Читать книгу Handbuch des Strafrechts - Группа авторов - Страница 214

4. Die Tatveranlassung durch Vorspiegelung lediglich motivationsrelevanter Tatsachen

Оглавление

141

Dagegen reicht die Hervorrufung von Motivirrtümern für die Annahme einer mittelbaren Täterschaft nicht aus. Ein solcher Irrtum liegt vor, wenn die Fehlvorstellung des unmittelbaren Täters sich auf den Tatbestandsvorsatz, auf das Unrechtsausmaß, auf objektivierte Schuldkriterien oder die Identität des Tatobjekts nicht auswirkt. Einfacher ausgedrückt: Ein Motivirrtum liegt vor, wenn der Irrtum nicht die Tat, sondern allein die Gründe für ihre Begehung betrifft.

142

So liegt es etwa, wenn A den B zur Verprügelung des C durch die falsche Behauptung veranlasst, dieser (der C) habe ihn (den B) betrogen, verleumdet oder sonstwie geschädigt. Hier untersteht die Körperverletzung allein und in vollem Umfang der Beherrschung des B. A ist nur Anstifter (was allen Strafbedürfnissen vollauf gerecht wird).

143

Zu einer mittelbaren Täterschaft kommt freilich eine Auffassung, die bei Erörterung der „Grundlagen“ (oben Rn. 11 f.) als „Prinzip der überwiegenden Einflussnahme“ bezeichnet wurde. Sie wird am deutlichsten von Frister[100] vertreten. Ihm zufolge kann „die Tatherrschaft … durch alle Irrtumsarten begründet werden, so dass jeder für die Tat ursächliche Irrtum zur Begründung mittelbarer Täterschaft ausreicht“. Danach führen zur mittelbaren Täterschaft alle „Motivirrtümer …, aufgrund derer eine Straftat begangen wird“. Das macht, wie Frister mit Recht sagt, „im Grunde“ die Bildung verschiedener Fallgruppen eines Täters hinter dem voll deliktischen Täter (oben Rn. 116–140) „überflüssig“.

144

Aber eine solche Auffassung geht entschieden zu weit. Denn, um es am Ausgangsbeispiel zu verdeutlichen: Die Verprügelung des C unterliegt allein der Herrschaft des B. Die dem A zur Last zu legende Täuschung bietet nach rechtlichen Maßstäben keinen Anlass zur Begehung einer Straftat und wirkt sich weder auf den Schadensumfang noch auf objektivierte Schuldkriterien noch auf die Person des Opfers aus. Der unmittelbar Handelnde ist in seiner Entschließung genau so frei, wie er es wäre, wenn die Insinuationen des Hintermannes auf Wahrheit beruhten und unstrittig nur eine Anstiftung begründen könnten. Es fehlt also jeglicher Umstand, der eine Herrschaft des Hintermannes über die Tat begründen könnte.

145

Problematisch wird diese Lösung nach einer verbreiteten Meinung freilich bei einer täuschungsbedingten Veranlassung zum Suizid.[101] Denn hier fehlt die Möglichkeit einer Anstiftungsbestrafung. Gleichwohl ist auch hier eine mittelbare Täterschaft abzulehnen, wenn der Suizident im Zustand voller Verantwortlichkeit unter seiner alleinigen Herrschaft den eigenen Tod herbeiführt.

146

Wenn also A den B zum Selbstmord durch erfundene Mitteilungen über eine angeblich ungünstige Entwicklung der ihn betreffenden wirtschaftlichen Verhältnisse oder durch die falsche Zusicherung verleitet, dass die Lebensversicherung auch in einem solchen Fall an die Angehörigen ausgezahlt werde, ist das eine straflose Beteiligung am Suizid. Denn die Selbsttötung unterstand allein der Herrschaft des B.

147

Das muss auch dann gelten, wenn A den B durch die Vorspiegelung einer unheilbaren Krankheit in den Tod treibt. Hier kann eine mittelbare Täterschaft vorliegen, wenn die Täuschung den B in eine zurechnungsausschließende Depression stürzt. Wenn B aber im Zustand voller Verantwortlichkeit in den Tod geht, bleibt er Herr des Geschehens, so dass A nach geltendem Recht straflos ist. Die Annahme einer mittelbaren Täterschaft würde auch deshalb zu weit gehen, weil eine erfundene Diagnose einen voll verantwortlichen Menschen normalerweise nicht zu einem Suizid, sondern allenfalls dazu veranlassen wird, die ihm suggerierte Krankheit durch ärztliche Experten überprüfen zu lassen. Deshalb ist auch ein solcher Fall in der Rechtsprechung noch nie vorgekommen.

148

Sehr umstritten ist aber die Beurteilung des vorgetäuschten Doppelselbstmordes. Der BGH hat einen solchen Sachverhalt entschieden.[102] Hier hatte eine Ehefrau, die ein ehebrecherisches Verhältnis unterhielt und sich ihres Mannes entledigen wollte, diesem einen Doppelselbstmord vorgeschlagen und das Gift gemischt. Dabei war sie von vornherein entschlossen, von dem Gift nicht zu trinken. Der Mann stimmte dem Vorschlag zu mit der Bemerkung: „Dann bleiben wir immer zusammen.“ Als er einen kräftigen – schon tödlichen – Schluck aus der Giftflasche getrunken hatte, reichte er sie seiner Frau. Diese schüttelte nur den Kopf. Daraufhin nahm der Mann noch einen weiteren Schluck. Er starb noch in derselben Nacht.

149

Der BGH hat offengelassen, „ob eine derartige Irrtumserregung allein ausreicht, um die Tatherrschaft des arglistig Täuschenden zu begründen“. Er nimmt dennoch eine mittelbare Täterschaft der Ehefrau an. Sie habe die Tatherrschaft dadurch erlangt, dass sie „den lang anhaltenden deprimierten Zustand ihres Ehemannes“ ausgenutzt, das Gift gemischt sowie den Plan in allen Einzelheiten bestimmt und zügig durchgesetzt habe.

150

Das alles kann aber eine Tatherrschaft der Ehefrau nicht begründen. Denn ihr Verhalten erfüllt nicht einmal den Tatbestand der Nötigung, liegt also weit unterhalb der Schwelle eines tatherrschaftsbegründenden Zwanges. Näher liegt es, aus dem vom BGH festgestellten „lang anhaltenden deprimierten Zustand“ des Ehemannes eine die mittelbare Täterschaft der Frau begründende verantwortungsausschließende Depression des Mannes abzuleiten. Aber dieser Möglichkeit ist der BGH nicht weiter nachgegangen.

151

Man kann daher zur Annahme einer mittelbaren Täterschaft nur kommen, wenn man die Tatherrschaft bei einer Veranlassung zum Suizid oder wenigstens bei vorgetäuschten Doppelselbstmorden anderen Regeln unterstellt als die Veranlassung zur Begehung von Delikten. Ich hatte das ursprünglich getan,[103] Neumann[104] hat diese Annahme weiter entwickelt, und auch Schünemann[105], der bei Drittschädigungen die Hervorrufung von Motivirrtümern nicht für eine mittelbare Täterschaft ausreichen lässt, will bei Suiziden eine Ausnahme machen.

152

So schreibt Letzterer, beim Suizid sei „eine besondere Konstellation gegeben. Weil das Individuum weder rechtlich gehindert ist, sich selbst zu verletzen oder gar zu töten, noch dabei ein anderes Hindernis als den eigenen Lebenswillen überwinden muss, sind hier allein der Suizidentschluss und das dahin führende Motiv als ‚Grund des Erfolges‘ anzusehen, so dass ein Hintermann, der den Suizidentschluss durch eine Täuschung auslöst oder zumindest ausnutzt, hierüber die Herrschaft ausübt und deshalb mit Recht als mittelbarer Täter verantwortlich gemacht wird.“

153

Abgesehen davon, dass der „Lebenswille“ in der Regel ein stärkeres Hemmungsmotiv begründet als ein rechtliches Verbot,[106] kommt es aber doch auf die Freiheit des Suizidentschlusses an. Daran wird es oft fehlen. Wo sie aber vorliegt, kann ein Motivirrtum diese Freiheit so wenig beeinträchtigen wie in anderen Fällen.

154

Hinzu kommt, dass gerade bei einem fälschlich angenommenen Doppelselbstmord der Irrtum neben anderen Gründen in der Regel nur eine untergeordnete Rolle spielt. Niemand begeht ja nur deshalb Selbstmord, weil ein anderer dies tun will. Auch in dem vom BGH entschiedenen Fall lagen die entscheidenden Beweggründe für den Sterbewillen des Mannes in der Untreue seiner Frau und in seinem „deprimierten Zustand“. Diese Annahme wird dadurch bestätigt, dass der Mann, nachdem ihm sein Irrtum klar geworden war, noch einen zweiten Schluck des Giftes zu sich nahm. Er wollte also sterben, obwohl er nunmehr wusste, dass seine Frau nicht mit in den Tod gehen wollte.

155

In der neueren Kommentarliteratur teilen vor allem Hoyer[107] und Joecks[108] die hier vertretene Meinung.[109] Mit Recht sagt Joecks, es sei „nicht angängig …, im Hinblick auf die Tatbestandslosigkeit der Selbstschädigung eine andere Definition von ‚Herrschaft‘ zu entwickeln, um die drohende Straflosigkeit des Hintermannes zu vermeiden. Die Abgrenzung zwischen mittelbarer Täterschaft und strafbarer Teilnahme an fremder Haupttat gibt zugleich die Regeln vor, mit denen die Beteiligung an fremder Selbstschädigung zu beurteilen ist.“

156

Freilich ist nicht zu leugnen, dass das Verhalten der Ehefrau in Fällen der vorliegenden Art strafwürdig ist. Aber dem kann nicht durch die Konstruktion einer mittelbaren Täterschaft, sondern nur dadurch abgeholfen werden, dass für die eigensüchtige Verleitung zum Suizid ein eigener Straftatbestand geschaffen wird.[110]

12. Abschnitt: Täterschaft und Teilnahme§ 52 Mittelbare Täterschaft › E. Die Willensherrschaft bei Schuldunfähigen und vermindert Schuldfähigen

Handbuch des Strafrechts

Подняться наверх