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e) Die Wissenschaftsfreiheit als Einrichtungsgarantie

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Neben der subjektiv-rechtlichen, primär auf Abwehr staatlicher Eingriffe gerichteten Funktion der Grundrechte (sog. status negativus) existieren objektiv-rechtliche Funktionen. Inhalt und Umfang der objektiv-rechtlichen Gewährleistungsinhalte reichen von Grundrecht zu Grundrecht unterschiedlich weit, vorhanden sind sie bei allen Grundrechten. Allen gemeinsam ist die objektiv-rechtliche grundrechtliche Schutzpflicht. Der Staat, insbesondere der staatliche Gesetzgeber, ist verpflichtet, sich schützend vor die Grundrechtsträger zu stellen, um sie vor Beeinträchtigungen ihrer Freiheit durch private Dritte zu bewahren.[47] Einzelne Grundrechte weisen darüber hinaus höchst ausdifferenzierte zusätzliche objektiv-rechtliche Gewährleistungsinhalte auf. Hingewiesen sei beispielhaft nur auf die Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) und die daraus vom Bundesverfassungsgericht kunstvoll abgeleitete verfassungsrechtliche Rundfunkordnung.[48] Die Wissenschaftsfreiheit gehört gleichfalls in die Kategorie solcherart objektiv-rechtlich „aufgeladener“ Grundrechte.

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Ähnlich wie bei der Rundfunkfreiheit, in deren Zusammenhang das Gericht lange Zeit die Legitimität des öffentlich-rechtlichen Anstaltsmodells mit einer „technisch-finanziellen Sondersituation“ begründet, weist das Bundesverfassungsgericht für die Wissenschaftsfreiheit darauf hin, dass

„ohne eine geeignete Organisation und ohne entsprechende finanzielle Mittel, über die im wesentlichen nur noch der Staat verfügt, heute in weiten Bereichen der Wissenschaften, insbesondere der Naturwissenschaften, keine unabhängige Forschung und wissenschaftliche Lehre mehr betrieben werden kann.“[49]

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Aus dieser Situation, an der sich auch nach dreißig Jahren grundlegend nichts geändert hat, leitet das Gericht eine Funktionsgewährleistungspflicht ab. Danach ist der Staat verpflichtet, ein funktionsfähiges Hochschulsystem bereit zu halten:

„Der Staat hat die Pflege der freien Wissenschaft und ihre Vermittlung an die nachfolgende Generation durch Bereitstellung von personellen, finanziellen und organisatorischen Mitteln zu ermöglichen und zu fördern. Das bedeutet, dass er funktionsfähige Institutionen für einen freien Wissenschaftsbetrieb zur Verfügung zu stellen hat.“[50]

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Nun wäre es allerdings vorschnell, aus dieser Funktionsgewährleistungspflicht alle möglichen konkreten Einzelpflichten zu deduzieren. Weder lässt sich aus der verfassungsrechtlichen Verpflichtung in absoluten Zahlen oder auch nur in Relation zu anderen Bezugsgrößen, beispielsweise dem Bruttoinlandprodukt, die Finanzsumme beziffern, die der Staat für die wissenschaftlichen Hochschulen aufzuwenden hat,[51] noch ergibt sich aus der Funktionsgewährleistungspflicht eine Bestandsgarantie für einzelne Hochschulen oder einzelne Fakultäten.[52] Auch eine nach Art und Maß definierbare Ausstattungsverpflichtung zugunsten des einzelnen Professors, womöglich einen entsprechenden verfassungsrechtlichen Anspruch nach sich ziehend, wird man der Funktionsgewährleistungsgarantie nicht entnehmen können. Freilich kann sich aus der Funktionsgewährleistungsgarantie in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Konsequenzgedanken (Art. 3 Abs. 1 GG) dann eine Verpflichtung zu einer die Arbeitsfähigkeit herstellenden Grundausstattung ergeben, wenn Haushaltsmittel verfügbar sind und in vergleichbaren Fällen vorher entsprechend in Ansatz gebracht worden sind.[53] Insgesamt aber gebietet der verfassungsrechtlich geforderte (Art. 20 Abs. 2 GG) Respekt vor der Gestaltungsfreiheit des demokratisch legitimierten (Haushalts-) Gesetzgebers in Bund und Ländern, mit verfassungsrechtlich fundierten, haushaltswirksamen Leistungsverpflichtungen äußerst zurückhaltend zu sein.[54]

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Dennoch: Zum Gewährleistungsinhalt des Art. 5 Abs. 3 GG gehört die Verpflichtung des Gesetzgebers, für ein funktionierendes Hochschulwesen zu sorgen. Nur theoretisch schließt das auch die Option ein, die Hochschulen allesamt in private Trägerschaft und private Finanzverantwortung zu entlassen und den Staat auf ein bloßes Wächteramt zu reduzieren. Praktisch ist eine solche Rollenverteilung unmöglich. Schon die 18,98 Mrd. €, die Bund und Länder im Jahr 2000 für die Hochschulen aufwendeten,[55] waren vom „Markt“ nicht aufzubringen, von den 27,9 Mrd. € des Jahres 2014[56] ganz zu schweigen. Insoweit hat sich an der Situation des Jahres 1973,[57] die dem Bundesverfassungsgericht Anlass gab, die besondere staatliche Verantwortung für ein funktionierendes Hochschulwesen als verfassungsunmittelbare Verpflichtung festzuschreiben, nichts geändert. Man wird im Gegenteil behaupten dürfen, dass der Staat mehr denn je in der Organisations- und Finanzverantwortung für die Hochschulen steht.[58]

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Nicht zuletzt wirkt die Funktionsgewährleistungspflicht auf die Interpretation des Art. 33 Abs. 4 GG ein. Im Regelfall wird nur das besondere Dienst- und Treueverhältnis, in dem sich der Beamte befindet, der in Art. 5 Abs. 3 GG verankerten staatlichen Funktionsgewährleistungspflicht gerecht. Eine im großen Stil angelegte Personalprivatisierung von Hochschullehrern ist verfassungsrechtlich schwer vorstellbar.[59]

1. Kapitel Grundfragen des institutionellen HochschulrechtsI. Hochschulen im Verfassungsstaat › 2. Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes und der Länder

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