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V. Befürworter einer Straflosigkeit beider Beteiligten

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Wenn man an der Tatherrschaftslehre auch bei Pflichtdelikten festhalten will, müsste man also zur Straflosigkeit aller Beteiligten kommen: Der Ausführende kann nicht Täter sein, weil ihm die dazu erforderliche Qualifikation (die soziale Pflichtenstellung) fehlt. Eine mittelbare Täterschaft oder auch nur Anstiftung des qualifizierten Hintermannes muss an der mangelnden Tatbestandserfüllung durch den Ausführenden scheitern.

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Die Konsequenz der Straflosigkeit wird wegen des kriminalpolitisch inakzeptablen Ergebnisses nur selten gezogen, findet aber immer noch Anhänger.[187] So sagt etwa Otto:[188] „Die Tatsache einer besonderen Pflichtenstellung des Hintermannes begründet keine Herrschaftsposition über den unmittelbar Handelnden.“ Es entfalle daher „die Möglichkeit, ihn als Täter zu bestrafen“. Über die Lehre von den Pflichtdelikten und über die geschilderten Versuche, eine Täterschaft normativ zu begründen, sagt er: „Beide Meinungen können eine Herrschaft des Hintermannes nicht begründen. Sie kaschieren nur mühsam, dass es ihnen allein darum geht, befürchtete Strafbarkeitslücken zu schließen. Das aber wäre Aufgabe des Gesetzgebers.“

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Im selben Sinn argumentiert Zieschang:[189] „Vor dem Hintergrund, mögliche Strafbarkeitslücken zu vermeiden, verlässt man die bestehenden sachlich zutreffenden Kriterien zur Unterscheidung von Täterschaft und Teilnahme.“ Auch er verweist auf den Gesetzgeber als möglichen Lückenschließer.[190]

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Die Straflosigkeitsthese ist jedoch in doppelter Hinsicht unhaltbar. Zum einen hat der Gesetzgeber keinen bestimmten Täterbegriff kodifiziert. Daher ist es wissenschaftlich möglich und geboten, die Täterschaft an die besondere soziale Pflichtenstellung eines Beteiligten zu knüpfen, wenn diese eine herausgehobene Verantwortung für das Geschehen begründet und den Pflichtigen gegenüber Nichtqualifizierten als „Zentralgestalt“ des deliktischen Geschehens erscheinen lässt.

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Zum anderen ist auch das Ergebnis einer Straflosigkeit aller Beteiligten derart verfehlt, dass es nicht mehr als eine vertretbare Gesetzesauslegung angesehen werden kann. Wenn in einem oben (Rn. 223 ff.) gebildeten Beispiel ein Amtsträger eine Falschbeurkundung vornimmt (§ 348 StGB), so gibt es kein sinnvolles Argument für die These, dass dies zwar bei eigenhändiger Beurkundung, nicht aber dann strafbar sein soll, wenn er sich eines professionellen Fälschers bedient.

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Das gilt für alle Pflichtdelikte. Ein Pflichtdelikt ist z.B. auch § 288 StGB (Vereitelung der Zwangsvollstreckung). Denn der Täter handelt in der sozialen Rolle eines Vollstreckungsschuldners, aus der ihm die Pflicht erwächst, sein Vermögen für die Befriedigung des Gläubigers bereitzuhalten. Befindet er sich auf Reisen und beauftragt er seinen Freund, Vermögensstücke beiseitezuschaffen, so ist er mittelbarer Täter des § 288 StGB, während der Freund als qualifikationsloses doloses Werkzeug und damit als Gehilfe zu bestrafen ist.[191] Die Gegenmeinung, die in einem solchen Fall die Straflosigkeit beider befürwortet, führt, wie Fischer[192] mit Recht sagt, zu einem nicht akzeptablen Ergebnis: „Diese Lösung müsste die kriminelle Energie potentieller Täter auf die risikolose Gewinnung von außenstehenden Komplizen verlagern.“ So etwas zuzulassen, darf man dem Gesetzgeber nicht unterstellen.

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