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2. Forschungsverbote und ethische Grenzen
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Alle Bestrebungen, den Forschungsbegriff auf der Schutzbereichsebene des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG auf ethisch verantwortete oder verantwortbare Forschung zu reduzieren,[19] zeichnen sich durch ein hoch entwickeltes Problembewusstsein aus. Und doch ist nicht recht einzusehen, welche Vorteile die tatbestandliche Verengung des Forschungsbegriffs vor der grundrechtsdogmatisch näher liegenden Lösung einer Begrenzung auf der Schrankenebene bieten soll. Eine Folgenorientierung, die sich nicht zuletzt am Gehalt der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes auszurichten hat, wird am besten auf der Stufe grundrechtsimmanenter Schranken und ihrer Aktualisierung durch den Gesetzgeber thematisiert. Ein Konflikt der Forschung nicht mit der Würdegarantie, die abwägungsresistent ist, aber mit anderen verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern, beispielsweise Leben und Gesundheit, Tierschutz, informationelle Selbstbestimmung, muss der staatliche Gesetzgeber lösen, der dabei den rechtsstaatlich fundierten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten hat.[20] Das Atomgesetz, das Embryonenschutzgesetz oder das Tierschutzgesetz sind Belege für das, allerdings nicht durchweg gelungene, Bemühen des Bundesgesetzgebers, zu einem Ausgleich der unterschiedlichen Rechtspositionen zu gelangen.
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Nur im Wege einer ausgreifenden verfassungskonformen Interpretation durch das Bundesverfassungsgericht[21] war § 6 HessUG haltbar, der eine rechtliche Folgenverantwortung statuierte. In ihrer ursprünglichen Fassung legte die Vorschrift den Wissenschaftlern auf, die „gesellschaftlichen Folgen“ wissenschaftlicher Erkenntnis mitzubedenken und die Öffentlichkeit über solche Ergebnisse, die zu begründeten Bedenken Anlass geben, zu informieren. Vor dem Bundesverfassungsgericht hatte dies nur insoweit Bestand, als sich die Gesetzesbestimmung auch als ein rechtlich unverbindlicher moralischer Appell interpretieren ließ.
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Die seit Jahren geführte ausführliche Diskussion[22] um die ethischen Grenzen der Forschung hat inzwischen zu Institutionalisierungen in Form von Ethik-Kommissionen geführt.[23] Namentlich im Bereich der Medizin sind solche Kommissionen entstanden, um ethische und rechtliche Aspekte der Forschung am Menschen zu behandeln. Sie sind angesiedelt an medizinischen Fakultäten, bei den Ärztekammern, den Sonderforschungsbereichen der DFG und in kommunalen Krankenversorgungseinrichtungen. Daneben existiert inzwischen ein Markt von Ethik-Anbietern, die ihre Dienste entgeltlich zur Verfügung stellen.
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Problematisch sind die Ethik-Kommissionen dann, wenn ihre Beschlüsse eine eigene rechtliche Verbindlichkeit beanspruchen. Dann stellt sich, insbesondere bei den Beschlüssen von Ethik-Kommissionen der (Landes-)Ärztekammern, die Frage nach dem Vorbehalt des Gesetzes, so wie überhaupt die Frage zu stellen ist, in welchem Verhältnis die Kommissionen zu den demokratisch legitimierten Gesetzgebungsorganen stehen. Ist es nicht in erster Linie Sache der Parlamente, über Fragen der Forschungsethik zu befinden?
1. Kapitel Grundfragen des institutionellen Hochschulrechts › II. Freiheit der Forschung › 3. Forschungsfreiheit und Tierschutz