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IV. Lassen sich die Grundsätze der Organisationsherrschaft auf die Leitungsebene von Wirtschaftsunternehmen übertragen?

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Die Organisationsherrschaft findet zwar ihren Hauptanwendungsbereich bei staatlichen Systemverbrechen, sie ist aber nicht darauf beschränkt und kann auch bei terroristischen, aufrührerischen oder mafiaartigen Organisationen und selbst bei Stammesfehden vorliegen, wenn die in Betracht kommenden Organisationen hierarchisch aufgebaut und vom Wechsel einzelner Mitglieder unabhängig sind.

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Der BGH hat diese Rechtsfigur weitergehend auch auf Wirtschaftsunternehmen übertragen. Schon im Mauerschützen-Urteil[168] heißt es: „Auch das Problem der Verantwortlichkeit beim Betrieb wirtschaftlicher Unternehmen lässt sich so lösen.“

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Der BGH hat in der Folgezeit die Leiter von Wirtschaftsunternehmen als mittelbare Täter von Delikten bestraft, die aus ihrem Unternehmen hervorgegangen oder gegen die sie lediglich nicht eingeschritten waren.[169] So werden in einem Urteil des 2. Senats[170], das sich auf BGHSt 40, 218 beruft, die Geschäftsführer einer GmbH als mittelbare Täter einer umweltgefährdenden Abfallbeseitigung (§ 326 StGB) bestraft, weil sie dafür verantwortlich waren, dass die Abfälle Abnehmern überlassen wurden, die nicht über die Möglichkeiten einer geordneten Abfallbeseitigung verfügten. Die „vom Täterwillen getragene Tatherrschaft“ der Geschäftsführer wird daraus hergeleitet, dass sie zur illegalen Abfallbeseitigung „den Weg … eröffnet und vorgezeichnet“ hätten. Aber das kann allenfalls eine Anstiftung oder Unterlassungsstrafbarkeit, aber keinesfalls eine mittelbare Täterschaft über ein Entsorgungsunternehmen begründen, das nicht einmal in die Firma eingebunden war und unter eigener Regie arbeitete.

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In einem Urteil des 4. Senats[171] werden die faktischen Geschäftsführer einer GmbH als mittelbare Täter der von Angestellten begangenen Betrügereien bestraft, obwohl „keine konkrete Einwirkung oder auch nur aktuelle Kenntnis der Angeklagten in Bezug auf die einzelnen Warenbestellungen festgestellt“ werden konnte. Es soll genügen, dass der Betrieb trotz Zahlungsunfähigkeit weitergeführt worden war. Denn „als Täter kraft Tatherrschaft“ komme „auch derjenige in Betracht, der durch Organisationsstrukturen bedingte Rahmenbedingungen ausnutzt, die regelhafte Abläufe auslösen“. Beim Fehlen jeglicher Einwirkung auf das Geschehen kann aber natürlich eine Tatherrschaft nicht vorliegen.[172]

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Richtigerweise kann eine Übertragung der für die Organisationsherrschaft entwickelten Regeln auf Wirtschaftsunternehmen nicht in Betracht kommen. Denn es fehlen sämtliche dafür erforderlichen Voraussetzungen.

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Die Weisungsgewalt der Leitungspersonen erstreckt sich von vornherein nicht auf die Begehung von Straftaten. Wirtschaftsunternehmen arbeiten auch in der Regel nicht rechtsgelöst, sondern im Rahmen des geltenden Rechts, so dass erwartet werden muss, dass eine rechtswidrige Anweisung unausgeführt bleibt. Wenn sich dagegen im Einzelfall einige Leute zu betrügerischen oder sonstwie strafbaren Geschäften zusammenschließen, fehlt es jedenfalls am Bestand einer von den individuell Beteiligten unabhängigen Organisation. Die Angestellten sind auch nicht in dem Sinne fungibel, dass ein die Begehung von Straftaten verweigernder Angestellter ohne weiteres durch deliktswillige andere Angestellte ersetzt werden könnte.

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Die Übertragung der Rechtsfigur der mittelbaren Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate auf Wirtschaftsunternehmen ist daher in der Literatur fast allgemein abgelehnt worden.[173]

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Das ändert freilich nichts daran, dass ein kriminalpolitisches Bedürfnis besteht, die Leiter von Wirtschaftsunternehmen für Straftaten haftbar zu machen, die aus dem Betrieb heraus begangen werden. Dafür gibt es zahlreiche Vorschläge, die hier nicht näher behandelt werden können.[174] Mit der mittelbaren Täterschaft kraft organisatorischer Machtapparate ist aber eine Lösung dieser Probleme nicht möglich.

12. Abschnitt: Täterschaft und Teilnahme§ 52 Mittelbare Täterschaft › G. Die mittelbare Täterschaft bei Pflichtdelikten

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