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Am Ende der Hallstattzeit: Fürstenresidenz in Herrnsheim und Luxus aus dem Süden

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Von allen Funden der vorrömischen Eisenzeit sind die »Fürstengräber« von Herrnsheim aus der Flur »ostwärts der Klauern«, heute im nördlichen Industriegebiet, am herausragendsten. Ähnliche Gräber finden sich erst wieder in 20 bis 40 km Entfernung (Luftlinie) wie in Laumersheim, Armsheim, Schwabsburg. Näher, aber durch den Rhein getrennt, saßen die fürstlichen Nachbarn von Groß-Rohrheim. Vielleicht bezeichnen die Grablegen den Mittelpunkt des jeweiligen Herrschaftsbereiches.

Um die Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. haben sich als »Fürsten« bezeichnete Angehörige einer Familie (oder einer anders als durch Verwandtschaft bestimmten Elite) in der Herrnsheimer Gemarkung bestatten lassen, deren Frauen mit goldenen Fingerringen und Armreifen geschmückt waren und die Importe wie bronzene Schnabelkannen aus Etrurien (der heutigen Toskana) kaufen konnten.

Im Jahre 1952 fand Paul Lott beim Spielen eine Schnabelkanne. Wieder gab ein spielendes Kind den Anstoß für wichtige Erkenntnisse! Erst 1969 jedoch erfolgte auf Wunsch von Ulrich Schaaff (Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz) eine Nachgrabung durch den damaligen Landesarchäologen Bernd Stümpel, die das Grab einer Frau mit zwei Fingerringen und zwei Armreifen aus Gold und reichhaltigen Gürtelgarnituren freilegte. Die Funde kamen damals sogleich in das Wormser Museum. Das Grab war nordsüdorientiert, die Frau mit dem Kopf im Norden gebettet worden. Ein Armreif aus Sapropelit (versteinertes Holz, ähnlich Jett oder Gagat, Import aus Böhmen) schmückte ihren rechten Oberarm. Eine Stangengliederkette aus abwechselnd eisernen und bronzenen Gliedern, ein eiserner Hüftreif und wohl ein Ledergürtel mit durchbrochen verziertem eisernem Gürtelhaken gehörten zu ihrer Ausstattung ebenso wie eine Fibel mit eingelegtem Bügel und aufgesteckten Perlchen aus Knochen. Der Gürtelring bestand aus einem im frischen Zustand biegsamen Holzreif, der mit Eisenblech ummantelt war. Zur Tragezeit glänzte er wie blankes Silber13.

Nahezu regelhaft wurde in besonders reichen Gräbern der Frühlatènezeit eine bronzene, ehemals goldglänzende Kanne mitgegeben (Tafel 1). Der Gefäßkörper ist getrieben, der Henkel gegossen. Auf kurzem zylindrischen Hals ist die Mündung zu einem betonten Ausguss hochgezogen, dem ein angenieteter Henkel gegenübersitzt, welcher in einer Maskenattasche endet und am Gefäßkörper befestigt ist. Im Rhein – Mosel – Dreieck häufen sich die Fundpunkte solcher Kannen. Masken bzw. Gesichtsdarstellungen scheinen dem hiesigen keltischen Geschmack besonders entsprochen zu haben. Werkstätten in Etrurien (der heutigen Toskana) haben die Kannen vermutlich eigens für den Export nach Norden gefertigt, wo sie als unverzichtbare Statussymbole gegolten haben müssen. In die Gräber wurden sie, wie aus andernorts erhobenen Analysen hervorzugehen scheint, mit einer Art Honigwein (Met) gefüllt und, sorgsam in textile Materialien gewickelt, als Beigabe gesetzt14. Auch an der Herrnsheimer Kanne hatten sich Gewebereste erhalten, die leider nicht bestimmt wurden. Hingegen konnte festgehalten werden, dass die Verstorbene in zwei unterschiedliche feine gewebte Wollstoffe gekleidet war, von denen der Rost des eisernen Hüftrings Spuren bewahrt hatte.

Solche kostbaren Objekte waren zwar Statussymbole, doch sollte man sie nicht mit den heutigen neidvollen Maßstäben für den Besitz von Luxus messen. Ein Fürst der Antike war in hohem Maße für das Wohlergehen seiner Anhänger und seiner Abhängigen verantwortlich. Wenn er sich Kostbarkeiten leisten und öffentlich vorzeigen konnte (der reiche Schmuck wurde ebenso öffentlich präsentiert wie das kostbare Trinkgeschirr bei Festmählern), vermittelte er nicht nur Wohlstand, sondern machte auch gelungene Geschäfte und Fernverbindungen sichtbar, von denen sein gesamtes Volk profitierte, und daraus resultierte das Ansehen, das Macht erst ermöglichte. Der Reichtum war derart groß, dass man den Toten davon mitgeben und somit selber auf dieses Vermögen verzichten konnte.

Seit 1992 wurde in der Umgebung des Grabes unserer Herrnsheimer Fürstin durch das Landesamt für Denkmalpflege, Abt. Bodendenkmalpflege, Mainz, ein Friedhof des 5./4. Jahrhunderts v. Chr. mit wenigstens einem weiteren Prunkgrab einer Dame aufgedeckt. Wieder traten in diesem paarweise Armreifen, Fingerringe und zusätzlich Haarringe mit Traubengranulation aus Gold auf. Untersuchungen an den Goldschmiedearbeiten zeigen, dass die Armreifen als Paar in einer Schmuckwerkstatt hergestellt wurden, die Abnehmer zwischen Saar und Rhein bediente15.

Man wüsste gerne mehr über das Verhältnis der Prunkgräber untereinander (gab es allein Frauengräber oder auch solche von Männern?) und zu den schlichteren Bestattungen, zur Ausdehnung und zur Zeitstellung des Friedhofes. Könnte er mit der bei Abenheim-Rautwiesen gefundenen Siedlung in etwa 3 km Entfernung zusammenhängen? Müsste nicht auf einer Anhöhe eine Art Burg, ein befestigter Fürstensitz zu entdecken sein?

In der Gemarkung Herrnsheim, nördlich des heutigen Ortes am Osthang sowie im Süden, häufen sich weitere späthallstatt-, vor allem frühlatènezeitliche Grabfunde. Einige Siedlungsspuren, die zeitlich zu den Herrnsheimer Prunkgräbern passen könnten, haben sich auch auf dem Hochufer des Rheins gefunden, im Gebiet Pfaffenwinkel. Kontrollierten die »Fürsten von Herrnsheim« und ihre Nachfolger, in welcher sozialen Form des Zusammenlebens auch immer, die Verkehrswege, die später in römischer Zeit als Straßen (und noch heute z.B. als Bundesstraße 9) dem Fernverkehr und damit dem Warenaustausch dienten?

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