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I. Der schuldunfähige Tatmittler

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Wer sich zur Begehung eines Deliktes eines Kindes (§ 19 StGB), eines im Sinne des § 3 JGG unreifen Jugendlichen oder eines nicht Zurechnungsfähigen (§ 20 StGB) bedient, ist mittelbarer Täter. Die mittelbare Täterschaft ergibt sich entweder aus der fehlenden Einsichtsfähigkeit des unmittelbar Ausführenden und ist dann nach den beim Verbotsirrtum geltenden Regeln zu behandeln (oben Rn. 90 ff.), oder sie folgt aus seiner mangelnden Normbefolgungsfähigkeit, die dem Hintermann – ähnlich wie in den Fällen verantwortungsausschließenden Notstandes (oben Rn. 26 ff.) – die Tatherrschaft vermittelt. Die Schuldlosigkeit des Ausführenden hat zur Folge, dass dem Hintermann die täterschaftliche Verantwortung für das Unrechtsgeschehen zugewiesen wird. Das entspricht der ganz h.M.[111]

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Vereinzelt wird in der Literatur in solchen Fällen auch eine bloße Anstiftung für möglich gehalten.[112] Diese Ansicht kann sich auf RGSt 61, 265 berufen. Hier hatte der Angeklagte seinen 13-jährigen Enkel zu einer Brandstiftung veranlasst und wurde nur als Anstifter bestraft, weil das Kind für das von ihm begangene Unrecht „nicht volles, so doch hinreichendes Verständnis“ gehabt habe. So will auch Welzel[113] nur eine Anstiftung annehmen, wenn das Kind oder der Geisteskranke im Einzelfall „einen eigenen Willen entfalten“ konnte. Jakobs[114] bejaht eine Teilnahme oder Mittäterschaft, wenn „das Kind entgegen der gesetzlichen Vermutung vorzeitig zur Normerkenntnis und -befolgung“ reif ist. Köhler[115] meint, wer sich eines kleinen Kindes bediene, beziehe sich „auf ein überhaupt normreflektierendes Subjekt, er ist daher nicht mittelbarer Täter, sondern Anstifter“. Man möge zwar von „Tatherrschaft“ über ein „Werkzeug“ sprechen. „Aber danach ist der Tatmittler ein an sich freies Subjekt, das nur in bestimmter Hinsicht … zum Mittel fremder Unrechtsmaxime werden kann.“

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Aber alle diese Lehren, die teils generell, teils nur in bestimmten Fällen eine Anstiftung annehmen wollen, gehen an der gesetzlichen Regelung vorbei: Denn diese geht davon aus, dass der unmittelbar Handelnde – ob nun als Kind, als unreifer Jugendlicher oder Zurechnungsunfähiger – sein Verhalten nicht an der Norm orientieren kann. Er ist schuldlos. Abweichende Würdigungen sind nicht vorgesehen. Der vom Gesetzgeber für schuldlos Erklärte trägt sogar weniger Verantwortung als viele, die ohne Tatbestandsvorsatz handeln, aber auf Grund unbewusster oder bewusster Fahrlässigkeit durchaus nicht schuldlos sind. Wenn in diesen Fällen ein „Handeln durch einen anderen“ und damit eine mittelbare Täterschaft angenommen wird, kann vernünftigerweise bei einer vollkommenen Schuldlosigkeit des Tatmittlers nichts Anderes gelten.

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Richtig ist freilich, dass der Gesetzgeber einen generalisierenden Maßstab verwendet, wenn er Kinder für schlechthin schuldunfähig erklärt. Aber das tut er im Fall des § 35 StGB ebenfalls. Eine normative Grenzziehung nach dem Verantwortungsprinzip ist hier unerlässlich. Denn eine individualisierende Grenzziehung würde kaum sichere Ergebnisse ermöglichen und richterlicher Willkür Vorschub leisten.[116]

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Eine Teilnahme kommt nach den Regeln, die schon für die Nötigungsfälle entwickelt worden sind (oben Rn. 39 ff.), nur bei der nicht tatermöglichenden Unterstützung eines vom Schuldunfähigen schon selbst gefassten Deliktsplanes in Betracht.

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Die Veranlassung einer Selbstschädigung von Kindern und nicht verantwortlichen Jugendlichen ist immer eine mittelbare Täterschaft. Das gilt ebenso für die Bestimmung Schuldunfähiger zur Selbstschädigung. In der Literatur werden wie bei der Nötigung (oben Rn. 46 ff.) und der durch Täuschung veranlassten Selbstschädigung (oben Rn. 86 ff.) von vielen Autoren geringere Anforderungen an die mittelbare Täterschaft gestellt, indem die Voraussetzungen des § 20 durch die Kriterien der „Ernstlichkeit“ i.S.d. § 216 StGB oder der Einsichtsfähigkeit bei der Einwilligung ersetzt werden.

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Die Gründe, die dagegen sprechen, sollen hier nicht wiederholt werden. Es sei nur darauf hingewiesen dass Jugendlichen, die etwa aus Liebeskummer oder wegen schulischer und beruflicher Probleme aus dem Leben scheiden wollen, die Reife i.S.d. § 3 JGG abzusprechen ist, so dass einem Tatveranlasser aus diesem Grunde die mittelbare Täterschaft zuwächst. Bei Erwachsenen kann eine unglückliche Liebe oder ein berufliches Scheitern zu einer endogenen Depression führen, die den Krankheitswert des § 20 StGB erreicht und in diesem Fall einen Tatveranlasser zum mittelbaren Täter macht. Wo aber die Selbstverantwortung des Suizidenten erhalten bleibt, muss eine Strafbarkeit des Tatveranlassers nach geltendem Recht ausscheiden.

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