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1. Umfang und Inhalt der Lehrfreiheit
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Die Freiheit der Lehre umfasst nach der einfach-gesetzlichen Interpretation durch den Bundesgesetzgeber in § 4 Abs. 3 S. 1 HRG „im Rahmen der zu erfüllenden Lehraufgaben insbesondere die Abhaltung von Lehrveranstaltungen und deren inhaltliche und methodische Gestaltung sowie das Recht auf Äußerung von wissenschaftlichen und künstlerischen Lehrmeinungen.“[8] Die Umschreibung betrifft nur die an den staatlichen und staatlich anerkannten Hochschulen Tätigen. Die Lehrfreiheit ist aber auch jenseits der staatlichen und staatlich anerkannten Hochschulen gewährleistet, sofern nur überhaupt wissenschaftliche Lehre stattfindet.
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Auf der ersten Stufe gehört zur Lehrfreiheit der Professoren das Recht, Lehrveranstaltungen anzubieten und durchzuführen. Dieses Recht ist gegenständlich bezogen auf das Fach, zu dessen Vertretung der Professor berufen ist. Aber auch jenseits dieses Fachs darf der Professor in seiner Hochschule begrenzt in der Lehre aktiv sein.[9] Dies folgt aus der Entwicklungsoffenheit der Wissenschaft selbst. Neuausrichtungen einzelner Fächer machen es gegebenenfalls erforderlich, dass sich Forschung und Lehre neu orientieren und gruppieren. Umgekehrt bedeutet Lehrfreiheit generell auch, Lehrveranstaltungen nicht zu halten (negative Lehrfreiheit).
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Die Lehrfreiheit erschöpft sich aber noch lange nicht in der Freiheit, Lehrveranstaltungen anzubieten oder nicht anzubieten. Sie umschließt auch die Freiheit, im Rahmen des koordinierten Studienprogramms der eigenen Lehrveranstaltung nach Form und Methode ein eigenes Profil zu geben. Geschützt sind alle Arten von wissenschaftlicher Lehre: Vorlesungen, Übungen, Proseminare, Hauptseminare, Exkursionen, Kolloquien, Examinatorien etc. Zur Lehre zählt auch der Einsatz von Lehrbüchern, Skripten, Lehrbriefen, Präsentationen, Internetdarstellungen etc. Dazu zählen sog. MOOCS, Massive Open Online Courses, in deren Verlauf die weltweit registrieren Nutzer auch Prüfungen ablegen und akademische Grade erwerben können. Universitäre Prüfungen in gleich welcher Form, ob als studienbegleitende oder als Abschlussprüfung, sind ebenfalls Lehre im Sinne des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG.
Ob und inwieweit die im Zuge des Bologna-Prozesses eingeführten Modularisierungen, obligatorischen Modulabschlussprüfungen und das ECTS-Punktesystem die individuelle Lehrfreiheit beeinträchtigen oder gar verletzen, ist eine bislang nicht abschließend geklärte Frage. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät einer Universität, mit der sich diese gegenüber der zwangsweisen Einführung der Bachelor/Master-Struktur auf die Lehrorganisationsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG berief, mangels grundsätzlicher Bedeutung nicht zur Entscheidung angenommen.[10]
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Zur subjektiv-rechtlichen Dimension der Lehrfreiheit gehört, dass den Lehrenden in ihren Veranstaltungen das Hausrecht übertragen ist, um für einen ungestörten Verlauf der Veranstaltung sorgen zu können. Zur objektiv-rechtlichen Dimension der Lehrfreiheit gehört, dass der Staat eine Schutzpflicht für eine ungestörte Lehre trägt. Er ist verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass Vorlesungsstörungen und aktive Boykottmaßnahmen unterbleiben.[11] Der staatlichen Schutzpflicht sind die Landesgesetzgeber dadurch nachgekommen, dass sie von den Hochschulen verlangen, sicherzustellen, dass die Mitglieder der Hochschule die durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG verbürgten Grundrechte wahrnehmen können.[12] Die Landesgesetzgeber haben die Entscheidung über Polizeieinsätze in den Hochschulen teilweise den Hochschulleitungen vorbehalten. Die These, die Hochschulen seien „polizeifreie Räume“, entbehrt jeder rechtlichen Grundlage.
1. Kapitel Grundfragen des institutionellen Hochschulrechts › III. Freiheit der Lehre › 2. Grenzen der Lehrfreiheit