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Dunkles 1. Jahrhundert v. Chr. Wo sind noch Kelten, wo die Vangionen?

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Die Zeit der keltischen Oppida an Rhein und Donau endete abrupt im 1. Jahrhundert v. Chr. Irgendwann in den Jahren um oder nach 80 v. Chr., in einem Zeitraum, welchen die Archäologen bevorzugt mit der Umschreibung »am Ende der Stufe Latène D 2« belegen, scheinen große Umwälzungen stattgefunden zu haben. Man bringt sie gemeinhin mit den Verwerfungen zusammen, die durch Germaneneinfälle bis nach Gallien hinein erzeugt wurden. Die Ereignisse (gallische Stämme flüchteten und brachten die Nachbarn in Bedrängnis), verbunden mit dem Namen und dem Handeln des Germanenfürsten Ariovist, riefen schließlich C. Julius Caesar und die römischen Legionen auf den Plan. Ebenso enden die Gräberfunde Rheinhessens, in Worms und der nördlichen Pfalz mit dem 1. Viertel des 1. Jahrhunderts v. Chr. In Gallien, dem heutigen Frankreich, und schon im Kerngebiet der Treverer nebenan verhält es sich anders, doch sind die dortigen Verhältnisse nicht auf die Rheinzone übertragbar. Bis zum Beginn der römischen Epoche um die Zeitenwende müssen wir für Worms und Rheinhessen mit weitgehender Siedlungsleere von wenigstens zwei Generationen Dauer – mindestens 60 Jahre – rechnen. Es erscheint nach Jahrzehnten der archäologischen Forschungen, Grabungen und Geländebegehungen mit dem Wunschziel, eine Kontinuität zwischen Kelten und Römern belegen zu können, nicht mehr zulässig, noch immer auf neue Erkenntnisse zu hoffen oder zu argumentieren, die Toten des 1. Jahrhunderts v. Chr. seien eben spurenlos beseitigt worden. Abgesehen davon, dass dies einen einzigartigen Bruch mit allen bisher und danach im Umgang mit verstorbenen Angehörigen geübten Bestattungssitten bedeutete, sind Siedlungen ebenfalls nicht nachzuweisen. Helmut Bernhard gelangte für die Stadt Speyer denn auch zu dem Schluss, die These von einem keltischen Noviomagus als Vorgängersiedlung müsse endgültig zu den Akten gelegt werden19. Die Befunde in Worms lassen keine andere Folgerung zu. Die keltischen Städtenamen wie Noviomagus oder Borbetomagus widersprechen dem nicht, man wird sie mit den in der Römerzeit angesiedelten Kelten verbinden dürfen (s.u.).

Der Stamm der Vangionen tritt zum ersten Mal in Caesars Schrift über den Gallischen Krieg in Erscheinung, als Vangionen zusammen mit anderen germanischen Abteilungen wie solchen der Markomannen, Triboker, Nemeter, Sueben im Jahre 58 v. Chr. in einer Schlachtreihe den Römern gegenüberstehen (bellum gallicum I, 51,2)20. Plinius der Ältere, der einen gelehrten Zettelkasten mit Nachrichten zu allen Wissensgebieten gesammelt und für seine »Naturgeschichte« verwendet hatte, bezeichnete die Vangionen ganz eindeutig – ebenso wie Caesar – als Germanen (naturalis historia IV 106). Ihre ursprüngliche Heimat dürfte irgendwo östlich des Rheins gelegen haben, wo, weiß allerdings niemand. Leider hilft auch die Ableitung ihres Namens vom germanischen ∗wanga, Feld, nicht weiter. Dass sie in Worms frühestens nach der Zeitenwende heimisch werden konnten, werden wir gleich sehen.

Die Schlussfolgerung: Vangionen haben eine Vangionenstadt, – die Vangionen sind bei Caesar genannt – also existierte die Vangionenstadt schon zur Zeit des Gallischen Krieges – ist nicht zulässig. Denn Caesars Politik richtete sich strikt gegen eine Ansiedlung der von ihm als landhungrig dargestellten Germanen auf der gallischen Rheinseite. Er schrieb nach Rom, einige Gallier klagten darüber, dass sich immer mehr Germanen fruchtbares Land (auf der linken Rheinseite, in der Gegend des heutigen Elsass) aneigneten: Das germanische Land könne man mit dem gallischen nicht vergleichen, ebensowenig die hier in Gallien übliche Lebensweise mit der jener Menschen – eine im Jahr 2005 modern anmutende Angst vor Überfremdung kommt in den von Caesar wiedergegebenen Worten des Häduers Diviciacus zum Ausdruck. Die Treverer berichteten etwa gleichzeitig, einhundert suebische Stammesgruppen hätten sich am Rhein versammelt und wollten den Fluss überschreiten. Caesars Bericht über den Gallischen Krieg ist ein politisches Lehrstück: Er benutzte die Germanenangst in Rom, wo man sich noch mit Schrecken an die Kimbern und Teutonen erinnerte, um freie Hand für sein Agieren in Gallien zu haben. Völkerkundliche Genauigkeit war sicher nicht beabsichtigt. Eine Ansiedlung von Germanen am linken Rheinufer passte jedoch ganz und gar nicht in Caesars politisches Gebäude und widerspräche seinen Absichten21.

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