Читать книгу Wie objektiv ist Wissenschaft? - Группа авторов - Страница 10
2.1 Welche metaphysischen Hintergrundannahmen jenseits von Natur werden getroffen?
ОглавлениеEs gibt Vertreter naturwissenschaftliche Theorien – wie etwa der Evolutionstheorie – die von ihren inhärent atheistischen Annahmen ausgehend auf die Verfasstheit von Realität und Wissen schlechthin schließen (z.B.: Alles Wissen ist kausal.) Wenn man wissenschaftlichen Realismus, ein Antezedenzprinzip, die kausale Geschlossenheit der Welt, die durchgängige naturgesetzliche Verfasstheit der Welt u.a. als Naturwissenschaftler annimmt, dann sind mit dieser Sicht Entitäten, die gegen Naturgesetze verstoßen können, nicht vereinbar. Wenn man meint, dass ontologische Sparsamkeit zu begrüßen ist, dann wird man sich die Welt nicht als Ergebnis göttlicher Schöpfung denken.
Kommen wir zu einer implizit agnostischen metaphysischen Sicht auf Natur: In der Regel verhalten sich die meisten Naturwissenschaftler so, als gäbe es jenseits von Natur nichts naturwissenschaftlich Erschließbares. Manche schließen dann, dass es eben keine Übernatur gibt. Ein Fehlschluss21 zweifellos, aber ein sehr einflussreicher. Freilich müssen Naturwissenschaftler keine starken ontologischen Naturalisten sein. Ein starker ontologischer Naturalismus schließt jegliche Transzendenzbereiche aus. Es gibt dann nur die eine Welt, Natur, den Kosmos, der letztlich naturgesetzlich bestimmt ist. Auch damit ist noch nicht viel gewonnen. Ontologische Probleme sind nicht damit gelöst, dass wir alles „Natur“ nennen. Es gibt in diesem Naturalismus keinen Platz für Gott, Götter, Engel, Astralleiber, eine immaterielle Seele, ein Jenseits. Wie eine naturalistische Ontologie aussieht, ist umstritten: Es gibt materielle Gegenstände, soziale Konstrukte, mentale Eigenschaften, Zahlen und anderes. Wir sehen, dass ein reduktiv verfahrender Naturalismus große Schwierigkeiten hat. Er ist größtenteils ein uneingelöstes Programm.22
Was weiter könnte ein eher metaphysikfeindlich gesinnter naturalistischer Naturwissenschaftler mit Bezug auf ein Jenseits der naturwissenschaftlich erforschbaren „Natur“ sagen? Er könnte etwa ein ontologisches Sparsamkeitsprinzip vertreten, das in seiner Sicht „ontologischen Wildwuchs“ verhindert. Wenn wir Gott und den Teufel als Entitäten zulassen, warum dann nicht auch seine Großmutter?23 Dagegen vertritt der Naturalist eine andere Metaphysik. Martin Mahner spricht von ontologischen Nullhypothesen, die „so lange als Postulate einer Erkenntnismetaphysik fungieren sollten, bis es gute Gründe für ihre Falschheit gibt“24. Der ontologische Naturalismus ist eine philosophische Nullhypothese des Naturalismus, weitergehende Behauptungen wie etwa das Gesetzmäßigkeitsprinzip sind „substanzielle Hypothese[n], weil sie das Vorhandensein gesetzmäßiger Eigenschaften behaupten“25. Eine Erweiterung dieser Aussagen könnte darin bestehen, dass wir es in der naturwissenschaftlich beschreibbaren Welt ausnahmslos mit kausalen Gesetzmäßigkeiten zu tun haben und dass naturwissenschaftliche Methoden – ich komme darauf im 4. Abschnitt zu sprechen –, anderen Methoden bei der Erforschung von natürlichen Systemen überlegen sind. Von da aus, ist es kein großer Schritt zur Behauptung der Vorherrschaft von Naturwissenschaft schlechthin. In den Worten von Sellars: „Where ever Science leads, I will follow.“ Wir werden hier nicht näher auf diese Thesen eingehen. Es genügt festzustellen, dass dieser Naturalismus sich einiger, teilweise gut begründeter Kritik ausgesetzt sieht.26
– Kritik des ontologischen Naturalismus: Radikale Naturalisten – etwa Quine – orientieren sich in erster Linie an einer Ontologie, die Physik als Leitwissenschaft proklamiert hat. Quine ist hier sicher der bekannteste Exponent.
– Kritik des philosophischen Anspruchs: Insbesondere Quine wird vorgeworfen, bestimmte philosophische Ansprüche aufzugeben bzw. diese nicht als explizit philosophisch zu bezeichnen. So ist ein ausnahmslos gültiges Kausalprinzip kein rein naturwissenschaftliches Prinzip und das Diktum Quines, dass ihn nichts vom Naturalismus abbringen könne, ein philosophisch-programmatisches Dogma.27
– Damit eng zusammen hängt die Tendenz fortschreitender Erklärung oder Ersetzung epistemischer Begriffe – Wissen/Erkenntnis, Begründung/Rechtfertigung – durch psychologische, physikalische oder biologische Begriffe sowie die Ersetzung epistemischer Beziehungen durch kausale Beziehungen.28