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Metaphysische und methodologische
Hintergrundannahmen in den
Naturwissenschaften:
Was die Naturwissenschaften, insbesondere
die Chemie, diesseits und jenseits von „Natur“
zu wissen meinen Thomas Sukopp

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Reflexionen über Denkvoraussetzungen in den Naturwissenschaften sind wichtig. Wichtig ist es, sich zu vergegenwärtigen, welche impliziten Voraussetzungen in den Wissenschaften, auch und gerade in den Naturwissenschaften, getroffen werden, weil sie teilweise Leitwissenschaftscharakter1 haben. Das Offenlegen dieser Voraussetzungen geschieht nicht der Bloßstellung wegen oder einer etwaigen Entlarvung ihrer Unzulänglichkeiten. Eine derartige philosophische Hybris liegt mir fern. Wenn wir aber über Denkvoraussetzungen sprechen wollen, dann müssen wir uns disziplin- und fachübergreifend verständigen. Diese gelebte interdisziplinäre Anstrengung lohnt in meiner Sicht sehr, insbesondere dann, wenn sich Philosophen2 wirklich für die Fragestellung, die Methoden, die Methodologien3 und den Status der Erkenntnisse interessieren, die in den Einzelwissenschaften „state of the art“ sind. Ich möchte nur noch eine Vorbemerkung machen. Denkvoraussetzungen sind nötig und wir können nicht voraussetzungslos denken, siehe etwa Kants Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis schlechthin. Wenn ich im Folgenden versuche, insbesondere für die Chemie Denkvoraussetzungen herauszuarbeiten, dann geschieht das in dem Bewusstsein, dass solche Denkvoraussetzungen Welt- und Menschenbildfunktion haben.4 Wenn Chemiker etwa naturidentische Aromastoffe synthetisieren, dann klingt das nicht nur beim Verbraucher positiv, mehr noch: das Natürliche ist normativ hoch aufgeladen und wird – je nach sonstigen philosophisch-soziokulturellen Hintergrundannahmen – mal als bedrohlich, mal als irgendwie zu überwinden oder als gegeben und damit oft als positiv gewertet. Doch mein Ziel ist es nicht, normative Vorgaben zu machen; ich möchte lediglich ganz basale metaphysische und methodologische Hintergrundannahmen – als solche möchte ich Denkvoraussetzungen in einer bestimmten Sicht verstehen – benennen und einige Konsequenzen daraus ableiten.

Der vorliegende Beitrag hat fünf Abschnitte. Ich präzisiere im ersten Abschnitt wichtige Begriffe. Zweitens nenne ich einige metaphysische Hintergrundannahmen der Naturwissenschaften im Allgemeinen und der Chemie im Besonderen. Drittens stelle ich grundlegende verschiedene Naturkonzepte vor, die jeweils mit verschiedenen metaphysischen Annahmen einhergehen. Ich unterscheide hier – wie dem Titel zu entnehmen ist – zwischen Denkvoraussetzungen diesseits und jenseits der Natur. Viertens werden methodologische Hintergrundannahmen in der Chemie explizit genannt, die ebenfalls mehr oder weniger stark mit dem jeweils verwendeten Konzept von „Natur“ zusammenhängen. Der Beitrag schließt fünftens mit einem kurzen Fazit. Selbstredend können viele meiner Ausführungen angesichts der Breite der zu verhandelnden Themen nur recht kurz behandelt werden.

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