worms am Rhein? Solange der Strom noch nicht in einem begradigten Bett verlief, sondern im nördlichen Oberrheingebiet mehrarmig und weithin mäandrierte, ja noch bis in das späte 19. Jahrhundert, die Zeit des Stadtbaumeisters Karl Hofmann, der auf Anbindung der Stadt an den Strom sann, kann allenfalls von Flussnähe die Rede sein.

Die ersten Menschen hinterließen ihre Spuren nicht am Rhein, sondern an der Pfrimm. Diese ältesten Artefakte, die auf menschliche Tätigkeiten im Wormser Raum zurückgehen, stammen aus dem Mittelpaläolithikum (die mittlere Altsteinzeit umfasst den großen Zeitraum vor 300.000 bis vor 35.000 Jahren). Wilhelm Weiler stellte sich vor, wie auf einer Insel in der Pfrimm eine Gruppe von Neandertalmenschen erbeutetes Großwild wie Rentier, Bison, Pferd zerlegten, und er entwarf in den 1930er Jahren das Bild eines »Lagerplatzes« bei Pfeddersheim2. Vor 70 Jahren konnte man mit Fantasie und Begeisterung viel unbekümmerter als heute aus wenigen sicheren Fundobjekten kühne Gemälde entwerfen! Allerdings ist es nicht leicht, aus Weilers Berichten und Funden dies nachzuvollziehen, und viele Unsicherheiten bleiben. Handelte es sich um Spuren eines einzigen längeren oder kürzeren Aufenthaltes einer Gruppe von Menschen, die von der Jagd lebten, wurde der Platz mehrfach aufgesucht?

Vielleicht ist es kein Zufall, dass sich diese ältesten Spuren des Menschen nicht am Rheinufer fanden. Die Wormser Landschaft, Teil des rheinhessischen Hügellandes, ist ursprünglich bestimmt und gegliedert von Wasserläufen, die sie von Westen nach Osten durchziehen. In Rheinnähe entstanden so Schwemmkegel, hochwasserfreie Anhöhen, welche Siedlungen begünstigten: Im Norden sind es die Rheingewann und im Süden der Adlerberg, während der Domhügel in der nachmaligen Stadtmitte und seine Umgebung bislang keinerlei Funde aus dem Neolithikum oder der vorrömischen Eisenzeit geliefert haben.

Fruchtbare und vor allen Dingen leicht zu bearbeitende Ackerböden und die gute Wasserversorgung (Rheinarme, Eisbach, Pfrimm) zusammen mit einem günstigen Klima machten die Gegend für frühe Bauern zu einem idealen Siedlungsland. Im heutigen Stadtgebiet treten Eisbach, Altbach, Mariamünsterbach, Pfrimm und Mühlbach, Waschbach, Kreielsbach usw. kaum noch offen in Erscheinung, und wenn, dann als Gräben. Sie wurden verlegt, verrohrt, kanalisiert. Die noch verbliebenen alten Rheinarme, Woog und Gießen, wurden schließlich 1893 verfüllt.

Im »Fruchtbaren Halbmond«, dem heutigen Palästina, Syrien, Irak und der Südosttürkei, sind lange vor dem europäischen Neolithikum die meisten domestizierten Tiere sowie Pflanzen in anbaufähiger Zuchtform zu finden, die dann auch in unserer Region kultiviert und herangezogen wurden. Die ältesten Haustiere wie Schafe/Ziegen (die anhand ihrer Knochen noch nicht unterscheidbar sind), das Schwein und das Rind gehören dazu, auch die frühen Weizenarten Emmer und Einkorn sowie Gerste und die eiweißhaltigen Hülsenfrüchte Erbse und Linse. Über das Mittelmeer und den Balkan sowie über das Rhônetal gelangten diese Errungenschaften nach Mitteleuropa.

Von der Donau bis ins Pariser Becken ist die »Bandkeramik« oder linearbandkeramische Kultur3 zu finden, die in den Jahrhunderten um 5500 bis 4900 v. Chr. mit gemusterten Bändern verzierte Flaschen und Kümpfe herstellte und verwendete. (Da von Völkern oder Stämmen noch lange keine Rede sein kann, behelfen sich die Archäologen mit Bezeichnungen, die von Verzierungen auf Töpferwaren oder Fundorten abgeleitet worden sind. Auch der Wormser Raum hat solche Begriffe geliefert, wie wir noch sehen werden.)

Bis vor kurzem sprach die Forschung von der »Neolithischen Revolution« und postulierte einen gravierenden Schnitt am Ende des Mesolithikums (der mittleren Steinzeit ab etwa 8000 v. Chr.) Man dachte an die Einwanderung fremder Gruppen, die Kenntnisse der Töpferei (der frühen Bandkeramik), domestizierte Tiere und landwirtschaftliches Wissen mitbrachten und in der Folge die mesolithischen Jäger verdrängten oder mit den neuen Leuten verschmolzen. Derzeit sieht man den Prozess der Neolithisierung differenzierter. Neue Funde aus dem Rheingebiet, wenn auch nicht aus Worms, haben angedeutet, dass es schon frühe Keramik außerhalb der Linienbandkeramik gab, die zudem älter war als diese. Zwischen umherziehenden Jägern und sesshaften Bauern muss es viele Zwischenformen gegeben haben. Heute neigt man eher dazu, auch vorangegangene Traditionen zu berücksichtigen, aus denen – zusammen mit neu hinzukommenden Kenntnissen, Materialien, Tieren und Menschen – bisher nicht in dieser Form geübte Siedlungsund Lebensweisen entstanden sind.

Die sesshaften, landwirtschaftlich bestimmten Daseinsformen haben allerdings unser Leben bis heute massiv geprägt und prägen es noch, auch nach mehr als einhundert Jahren der Industrialisierung.

Wie immer sich der Prozess der »Neolithisierung« abgespielt haben mag: im Verlaufe des 6. Jahrtausends v. Chr. wandelte sich die menschliche Lebensform. Die Menschen engagierten sich mehr und mehr als Ackerbauern und Viehzüchter, sie gaben zunehmend die Mobilität zugunsten von Sesshaftigkeit auf. Das bedingte Planungen oder zog solche nach sich. Gebäude für Mensch und Tier wurden gebaut, Vorratshaltung und Weidewirtschaft mussten organisiert werden. Schnell müssen sich Arbeitsteilungen entwickelt haben, denn aus den Artefakten wie den (noch bis in keltische Zeit freihändig geformten) Töpferwaren oder den Werkzeugen lässt sich ein tastendes Ausprobieren nicht erkennen, sie waren sogleich professionell gearbeitet, zweckmäßig und zumeist auch noch formschön.

Es versteht sich von selbst, dass sich die Menschen schon in der Frühzeit bemühten, ihre Häuser und vor allem die Gräber ihrer Angehörigen auf hochwasserfreiem Gelände anzulegen. Was die zu den Friedhöfen gehörigen Siedlungen und Wohngebäude angeht, so kann man sich gerade in dieser Frühzeit auch Modelle wie Uferrandsiedlungen oder Pfahlbauten vorstellen. Die klimatischen Verhältnisse waren andere als heute, die Temperaturen lagen im langjährigen Mittel um 1,5 bis 2° höher. Untersuchungen haben in den rheinnahen Gebieten, etwa der Bürgerweide bei Worms, jedoch nicht stattgefunden4.

Geschichte der Stadt Worms

Подняться наверх