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III. Unionsaufsicht: Instrumente zur Sicherung einheitlichen Vollzugs

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Keine Weisungen, aber ex-ante und ex-post Instrumente

Die nationalen Behörden und Gerichte sind infolge ihrer Autonomie der EU, insbesondere der Kommission nicht unterstellt. Daher kann die Kommission keine Weisungen über den Vollzug des Unionsrechts erteilen; eine hierarchische Unterordnung der nationalen Verwaltung würde der pluralistischen Vielfalt der wechselseitigen Beziehungen von unionaler und nationaler Ebene im Unionsvollzug nicht gerecht.[167] Gleichwohl ist die Kommission berufen, die Anwendung des Unionsrechts zu überwachen (Art. 17 Abs. 1 S. 3 EUV), was gerade mit Blick auf die nationale Ebene erfolgt. Sie legt insoweit Rechenschaft durch ihre jährlichen Berichte über die Anwendung des Unionsrechts ab.[168] Die EU verfügt dazu über Instrumente, die auch im Interesse eines einheitlichen Vollzugs des Unionsrechts in allen Mitgliedstaaten steuernde Einwirkungen der Kommission auf den nationalen Verwaltungsvollzug erlauben. Mittlerweile besteht eine Vielzahl von Einwirkungswegen und -weisen der EU auf den nationalen Vollzug des Unionsrechts; ferner gibt es auch horizontale Strukturen der Verwaltungskontrolle der Mitgliedstaaten untereinander.[169] Diese Einwirkungswege lassen sich nach verschiedenen Gesichtspunkten ordnen. So könnte man nach der rechtlichen Verbindlichkeit differenzieren und daher verbindliche Instrumente von unverbindlichen, nur soften Vorgaben unterscheiden. Eine andere Kategorisierung könnte nach Auslösern erfolgen und daher zwischen ex officio eingeleiteten Aufsichtsmaßnahmen, Maßnahmen aufgrund von Hinweisen nationaler Behörden und Maßnahmen auf Initiative Einzelner differenzieren („Bürgeraufsicht“[170]); die Subjektivierung des Verwaltungsrechts meint den Umstand, dass das Unionsrecht häufig subjektive Rechtspositionen Einzelner begründet, die diese vor nationalen Gerichten einfordern können, was allerdings weniger der Sicherung der Einheitlichkeit als der Effektivität des Unionsrechtsvollzugs in den Mitgliedstaaten dient.[171] Eine andere Unterscheidung schließlich, die hier näher verfolgt werden soll, kann differenzieren nach dem zeitlichen Eingreifen und daher ex-ante Instrumente von ex-post Instrumenten unterscheiden. Während erstere den nationalen Vollzug vor einer Anwendung des Unionsrechts auf den Einzelfall steuern oder der Kommission Eingriffsmöglichkeiten in der laufenden Anwendung gewähren, greifen letztere erst im Nachhinein und verändern den Vollzug des Unionsrechts in den Mitgliedstaaten für die Zukunft. Zu der erstgenannten Gruppe von ex-ante wirkenden Instrumenten können Hinweise der Kommission für die Umsetzung von Unionsrecht in Form von Leitlinien oder Mitteilungen etwa im Wettbewerbs- oder im Regulierungsrecht, Compliancedialoge zwischen Kommission und Mitgliedstaaten[172], Meldepflichten der Mitgliedstaaten oder gar Genehmigungsvorbehalte bzgl. nationaler Umsetzungsakte oder Änderungen nationaler Rechtsakte gezählt werden.[173] Zu der zweitgenannten Gruppe von ex-ante Instrumenten gehören laufende Eingriffsrechte in die nationale Rechtsanwendung in Form von Eintrittsrechten der Kommission in eine laufende Prüfung (vgl. Art. 11 Abs. 6 KartellverfahrensVO 1/2003), Vorabbefassungsverfahren, ggf. mit Möglichkeit zu einem Veto der Kommission[174], und andere Instrumente der Kooperation der Kommission oder von dezentralen Agenturen mit nationalen Stellen in laufenden Verwaltungsverfahren (solche Instrumente sind von den vergemeinschafteten, mehrstufigen Verwaltungsverfahren[175] zu unterscheiden, in denen die Umsetzung durch ein Zusammenwirken nationaler und EU-Stellen erfolgt[176]). Zur Gruppe der ex-post wirkenden Instrumente schließlich lassen sich Berichtspflichten, finanzielle Sanktionsmöglichkeiten oder Prüfungsrechte der Kommission im Hinblick auf abgeschlossene Anwendungsvorgänge in den Mitgliedstaaten, wie etwa in der Beihilfeaufsicht nach Art. 108 Abs. 1-2 AEUV, hinsichtlich der Kürzung oder Aussetzung von Zahlungen im Agrarrecht (sog. Anlastung)[177] oder hinsichtlich von nationalen Regulierern getroffener Entscheidungen im Hinblick auf die Einhaltung von Leitlinien (Überprüfungsverfahren nach Art. 39 RL 2009/72/EG[178], umgesetzt in § 57a EnWG) zählen. Hierher können schließlich auch Sanktionsinstrumente für die unzureichende Vollziehung des Unionsrechts in Form von unmittelbarer Richtlinienwirkung oder Staatshaftung gezählt werden, die sich kraft Gesetzes einstellen.[179]

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Primärrechtliche Aufsichtsinstrumente

Alle diese Instrumente bedürfen der ausdrücklichen Festlegung im Unionsrecht. Denn die allgemeine Aufgabenzuweisung in Art. 17 Abs. 1 EUV zur Aufsicht über die Umsetzung des Unionsrechts ersetzt nicht die konkrete Befugnisnorm. Bereits das Primärrecht kennt Aufsichtsinstrumente, zum einen das allgemeinste in Form der Vertragsverletzungsklage durch die Kommission gegen einen Mitgliedstaat wegen Verletzung des Unionsrechts (Art. 258 AEUV), die ein Zwangsgeld für die Dauer der unterbliebenen Umsetzung und eine Pauschalsanktion zur Folge haben kann (Art. 260 AEUV). Dieses allgemeine Instrument begründet aber insoweit keine allgemeine Rechtsaufsicht der Kommission über den nationalen Vollzug, als die Entscheidungsbefugnis dem EuGH zukommt[180]; dessen ungeachtet darf die Kommission stets und unverbindlich ihre Rechtsmeinung den Mitgliedstaaten mitteilen.[181] Ein anderes primärrechtliches Aufsichtsinstrument ist spezifisch für das Beihilferecht die Beihilfeaufsicht der Kommission über den Vollzug des Beihilferechts in den Mitgliedstaaten (Art. 108 Abs. 1-2 AEUV), die zu Änderungen des dortigen Beihilfevollzugs führen kann. Ferner findet sich ein Genehmigungsvorbehalt für nationales Abweichungsrecht bezüglich Binnenmarktharmonisierungen in Art. 114 Abs. 4 ff. AEUV. Bereits auf vertraglicher Ebene ist in Art. 337 AEUV auch das Recht der Kommission auf Auskünfte seitens der Mitgliedstaaten und auf Nachprüfungen verankert, versehen mit dem Vorbehalt näherer Regelung durch den Rat. Auch das Aufsichtsverfahren nach Art. 7 EUV über die Einhaltung der Werte der Union und im Vorfeld dazu das Verfahren nach dem EU-Rahmen zur Stärkung des Rechtsstaatsprinzips[182] haben einen Bezug zur ordnungsgemäßen Umsetzung des Unionsrechts durch die Mitgliedstaaten, weil es dabei um die Wahrung systemischer Grundanforderungen an das ordnungsgemäße Funktionieren (auch) der nationalen Verwaltung geht. Insoweit steht als Durchsetzungsinstrument die Sanktionsmöglichkeit in Form der Aussetzung von Rechten der Mitgliedstaaten zur Verfügung.

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Vielfalt im Sekundärrecht und soft law

Sekundärrechtlich ist der Einfluss der Kommission oder von Agenturen auf den nationalen Unionsrechtsvollzug äußerst vielgestaltig ausgestaltet und kommt im Einzelfall der Wirkung von Weisungen nahe.[183] Wie erwähnt, beginnt das bereits mit (allerdings häufig ungeregelten) in ihrer rechtlichen Einordnung schillernden Mechanismen wie Leitlinien, Mitteilungen, und Unionsrahmen im Wettbewerbs- und Regulierungsrecht oder Antworten auf häufig gestellte Fragen (Q&A) im Finanzmarktrecht[184], mit denen die EU Institutionen Anwendungshinweise geben oder Verhaltenssteuerung etwa durch Comply or Explain-Anforderungen[185] erzielen. Kommission und Agenturen bedienen sich dabei insoweit oft unverbindlicher, gleichwohl durchaus auch auf nationaler Ebene wirksamer Instrumente (soft law)[186], die Interpretationshinweise geben oder Steuerung bezwecken.[187] Das soft law löst dabei erhebliche Fragen nach Kompetenzwahrung und Legitimation aus und fordert wegen seiner in rechtlichen Kategorien geringen Bindungskraft wiederum die Einheitlichkeit der Anwendung des Unionsrechts heraus.[188] Daneben gibt es sekundärrechtlich eine Fülle von Aufsichtsinstrumenten wie etwa Inspektionen/Vor-Ort Kontrollen, Eintritts-, Durchgriffs- oder Beanstandungsrechte der Kommission, im Einzelfall sogar Weisungsbefugnisse.[189] Hinzu kommen Sanktionsmöglichkeiten gegenüber Einzelnen. Ferner werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, ihren Vollzug zu evaluieren oder ihren Normenbestand auf Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht und auf Verhältnismäßigkeit zu prüfen („Normscreening“[190]). Teilweise ist das Normscreening mit einer Pflicht der Mitgliedstaaten zur wechselseitigen Evaluation verbunden.[191] Der EU stehen damit in ihrer Summe mehr Eingriffsmöglichkeiten gegenüber den Mitgliedstaaten zu als dem Bund gegenüber den Ländern.[192]

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