Читать книгу Hochschulrecht - Группа авторов - Страница 24

3. Forschungsfreiheit und Tierschutz

Оглавление

79

Der Tierschutz fand sich im Grundgesetz bis vor kurzem nur als eine Zuständigkeitsregel, Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG. Die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes konnte aber alleine nicht schlüssig erklären, warum zum Schutz der Tiere Grundrechtseingriffe statthaft sein sollen. Die Gesetzgebungskompetenzen im Grundgesetz werden allgemein weder als verfassungsrechtliche Handlungsaufträge an den Gesetzgeber noch als verfassungslegitime Begründungen für Grundrechtseingriffe gedeutet.[24] Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit eigenwilligen Konstruktionen beholfen. Wer Tiere misshandelt, wende sich gegen die eigene, unverzichtbare und unveräußerliche Menschenwürde. Dies könne und müsse der Gesetzgeber unterbinden.[25] Mit dem erst 2002 in Art. 20a GG eingefügten Tierschutz[26] sind nun wesentlich vereinfachte Rechtfertigungskonstruktionen möglich. Jetzt ist der ethische Tierschutz ganz zweifellos als ein Verfassungsgut anzusehen, ohne dass der Rückgriff auf die Menschenwürde oder die Präambel des Grundgesetzes[27] nötig wäre.

80

Die erste Bedeutung des Tierschutzes in Art. 20a GG besteht in der Begründung einer staatlichen Schutzpflicht, ethischen Tierschutz zu betreiben. Der Gesetzgeber ist aufgerufen, über einen bloßen Artenschutz hinausgehend[28] gesetzliche Vorkehrungen zu treffen, um Schmerzen, Leiden und Schäden von Tieren abzuwenden. Dabei dürfen Differenzierungen im Schutzniveau vorgenommen werden zwischen Wirbeltieren und wirbellosen Tieren, Warmblütern und Wechselwarmen, sinnesphysiologisch höher entwickelten und sinnesphysiologisch weniger hoch entwickelten Tieren. Seiner erst 2002 eingeführten Schutzpflicht war der Gesetzgeber, gleichsam vorauseilend, längst mit dem Tierschutzgesetz nachgekommen. Das Tierschutzgesetz ist auf diese Weise selbstredend nicht in Verfassungsrang gehoben worden. Freilich dürfte es jetzt schwer fallen, das Tierschutzgesetz gänzlich abzuschaffen oder in wesentlichen Hinsichten zu modifizieren.[29]

81

Tierversuche sind auch nach der neuen Rechtslage[30] verfassungsrechtlich keineswegs ausgeschlossen. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, in Wahrnehmung seiner Schutzpflicht für die Tiere auch konfligierende Verfassungsgüter, wie beispielsweise die Freiheit der Forschung, in den Blick zu nehmen. Ein per se verfassungsrechtlicher Vorrang des Tierschutzes vor der Forschungsfreiheit existiert nicht.[31] Vielmehr sind Tierversuche zunächst vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG umfasst.[32] Dem Gesetzgeber steht es nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu, Tierversuche auf das für die wissenschaftliche Erkenntnis notwendige Maß zurückzuschrauben. Ob § 7 Abs. 3 TierschG, der Versuche an Wirbeltieren nur zulässt, wenn sie „ethisch vertretbar“ sind, diesem Maßstab genügt, ist schon deshalb fraglich, weil die Bestimmung möglicherweise nicht hinreichend bestimmt ist.[33] Das Bundesverwaltungsgericht hat 2014 im Fall eines Bremer Neurobiologen, der Tierversuche mit Makaken (Rhesusaffen) durchführt, indem er die Gehirnaktivität der Tiere mittels in das Gehirn eingeführter Sonden misst, zu Gunsten der Forschungsfreiheit entschieden und den Einwand, die Versuche seien „ethisch nicht vertretbar“, zurückgewiesen.[34]

1. Kapitel Grundfragen des institutionellen HochschulrechtsII. Freiheit der Forschung › 4. Forschungslenkung

Hochschulrecht

Подняться наверх