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c) Grundrechtsträger
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Die Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG gehört nicht zum überkommenen Bestand der Grund- und Menschenrechtsverbürgungen des 18. und 19. Jahrhunderts, sondern sie ist eine neuere grundrechtliche Errungenschaft, aber sie ist ganz zweifellos ein Grundrecht. Als Grundrecht ist sie wie alle anderen Grundrechte auf den Staat als Verpflichtungsadressaten bezogen. Der Staat hat die grundrechtlich geschützten Lebensbereiche unangetastet zu lassen oder aber wenigstens nur nach Maßgabe des Rechts auf sie zuzugreifen. Die Grundrechte sind, mit einem Wort, vor allem Abwehrrechte gegen den Staat. Für die Wissenschaftsfreiheit gilt nichts anderes. Sie gewährleistet einen Freiheitsraum, in dem Wissenschaft, grundsätzlich unbeeinflusst von staatlicher Einflussnahme, gelebt werden kann.
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Berechtigt sind durch die Grundrechte alle natürlichen Personen. Die Tatsache, dass Art. 5 Abs. 3 GG die berechtigten Grundrechtsträger nicht nennt, wie es umgekehrt z.B. in Art. 2 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 1 und 12 Abs. 1 S. 1 GG der Fall ist, führt zu keiner anderen Schlussfolgerung. Die Wissenschaftsfreiheit steht ebenso wie die Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG), das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG), die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) und die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG), die allesamt die Grundrechtsträger nicht beim Namen nennen, allen natürlichen Personen als Berechtigten zur Verfügung. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der betreffende Grundrechtsträger Deutscher oder Nicht-Deutscher ist. Eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit, die andere Grundrechte aufweisen (z.B. Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG – Berufsfreiheit; Art. 9 Abs. 1 GG – Vereinigungsfreiheit), ist der Wissenschaftsfreiheit fremd. Die Wissenschaftsfreiheit ist ein Jedermann-Grundrecht.
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Weitere Differenzierungen sind auf dieser Stufe des grundrechtlichen Anfangsbefundes ebenfalls nicht angezeigt. Es kommt nicht auf ein bestimmtes, womöglich durch Ausbildung nachgewiesenes, geistiges Niveau der Grundrechtsberechtigten an, nicht auf wissenschaftliche Erfolge oder Anerkennung seitens der Gesellschaft oder der scientific community. Es kommt nicht darauf an, ob mit der üblicherweise in den Hochschulen zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Bibliotheks- oder Laborausstattung gearbeitet wird, und es kommt nicht darauf an, ob innerhalb der staatlichen Hochschulen oder innerhalb der halbstaatlichen bzw. privaten Wissenschaftseinrichtungen Wissenschaft praktiziert wird. Die Wissenschaftsfreiheit ist insoweit voraussetzungslos. Sie steht dem forschenden Privatier ebenso zu wie dem Universitätsprofessor, dem Newcomer ebenso wie dem Nobelpreisträger. Es kommt allein darauf an, ob die in Rede stehende Tätigkeit als eine der beiden Erscheinungsformen von Wissenschaft, als wissenschaftliche Forschung oder als wissenschaftliche Lehre, zu qualifizieren ist.
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Indem die Wissenschaftsfreiheit jeder natürlichen Person als Grundrecht zusteht, ist sie ihnen fraglos zu Nutzen. Und doch besteht ein fundamentaler Unterschied zu anderen Grundrechten, deren Privatnützigkeit viel stärker ausgeprägt ist. Die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG) trägt zur freien Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) ihrer Inhaber ebenso bei wie die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG). Nun kann man sagen, dass auch diese Grundrechte nicht nur ihrem Träger zu dienen bestimmt sind, sondern dass auch die Allgemeinheit mittelbar durch die Ausübung dieser Rechte begünstigt wird, weil eine freie Berufswelt zum Nutzen aller viel Berufsethos hervorbringt und der Schutz von Wohnungen zum Nutzen aller dem gesellschaftlichen und sozialen Frieden dient. Aber die Privatnützigkeit steht bei diesen Grundrechten doch ganz im Vordergrund. Anders verhält es sich, worauf Schiedermair erstmals hingewiesen hat,[16] bei der Wissenschaftsfreiheit. Sie ist nicht in erster Linie zum Nutzen ihrer Inhaber bestimmt, und schon gar nicht ist sie ein Standesprivileg von Professoren. Sie ist vielmehr in erster Linie zum Nutzen der Allgemeinheit da, die den größten Ertrag nur dann von der Wissenschaft hat, wenn diese frei und staatlich unbeeinflusst ist. Die Wissenschaftsfreiheit ist, mit den Worten von Schiedermair, ein drittnütziges Grundrecht. Die Drittnützigkeit der Wissenschaftsfreiheit weist eine Parallele zur verfassungsrechtlich garantierten richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) auf. Auch den Richtern ist diese Unabhängigkeit vor allem im Interesse der Allgemeinheit an einer staatlich unbeeinflussten Rechtsprechung eingeräumt worden. Die Erkenntnis, dass es im Grundgesetz solche Drittnützigkeitsstrukturen gibt, bleibt nicht ohne Folgen. Im Dienstrecht der Berufswissenschaftler und im Organisationsrecht von staatlichen Hochschulen ist, worauf noch zurückzukommen sein wird, dieses Wesensmerkmal der Wissenschaftsfreiheit zu beachten und zur Entfaltung zu bringen.
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Ist die Wissenschaftsfreiheit auch ein Jedermann-Grundrecht, so sind es doch bestimmte Berufsgruppen, für die es in erster Linie zur Anwendung kommt. Es sind dies die in den Hochschulen Tätigen. Dass Universitätsprofessoren sich auf die Wissenschaftsfreiheit berufen können, war zu keinem Zeitpunkt umstritten. Deren Dienstaufgabe ist es, ihr Fach nach Maßgabe der Aufgabenstellung ihrer jeweiligen Hochschule in Forschung und Lehre zu vertreten. In der Wahrnehmung dieser Dienstaufgabe können sich die Professoren auf die Wissenschaftsfreiheit berufen. Dass sie (überwiegend) als Beamte in den staatlichen Rechtskreis eingegliedert sind, selbst also im weitesten Sinne Teil der Staatsorganisation sind, hindert sie nicht am Rückgriff auf das der Natur nach „private“ Freiheitsrecht. Ihr beamtenrechtlicher Status steht ganz im Dienst der Wissenschaftsfreiheit. Deshalb unterscheidet er sich von dem beamtenrechtlichen Status anderer Beamter grundlegend. Drei Merkmale, die in der Konsequenz der grundrechtlichen Verbürgung und nach Maßgabe der einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen näher ausgestaltet sind, machen den besonderen Status der beamteten Professoren aus: Sie sind unversetzbar, weisungsfrei und vorgesetztenfrei. Mit diesen besonderen Statusmerkmalen fallen die Professoren aus der hierarchisch strukturierten Organisation des Berufsbeamtentums heraus, und insoweit entsteht keine Kollision, wenn und soweit sie sich als Beamte in Wahrnehmung der Wissenschaftsfreiheit gegen den Staat als Grundrechtsverpflichteten wenden.
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Den Fachhochschulprofessoren stand die Grundrechtsberechtigung aus Art. 5 Abs. 3 GG bis vor wenigen Jahren nicht in der selben Weise zur Verfügung. Dies bedeutete freilich nicht, dass sie sich in einem grundrechtsfreien Raum bewegten. Ihnen stand ganz fraglos das Grundrecht der Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG, zur Seite. Die unterschiedliche Grundrechtsinhaberschaft hatte ihren Grund in der Aufgabendifferenzierung. Anders als die Universitäten, deren Hauptaufgabe in wissenschaftlicher Forschung und wissenschaftlicher Lehre besteht, sind die Fachhochschulen nach den Landesgesetzen zur Durchführung „anwendungsbezogener Forschungs- und Entwicklungsvorhaben“ berufen. Deutlich wird diese unterschiedliche Aufgabenzuweisung beispielsweise in § 3 Abs. 1 und 2 HG NRW, wenn es dort heißt:
„Die Universitäten dienen der Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie der Pflege und Entwicklung der Wissenschaften durch Forschung, Lehre, Studium, Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und Wissenstransfer (insbesondere wissenschaftliche Weiterbildung, Technologietransfer). Sie bereiten auf berufliche Tätigkeiten im In- und Ausland vor, die die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden erfordern. (…)
Die Fachhochschulen bereiten durch anwendungsbezogene Lehre und Studium auf berufliche Tätigkeiten im In- und Ausland vor, die die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden oder die Fähigkeit zu künstlerischer Gestaltung erfordern. Sie nehmen Forschungs- und Entwicklungsaufgaben, künstlerisch-gestalterische Aufgaben sowie Aufgaben des Wissenstransfers (insbesondere wissenschaftliche Weiterbildung, Technologietransfer) wahr. (. . .)“
Das Bundesverfassungsgericht hatte sich über Jahrzehnte nicht zu dem S. verstanden, dass auch anwendungsbezogene Forschung und Lehre in den Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit fallen.[17] Diese Zurückhaltung war angesichts der Aufgabendifferenzierung, aber auch angesichts des Wahrheitspostulats des Wissenschaftsbegriffs nicht unberechtigt. Wenn wissenschaftliche Forschung der Wahrheitssuche verpflichtet ist, dann war die anwendungsbezogene Forschung davon abzuschichten. Ihr war nicht Wahrheitserkenntnis angelegen, sondern Anwendung von Techniken und Methoden. Ihr war nicht eigene Erforschung der grundlegenden Zusammenhänge angelegen, sondern die praktische Anwendung von Grundlagenerkenntnissen, die andernorts gewonnen wurden. Angesichts einer veränderten Hochschulgesetzgebung in den Ländern, die meist unter ausdrücklicher Nennung des Art. 5 Abs. 3 GG auch den Fachhochschulen die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre garantiert[18] und den Fachhochschulen eigene Forschungsaufgaben überträgt,[19] verstand sich das Bundesverfassungsgericht im Fachhochschullehrerbeschluss aus dem Jahr 2010[20] darauf, auch den Fachhochschullehrern die Rechte des Art. 5 Abs. 3 GG zuzusprechen.
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Hochschuldozenten, akademische Räte, wissenschaftliche Oberassistenten, wissenschaftliche Assistenten, wissenschaftliche Mitarbeiter etc. sind ebenfalls Träger der Wissenschaftsfreiheit, soweit sie in Wahrnehmung ihrer Aufgaben selbstständige wissenschaftliche Tätigkeiten ausüben.[21] Wissenschaftlichen und studentischen Hilfskräften ist die Berufung auf die Wissenschaftsfreiheit nicht verwehrt, sofern sie im Rahmen ihrer Aufgaben oder neben ihren Aufgaben eigene wissenschaftliche Forschung betreiben, was beispielsweise der Fall ist, wenn eine wissenschaftliche Hilfskraft neben ihrer Teilzeitbeschäftigung eine Dissertation anfertigt. Die reinen Hilfs-, Service- und Unterstützungsleistungen von Hochschulmitarbeitern im Rahmen von Forschungsprojekten, die nach Weisung und unter der Verantwortung eines Professors durchgeführt werden, können nicht von den Mitarbeitern, wohl aber von dem forschungsverantwortlichen Professor gegen staatliche Eingriffe unter Berufung auf die Wissenschaftsfreiheit verteidigt werden. Dasselbe gilt für Dienstleistungen zur Vorbereitung wissenschaftlicher Lehrveranstaltungen.
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Dass auch die Studierenden sich auf die Wissenschaftsfreiheit berufen können, erschließt sich nicht ohne weiteres. Sie scheinen auf den ersten Blick eher zu den Nutznießern als zu den Trägern des drittnützigen Freiheitsrechts zu zählen. Doch auch sie können sich auf die Wissenschaftsfreiheit berufen, soweit sie eigene wissenschaftliche Forschungsvorhaben verfolgen.[22] Als notwendiges Gegenstück zur Lehrfreiheit von Professoren besitzen die Studierenden überdies eine in Art. 5 Abs. 3 GG verortete Lernfreiheit.[23] Sie umschließt das Recht, zwischen verschiedenen Lehrangeboten zu wählen und wissenschaftliche Lehre anzunehmen oder abzulehnen. Nicht zur Lernfreiheit gehört das Zugangsrecht der Studenten zur Universität, das von Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG umfasst ist.
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Der Weite des Wissenschaftsbegriffs entspricht es, auch diejenigen als Grundrechtsträger zu identifizieren, die am eigentlichen forschenden Erkenntnisvorgang zwar nicht unmittelbar beteiligt sind, die aber die wissenschaftliche Forschung durch das Vorhalten der notwendigen Mittel und Einrichtungen in vielen Fällen überhaupt erst ermöglichen. Auch der Verleger wissenschaftlicher Werke kann sich auf die Wissenschaftsfreiheit als ein eigenes Recht berufen, weil und soweit er an der „wissenschaftlichen Wertschöpfungskette“ mit einem selbstständigen – wesentlichen und unverzichtbaren – Beitrag beteiligt ist.[24]
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Die Freiheitsgrundrechte können unter bestimmten Voraussetzungen (Art. 19 Abs. 3 GG) auch von überindividuellen Personenverbänden innegehabt werden. Die Grundrechtsträgerschaft knüpft dabei nicht an die Rechtsform oder an die einfach-gesetzlich statuierte Rechtsfähigkeit an. Der Begriff „juristische Person“ in Art. 19 Abs. 3 GG ist nicht in einem engen Sinne zu verstehen. Maßgeblich ist vielmehr, ob es sich um eine Personengesamtheit handelt, die nach Maßgabe des privaten oder des öffentlichen Rechts verfasst ist, ferner, ob es sich um eine inländische oder eine ausländische juristische Person handelt. Sofern dies wesensmäßig möglich ist, können die inländischen juristischen Personen des Privatrechts vergleichsweise unproblematisch Grundrechtsinhaber sein. Im Hinblick auf die Wissenschaftsfreiheit ist insoweit zunächst zwar festzuhalten, dass wissenschaftliche Forschung und wissenschaftliche Lehre naturgemäß individualbezogene Tätigkeiten sind. Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) oder eine Aktiengesellschaft (AG) forscht im eigentlichen Sinne nicht, auch wenn dies ihr jeweiliger Gesellschaftszweck ist, vielmehr forschen die in ihnen zusammengeschlossenen Wissenschaftler. Aber ebenso wie Einzelindividuen, die mit selbstständigen Finanzierungs-, Vorbereitungs- und Durchführungsbeiträgen in die Forschung einbezogen sind, sich auf die Wissenschaftsfreiheit berufen können, ist dies vergleichbaren juristischen Personen des Privatrechts möglich. Deswegen sind die in privaten Rechtsformen geführten Hochschulen und Forschungseinrichtungen Inhaber des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 3 GG.[25]
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Freilich sind die privaten Hochschulen nach Zahl und Bedeutung bislang nicht dominierend[26], und so liegt die Frage eigentlich viel näher, wie es sich mit den etablierten, als Körperschaften, mithin als juristischen Personen des öffentlichen Rechts geführten Hochschulen verhält. Interessanterweise liegen die Dinge hier viel komplizierter. Grundsätzlich sind die juristischen Personen des öffentlichen Rechts, also die Körperschaften, die Anstalten und die Stiftungen des öffentlichen Rechts, nicht grundrechtsfähig.[27] Sie sind als öffentliche Verwaltungsträger nicht durch die Grundrechte berechtigt, sondern an sie gebunden. Die Gemeinden, Industrie- und Handelskammern, Rechtsanwalts-, Ärzte- und Handwerkskammern (allesamt öffentlich-rechtliche Körperschaften), die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen, die Studentenwerke, die Bundesanstalt für Güterfernverkehr, die Bundesanstalt für Post- und Telekommunikation (allesamt Anstalten des öffentlichen Rechts) sowie die Stiftung preußischer Kulturbesitz, die Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland etc. (allesamt öffentlich-rechtliche Stiftungen) sind nicht Grundrechtsinhaber, sondern Grundrechtsadressaten. Von der Grundregel, dass die juristischen Personen des öffentlichen Rechts nicht grundrechtsfähig sind, gibt es allerdings drei bedeutende Ausnahmen: die Rundfunkanstalten, die Kirchen und die Hochschulen. Zugunsten dieser drei juristischen Personen des öffentlichen Rechts lässt das Bundesverfassungsgericht die Berufung auf das ihnen jeweils sachlich zugeordnete Grundrecht mit dem Argument zu, sie befänden sich in einer grundrechtstypischen Gefährdungslage, die dem klassischen Antagonismus von Staat und Bürger vergleichbar sei.[28] Deshalb können sich die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf die Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG), die Kirchen auf die Religionsausübungsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG) und die Hochschulen auf die Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) berufen. Die Wissenschaftsfreiheit ist – in diesem Sinne! – „das Grundrecht der deutschen Universität“,[29] wobei freilich zu bedenken ist, dass in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bislang eine eindeutige Festlegung auf diese Formulierung fehlt. Das Gericht hat die Frage im Gegenteil ausdrücklich offen gelassen:
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„Das Bundesverfassungsgericht hat bisher keinen Anlaß gehabt, die namentlich in den 20er Jahren viel erörterte Frage zu entscheiden, ob in der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit ein (oder: das) ‚Grundrecht der deutschen Universität‘ zu erblicken sei (vgl. BVerfGE 15, 256 [264]). Die Frage kann auch jetzt offen bleiben; denn der wesentliche Inhalt eines solchen ‚Grundrechts‘, nämlich die Selbstverwaltung im ‚akademischen‘, d.h. dem auf Forschung und Lehre unmittelbar bezogenen Bereich, besteht faktisch unangefochten, ist in den Hochschulgesetzen anerkannt und in den meisten Länderverfassungen ausdrücklich garantiert.“[30]
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Die zitierte Textstelle macht deutlich, dass es dem Gericht mit dem Schlagwort vom „Grundrecht der deutschen Universität“ um mehr geht, als um die Inanspruchnahme der Wissenschaftsfreiheit durch die Universitäten. Das Gericht assoziiert damit die Vorstellung von der überkommenen akademischen Selbstverwaltung, deren verfassungsrechtliche Verankerung es dahingestellt sein lässt. Es hat es aber nicht definitiv abgelehnt, den Universitäten als Rechtssubjekten die Berufung auf Art. 5 Abs. 3 GG zuzubilligen.[31] Die Universitäten sind vielmehr auch aus der Sicht des Bundesverfassungsgerichts in der Lage, sich auf Art. 5 Abs. 3 GG zu berufen und beispielsweise mit der Verfassungsbeschwerde eine Verletzung dieses Grundrechts zu rügen.
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In dieser allgemeinen Form wird man dies nun auch für die Fachhochschulen zu vertreten haben.[32] Wenn die Fachhochschullehrer sich, wie es das Bundesverfassungsgericht unlängst entschieden hat,[33] auf die Freiheit von Forschung und Lehre berufen können, dann scheint es nur folgerichtig, auch die Fachhochschule selbst als Grundrechtsträger dieses Grundrechts anzusehen.
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Die Fakultäten und Fachbereiche sind ebenfalls Inhaber des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit.[34] Sie sind teilrechtsfähige Untereinheiten der Universität mit einer eigenen, begrenzten Satzungsautonomie, die sie berechtigt, Studien-, Prüfungs-, Promotions-, Habilitationsordnungen etc. zu verabschieden. Zu ihren Aufgaben gehört die Organisation und Koordination des universitären Lehrbetriebs. Sie sind zudem zuständig für die Verteilung von Mitteln auf einzelne Professuren, Lehrstühle und Institute. Dies alles sind selbstständige, ihnen als Rechtssubjekt zurechenbare Maßnahmen und Handlungen, die unmittelbar zur wissenschaftlichen Forschung und Lehre beitragen und deshalb notwendig dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG unterfallen.
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Demgegenüber sind die Rektorate, Präsidien, Senate, Konvente, Kuratorien und Hochschulräte nicht grundrechtsfähig. Sie sind keine teilrechtsfähigen Verwaltungsträger, die mit der Erfüllung eigener, ihnen zurechenbarer Aufgaben im Bereich von Forschung und Lehre betraut sind, sondern Organe, die für die Gesamtuniversität handeln.
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Zu den Eigenarten der Grundrechtsdogmatik gehört, dass die juristischen Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie grundrechtsfähig sind – also die Rundfunkanstalten, Kirchen und Hochschulen –, zugleich grundrechtsgebunden sind. So kann ein Student nach Erschöpfung des Rechtswegs eine Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG vor dem Bundesverfassungsgericht rügen, wenn die Universität ihn in rechtswidriger Weise exmatrikuliert. Und sogar eine Berufung auf die Wissenschaftsfreiheit gegenüber der Universität oder Fakultät ist zulässig, beispielsweise wenn ein Professor in rechtswidriger Weise gehindert wird, Lehrveranstaltungen durchzuführen oder Prüfungen abzunehmen.