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d) Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflichtungen

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Die Exekutive ist in sachlicher und zeitlicher Hinsicht an die Ermächtigungen des Haushaltsplans gebunden (§ 27 Abs. 1 Satz 1 HGrG, § 45 Abs. 1 Satz 1 BHO und das entsprechende Landes- und Kommunalhaushaltsrecht). Insbesondere hat sie sich an die Obergrenzen der Ausgabenansätze und Verpflichtungsermächtigungen zu halten (§ 19 Abs. 2 Satz 2 HGrG, § 34 Abs. 2 Satz 2 BHO und das entsprechende Landes- und Kommunalhaushaltsrecht). Im etatlosen Zustand gilt Entsprechendes für die Ermächtigungen in den diesbezüglichen Regelungen (Rn. 246).

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In der Praxis können gleichwohl Mehrausgaben oder zusätzliche Verpflichtungen jenseits der ursprünglichen Ansätze erforderlich werden. Die hierzu unabdingbaren Ermächtigungsgrundlagen können zum einen über einen Nachtragshaushaltsplan geschaffen werden (Rn. 229 ff.). Zum anderen sieht das Haushaltsrecht in bestimmten Grenzen aber auch die Möglichkeit des Finanzministers vor, über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflichtungen über den Haushaltsplan hinaus zu bewilligen. Überplanmäßig ist eine Ausgabe oder Verpflichtung, wenn die zu dem betreffenden Zweck im Haushaltsplan vorgesehenen Ansätze – nach Ausschöpfung der haushaltsrechtlich eröffneten Verstärkungsmöglichkeiten einschließlich übertragbarer Ausgabenreste – überschritten werden. Außerplanmäßig ist eine Ausgabe oder Verpflichtung, wenn der Haushaltsplan für den betreffenden Zweck überhaupt keine Ermächtigung enthält. Im etatlosen Zustand bilden die diesbezüglichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen den Bezugsrahmen für die Feststellung der Über- oder Außerplanmäßigkeit[579].

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Auf Bundes- und Landesebene sind Ermächtigungsgrundlagen zur ministeriellen Bewilligung über- und außerplanmäßiger Ausgaben und Verpflichtungen in den Verfassungen (Art. 112 GG, entsprechend die meisten Landesverfassungen) und – konkretisierend – in den Haushaltsordnungen (§§ 37 und 38 BHO, entsprechend die Landeshaushaltsordnungen) vorgesehen. Tatbestandlich vorausgesetzt wird dabei ein unvorhergesehenes und sachlich wie zeitlich unabweisbares Bedürfnis.

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Unvorhergesehen ist das Bedürfnis dann, wenn es – gleich aus welchen Gründen – vom Finanzminister oder auch der Regierung bei der Aufstellung des Haushaltsplans oder vom Gesetzgeber bei dessen Beratung und Feststellung nicht vorhergesehen wurde[580]. Es kommt auf die tatsächlich fehlende Voraussicht an, nicht dagegen auf die Vorhersehbarkeit. Im Verhältnis zwischen den Ressorts ist allein die fehlende Voraussicht eines Bedürfnisses durch den Finanzminister entscheidend. Ein Bedürfnis ist deshalb auch dann unvorhergesehen, wenn es in einem Fachressort bei den Vorarbeiten zum Haushaltsentwurf erkannt worden war, die Information aber vom zuständigen Fachminister nicht an den Finanzminister weitergegeben wurde[581]. Nicht unvorhergesehen sind folglich alle Ausgabenbedürfnisse, die beim Finanzminister geltend gemacht worden sind, aber bei der Aufstellung des Haushaltsentwurfs keine Berücksichtigung gefunden haben[582]. Gleiches gilt für Anforderungen, die im Rahmen der Entscheidung der Regierung über den Haushaltsentwurf oder auch erst im Haushaltsgesetzgebungsverfahren durch das Parlament gestrichen worden sind[583]. Anderes gilt nur dann, wenn im Nachhinein neue Gesichtspunkte hinzutreten[584], die ein Bedürfnis nunmehr als sachlich oder zeitlich unabweisbar erscheinen lassen[585].

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Sachlich unabweisbar ist ein Ausgaben- oder Verpflichtungsbedürfnis, wenn die Ausgabe oder Verpflichtung sachlich unbedingt notwendig ist[586]. Das Tatbestandsmerkmal korrespondiert mit dem Haushaltsgrundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (Rn. 155 ff.). Die Voraussetzung der sachlichen Unabweisbarkeit betrifft den Maßnahmezweck. Weil die Ermächtigungen zu über- und außerplanmäßigen Ausgaben und Verpflichtungen keine eigenständige Haushaltspolitik des Finanzministers an Regierung und Gesetzgeber vorbei ermöglichen sollen, ist gerade dieses Tatbestandsmerkmal besonders restriktiv auszulegen. Sachlich unabweisbar können danach insbesondere Ausgaben in Erfüllung von Rechtsansprüchen oder sonstigen gesetzlichen Verpflichtungen sein. Bei der Prüfung der sachlichen Unabweisbarkeit wird sich der Finanzminister in einigem Umfang auf die Beurteilung durch den zuständigen Ressortminister stützen, der nach dem Ressortprinzip die sachliche Entscheidungskompetenz innehat und die entsprechende politische Verantwortung trägt[587].

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Zeitlich unabweisbar ist ein Ausgaben- oder Verpflichtungsbedürfnis, wenn die Ausgabe „ohne Beeinträchtigung schwerwiegender politischer, wirtschaftlicher oder sozialer Staatsinteressen nicht mehr zeitlich aufgeschoben werden kann“[588]. Nur dieses Moment des zeitlichen Drucks rechtfertigt die Inanspruchnahme des ministeriellen, das parlamentarische Budgetrecht einschränkenden Notbewilligungsrechts, keinesfalls schon die sachliche Notwendigkeit einer Ausgabe allein[589]. An der Unabweisbarkeit fehlt es daher, wenn für die Ausgabe noch rechtzeitig durch die Einbringung und Verabschiedung eines Nachtragshaushaltsgesetzes eine parlamentarische Grundlage geschaffen werden kann oder wenn die Ausgabe bei Abwägung der Interessen als bis zum nächsten regulären Haushaltsgesetz aufschiebbar erscheint[590]. Die Verfassungspraxis hat gezeigt, dass es durchaus möglich ist, innerhalb kurzer Zeit ein Nachtragshaushaltsgesetz zu schaffen, zumal die Fristen im Verfahren der Nachtragshaushaltsgesetzgebung gerade deshalb abgekürzt worden sind, um die Inanspruchnahme der Ermächtigungen für über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflichtungen möglichst entbehrlich zu machen[591]. Ob im Einzelfall noch rechtzeitig ein Nachtragshaushaltsgesetz erlassen werden kann, hat der Finanzminister bei begründeten Zweifeln in Abstimmung mit dem Gesetzgeber zu klären[592]. Eine nähere gesetzliche Regelung, die angezeigt erscheint, hat dieses vom Bundesverfassungsgericht für erforderlich gehaltene Abstimmungsverfahren bislang nicht gefunden[593] (siehe lediglich § 37 Abs. 1 Satz 3, § 38 Abs. 1 Satz 2 HS 2 BHO, entsprechend die Landeshaushaltsordnungen).

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Das Bundesverfassungsgericht hat es dem Gesetzgeber überlassen, eine Bagatellgrenze einzuführen, unterhalb derer auf entsprechende Konsultationen zwischen dem Finanzminister und dem Gesetzgeber verzichtet werden kann[594]. Aufgrund dessen sehen § 37 Abs. 1 Satz 4, § 38 Abs. 1 Satz 3 BHO und die entsprechenden Bestimmungen in den meisten Landeshaushaltsordnungen vor, dass es keines Nachtragshaushaltsgesetzes bedarf, wenn im Einzelfall ein im Haushaltsgesetz festgelegter Betrag nicht überschritten wird oder wenn Rechtsverpflichtungen zu erfüllen sind[595]. Richtigerweise enthebt die de minimis-Ausnahme allerdings nicht von der Prüfung, ob die Ausgabe bei Abwägung der Interessen als bis zum nächsten regulären Haushaltsgesetz aufschiebbar erscheint. Ebenso bleibt es auch bei geringfügigen über- oder außerplanmäßigen Ausgaben bei den Zulässigkeitsvoraussetzungen der fehlenden Voraussicht des Bedürfnisses und der sachlichen Unabweisbarkeit[596].

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Nach § 37 Abs. 3 BHO (entsprechend die Regelungen in den meisten Bundesländern) sollen über- und außerplanmäßige Ausgaben durch Einsparungen bei anderen Ausgaben in demselben Einzelplan ausgeglichen werden.

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§ 37 Abs. 4 BHO (entsprechend die Landeshaushaltsordnungen) verlangt eine nachträgliche regelmäßige Unterrichtung des Parlaments über die ministeriellen Zustimmungen zu über- und außerplanmäßigen Ausgaben; in Fällen grundsätzlicher und erheblicher finanzieller Bedeutung ist das Parlament unverzüglich zu unterrichten.

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Im Kommunalhaushaltsrecht finden sich ebenfalls Regelungen zu über- und außerplanmäßigen Ausgaben und Verpflichtungen[597]. Vielfach wird hier tatbestandlich ebenfalls auf die Unabweisbarkeit abgestellt und zudem verlangt, dass die Deckung gewährleistet ist. Auf die Unvorhersehbarkeit kommt es dagegen regelmäßig nicht an. Oftmals ist nicht klar geregelt, wer die Kompetenz besitzt, die Einwilligung zu über- und außerplanmäßigen Ausgaben zu erteilen. Bei erheblichen Haushaltsüberschreitungen ist allerdings zumeist die Zustimmung der Vertretungskörperschaft erforderlich, die im Übrigen – wie auf Bundes- und Landesebene – über die verwaltungsinternen Einwilligungen zu unterrichten ist.

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Bei doppischem Rechnungswesen gilt für überplanmäßige Auszahlungen bzw. Aufwendungen grundsätzlich das Gleiche.

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