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2. Zur Problematik der „Rechtsgelöstheit der deliktischen Organisation“

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Voraussetzung einer mittelbaren Täterschaft ist nach meiner Lehre, dass die Organisation sich im Bereich ihres strafbaren Handelns vom Recht gelöst hat, d.h. die allgemein gültigen strafrechtlichen Verbote als für sie nicht verbindlich betrachtet. Das gilt für die Nazi-Verbrechen bei der in millionenfachen Morden bestehenden „Endlösung“ der Judenfrage, aber auch für die Verhinderung der „Republikflucht“ in der DDR, für terroristische Anschläge (man denke an die tausendfachen Tötungen im World-Trade-Center!) sowie für Genozide und „ethische Säuberungen“.

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Dieses Kriterium wird vor allem durch den Hinweis bestritten, dass es keine selbstständige Funktion habe, weil es nur die Strafbarkeit des konkreten Verhaltens bezeichne.[139] Aber mit der Rechtsgelöstheit ist mehr als die Strafbarkeit im Einzelfall gemeint. Denn sie sichert die reibungslose Durchführung der Straftaten gerade dadurch, dass der Ausführende nicht befürchten muss, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden. Jakobs[140] spricht mit Recht von einer „faktischen Hemmungslosigkeit des Ausführenden“, „wenn … eine Gegenwelt zur rechtlich verfassten Welt einigermaßen stabil etabliert worden ist, so dass es … auf die Rechtlichkeit des Angeordneten für den Ausführenden überhaupt nicht mehr ankommt“.

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Der oberste peruanische Gerichtshof hat im erstinstanzlichen Fujimori-Urteil die Rechtsgelöstheit als für die mittelbare Täterschaft der Hintermänner geradezu „entscheidend“ erklärt,[141] weil dadurch die Herrschaft über die Organisation konsolidiert werde und weil sie dazu führe, „dass die Vollstrecker eher zur Tatbegehung bereit sind, weil sie wissen …, dass keine Norm oder Autorität ihr kriminelles Verhalten aufhalten oder bestrafen wird“.

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Man muss nur zwei Klarstellungen beachten.[142] Bei Staatsverbrechen, wie sie die nationalsozialistischen Gewalthaber, die Staatsführung der DDR, aber auch zahlreiche Diktaturen in aller Welt begangen haben, genügt eine Rechtsgelöstheit, die sich auf bestimmte Tätigkeitsfelder (etwa die Verfolgung von Minderheiten und Regimegegnern) beschränkt. Außerdem kommt es für die rechtliche Beurteilung nicht auf die Ansicht der Verbrechensorganisatoren, sondern auf den Rechtsstandpunkt des erkennenden Gerichts an. Auch wenn etwa die Mitglieder des Nationalen Verteidigungsrates der DDR Tötungen zur Verhinderung einer „Republikflucht“ für rechtmäßig gehalten haben, bezeugen sie damit eine Einstellung, die sich von den anerkannten rechtlichen Normen gelöst hat.

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