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Wirtschaft und Industrie

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Bauernhöfe des Umlandes versorgten mit ihren Produkten die Stadtbewohner. Wieweit auch gewisse Eigenprodukte in Borbetomagus erzeugt wurden, entzieht sich unserer Kenntnis. An eine Bäckerei bei St. Paulus dachten wir schon. An der Schönauer Straße fanden sich Stücke von Getreidemahlsteinen. Denkbar wären Obst- und Gemüsegärten und die Haltung von geringeren Mengen an Nutztieren wie Hühnern, Schweinen etc. Die Vangionen (die Bewohner der Stadt also) schätzten Rind- und Schweinefleisch und verzehrten auch Schafe und Fische sowie Pferdefleisch, wenn man die Tierknochen aus den Siedlungsschichten ebenso betrachtet wie die Beigabenreste in den Gräbern. In den Brandgräbern des 1. und 2. Jahrhunderts waren fast alle Toten mit Schweinefleischbeigaben bedacht worden, in der Häufigkeit gefolgt von Rind und Huhn. In den Körpergräbern des 3. und 4. Jahrhunderts traten verstärkt Hühnerknochen auf47. Man verwendete Olivenöl aus Südspanien, das in besonders markanten kugeligen Amphoren seit den 40er Jahren des 1. Jahrhunderts bis in das 3. Jahrhundert auch nach Worms gehandelt wurde48.

Töpfereien sind an mehreren Punkten südlich der Andreasstraße gefunden worden, doch nur in zwei Fällen kennen wir die Erzeugnisse verlässlich. Einmal handelt es sich um schlichte grautonige Teller ohne Standring, die wohl in das fortgeschrittene 3. Jahrhundert gehören. Auffälliger ist hingegen eine Sorte von Krügen, die in dieser Gestalt nur kurzfristig um 300 n. Chr. in Töpfereien an der Hochstraße erzeugt worden sind: die bekannten »Wormser Gesichtskrüge«49 (Tafel 3). An verschiedenen Orten der gallischen Provinzen und in Britannien wurden zu Zeiten des Wohlstands im späten 3. und im ersten Drittel des 4. Jahrhunderts n. Chr. derartige Krüge hergestellt. Auf einem schlanken eiförmigen Körper ist gegenüber dem Henkel auf gestrecktem Hals stets ein aus einem Model gewonnenes Frauengesicht andekoriert. Hals und Schultern sind oft weißlich bemalt, der Körper trägt einen an Sigillata erinnernden roten dünnen Überzug mit weißen, horizontalen Streifen. Sie stellten eine Spezialität dar. Die Frauengesichter gab es in zehn Typen. Manche ausgefallen bemalten Stücke scheinen auf Bestellung angefertigt worden zu sein. Aufschriften lassen auf eine Verwendung beim Weingenuss schließen. In denselben Töpfereien produzierte man selbstverständlich auch andere Keramikformen in der gleichen Machart, etwa kugelige Amphoren. Auf einer solchen mit einem Fassungsvermögen von etwa zwei Litern liest man die freundliche lateinische Aufforderung »ebibe cara« – »Trinke aus, Liebste«. Sie war einem Grab beigegeben.

Sicher wurde auch ein guter Teil des Gebrauchsgeschirrs in Worms selbst hergestellt. Anderes wie die teurere Terra Sigillata importierte man zuerst aus Südfrankreich (La Graufesenque, Banassac), später aus Heiligenberg und ab etwa der Mitte des 2. Jahrhunderts massenhaft aus Rheinzabern. Viele Güter wurden auf dem Rhein transportiert, weshalb die Stadt über einen Hafen verfügt haben muss. Seine Lage ist unbekannt, vielleicht lag er zwischen dem jüngeren Woog und der ersten hochwasserfreien Terrasse? Es gab Großhändler und Einzelhändler für alle Arten von Waren, Tuche, Geschirr etc., andernorts existieren hinreichend Belege50.

Ein Wormser Grabstein soll in diesem Zusammenhang erwähnt werden, der lange für anhaltende Diskussionen unter den Historikern gesorgt hat51. Ein kleines Bildfeld zeigt zwei Halbfiguren. Die Männer, bekleidet mit Tunica und Paenula (Mantel aus dickem Stoff), halten Schriftrollen vor der Brust in der rechten Hand. Die Inschrift weist außergewöhnlich viele Ligaturen auf, die Verstorbenen sind durch Berufsbezeichnungen erläutert und der Name der Mutter, Licontius, ist eine männliche Form. Zwei Brüder, Severius Lupulus und Severius Florentinus, 35 und 22 Jahre alt, lagen im Grab, ob sie etwa bei einem Unglück gemeinsam starben, steht nicht auf dem Stein. Die unglückliche Mutter Licontius musste ihre Söhne begraben. Frauen mit männlichem Namen sind etwa in Lyon oder im Treverergebiet öfter bezeugt. Die Berufe der Söhne sind mit Kaufmann (negotiator) und Flussschiffer (caudicarius) wiedergegeben. Möglicherweise waren beide Männer Kaufleute und Transportunternehmer, die allgemeinen Handel größeren Umfangs betrieben. Unser Stein bietet den ersten Beleg für die Berufsbezeichnung caudicarius, Flussschiffer, am Rhein. Walburg Boppert unterscheidet den selbstständigen Binnenschiffer (nauta) des 1. Jahrhunderts allerdings von dem zu Dienstleistungen für das Militär verpflichteten caudicarius des 3. Jahrhunderts. Die militärischen Aktionen des 3. Jahrhunderts unter Septimius Severus und seinen Nachfolgern bilden den historischen Rahmen. Als Teil der Steuerlast musste das Militär mit Baumaterial, Getreide, Öl und Ähnlichem versorgt werden. Die Brüder dürften die Transportverträge in der Hand halten. Römische Grabsteine sind ja auch stets Statussymbole.

Obwohl der Weinbau in der Römerzeit vorauszusetzen ist, gibt es zu diesem Wirtschaftszweig außerordentlich wenige Zeugnisse. Zu den beiden Rebmessern im Museum ist kein Fundort überliefert52. Der ursprüngliche Aufstellungsort des »Sifridsteins« am Dom ist unbekannt. Es handelt sich bei diesem um einen römischen Kelterstein aus Kalkstein (Jurakalk?). Die seitlichen Nuten dienten zur Aufnahme der Hölzer einer Rahmenkonstruktion, mittels derer man den Stein als Gewicht an einer Holzspindel befestigte. Ihr unteres Ende ragte in die kreisrunde Vertiefung auf der Oberseite des Steins. Der nächste Kelterstein befindet sich in Bechtheim, Krs. Alzey-Worms53.

Die Wormser Gräber des 3. und 4. Jahrhunderts weisen einen besonderen Reichtum an gläsernem Trinkgeschirr, Flaschen, Krügen, Bechern usw. auf54 (Tafel 2). Zwei Hinweise auf lokale Glasherstellung sind bekannt. Reste eines Glasschmelzofens befinden sich in den Fundkisten der alten Domgrabungen des frühen 20. Jahrhunderts. Ein zweiter Ofen wurde, allerdings innerhalb des Militärkastells nach 370 n. Chr., vor der nachmaligen Kirche St. Paulus betrieben55. Ebenfalls staatlich bzw. von der Militärverwaltung im weitesten Sinne kontrolliert gewesen wäre, wenn sich der jüngst gemachte Vorschlag bewahrheiten sollte, eine spätantike Ziegelei, von der jedoch außer einem einzigen Fehlbrandziegel keine Spur gefunden ist56.

Wo Häuser gebaut wurden, hat es selbstverständlich auch Handwerker gegeben, und da mehr Baukeramik bzw. Ziegelplatten unterschiedlicher Größe ohne Stempel gefunden worden sind als solche mit staatlichen Stempeln, ist wohl auch mit privaten Ziegeleien zu rechnen.

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