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II. Freiheit der Forschung

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Forschung als einer der beiden konstituierenden Bestandteile wissenschaftlicher Betätigung geht in ihrer rechtlichen Bedeutung nicht der Lehrfreiheit vor. Die textliche Anordnung vor der „Lehre“ in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG drückt keine gesteigerte Schutzintensität aus. Allerdings stehen die beiden geschützten Lebenssachverhalte in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander. Wissenschaftliche Forschung ist auch isoliert, ohne wissenschaftliche Lehre, möglich. An den nicht-staatlichen Forschungseinrichtungen wird sie von jeher praktiziert. Umgekehrt ist aber eine wissenschaftliche Lehre im Sinne des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG ohne Forschung nicht möglich. Wer selbst nicht forscht, mag in der Lage sein, über fremde Forschungsleistung vorzutragen und in diesem Sinne zu unterrichten, aber wissenschaftliche Lehre ist dies nicht. Auf diese Weise unterscheidet sich das Lehramt an den Schulen von der Dienstpflicht der Universitätsprofessoren, die ihr Fach in der wissenschaftlichen Lehre zu vertreten haben.

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Wissenschaftliche Forschung ist auf das engste mit dem Wissenschaftsbegriff des Bundesverfassungsgerichts verknüpft. Das Gericht beschreibt als wissenschaftliche Tätigkeiten „alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter Versuch zur Ermittlung von Wahrheit anzusehen ist.“[1] Wissenschaftliche Forschung ist genau diesem Ermittlungs- und Erkenntnisvorgang verschrieben, sei es innerhalb der wissenschaftlichen Hochschulen, sei es in privaten Einrichtungen, sei es im Rahmen individuell-privater Forschung. Sie umfasst die drei Phasen der Identifikation und Auswahl des Forschungsgegenstandes, der Wahl und Durchführung einer Forschungsmethode und der Deutung und Bewertung des Forschungsergebnisses. Innerhalb der drei Phasen können unzählige Einzelaktivitäten unterschieden werden, beispielsweise das Erfassen des aktuellen Forschungsstandes durch Lesen, Internet-Recherchen, Anhören von Vorträgen, durch Besuch von Tagungen, Sammlungen und Museen, durch Gespräche und Interviews, die Einwerbung von Drittmitteln, das Vorbereiten durch Materialsammeln, Erstellen von Bibliographien, das Experimentieren, Erproben, Graben, Sammeln, das Auswerten von Dokumenten, das Entwickeln von Thesen, das Ergründen von Begründungszusammenhängen, das schriftliche, photographische oder sonstige Festhalten von Forschungsergebnissen, das Erstellen von Gutachten, die Bewertung der Forschungsleistung anderer im Rahmen von Promotionen, Habilitationen und Berufungsverfahren, die Publikation von Forschungsergebnissen[2] und vieles mehr. An einzelnen Forschungstätigkeiten können mehrere Personen mit selbstständigen Teilbeiträgen beteiligt sein, die sich dann allesamt auf die Forschungsfreiheit berufen können. Unselbstständige Vorbereitungs-, Unterstützungs- und Hilfstätigkeiten sind dagegen vom Schutzbereich nicht mehr umfasst.[3] Zur Forschungsfreiheit gehört auch das Recht, private Forschungseinrichtungen, z.B. Institute oder Hochschulen, zu gründen.[4]

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Ob einzelne Tätigkeiten unter den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG fallen, entscheidet der Forscher nicht autonom und letztverbindlich. Den staatlichen Organen und Institutionen, beispielsweise den Gerichten, ist es nicht grundsätzlich untersagt, im einzelnen Falle Forschung von Nicht-Forschung abzugrenzen. Forschung als verfassungsrechtlicher Rechtsbegriff setzt vielmehr diese tatbestandliche Abgrenzung geradezu voraus, und in diesem Sinne ist es richtig, nicht von einem staatlichen Definitionsverbot, sondern im Gegenteil von einem staatlichen Definitionsgebot zu sprechen.[5] Freilich darf der Forschungsbegriff nicht auf diese Weise mit engen und engstirnigen Vorstellungen belastet werden. Es kommt weder darauf an, ob Forschungsmethoden „üblich“, noch darauf, ob Forschungsergebnisse „bestätigt“ sind. Allerdings sind wissenschaftliche Forschungsmethoden sehr wohl abzugrenzen von nicht-wissenschaftlicher Pseudo-Wissenschaft. Das Bundesverfassungsgericht lässt auf der Tatbestandsseite des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG ein „wissenschaftliches“ Werk aus dem Schutzbereich herausfallen, weil es „nicht auf Wahrheitserkenntnis gerichtet ist, sondern vorgefassten Meinungen oder Ergebnissen lediglich den Anschein wissenschaftlicher Gewinnung oder Nachweisbarkeit verleiht“, worauf „die systematische Ausblendung von Fakten, Quellen, Ansichten und Ergebnissen, die die Auffassung des Autors in Frage stellen“, hindeute.[6]

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Es kommt für den Schutzbereich der Forschungsfreiheit nicht auf die Anerkennung durch oder die Reputation in der scientific community an.[7] Auch ist nicht maßgeblich, ob die Forschung einen gesellschaftlichen, technologischen, ökologischen, ökonomischen Nutzen hat oder erwarten lässt.[8] Interdisziplinarität und Internationalität sind sinnvolle, keineswegs aber begriffsnotwendige Bestandteile wissenschaftlicher Forschung.

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Das Grundrecht der Forschungsfreiheit gibt seinen Inhabern keinen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf staatliche Förderleistungen, auf Herausgabe von Daten, auf Akteneinsicht oder auf Zugang zu Archiven.[9] Es gibt ausländischen Wissenschaftlern keinen Einreiseanspruch in die Bundesrepublik Deutschland.[10] Allerdings reicht der Gewährleistungsinhalt doch so weit, dass dem an einer Universität tätigen Wissenschaftler ein Anspruch auf eine wissenschafts-, und das heißt auch und gerade eine forschungsadäquate Hochschulorganisation zukommt.[11]

1. Kapitel Grundfragen des institutionellen HochschulrechtsII. Freiheit der Forschung › 1. Grundlagenforschung, angewandte Forschung, Industrieforschung, Drittmittelforschung

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