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c) Verwaltungsvorschriften
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Gegenstand und praktische Bedeutung
Verwaltungsvorschriften[187] sind abstrakt-generelle Weisungen einer übergeordneten an ihr untergeordnete Verwaltungsstellen, die sich auf die Art und Weise der Aufgabenerfüllung beziehen. Die Zahl sowie die rechtspraktische Bedeutung dieses verwaltungsrechtlichen Binnenrechts ist enorm.[188] Von ihren Übersetzungs- und Konkretisierungsleistungen profitieren aber nicht nur die Verwaltung selbst, sondern ebenso die Bürger, die sich an Verwaltungsvorschriften wie an Gesetzen orientieren.[189] Für den Erlass von Verwaltungsvorschriften kann sich die übergeordnete Stelle auf ihre Organisations- und Geschäftsleitungsgewalt stützen.[190] Einer besonderen Ermächtigung zum Erlass von Verwaltungsvorschriften bedarf es nur dann, wenn eine Bindungswirkung für Amtswalter eines anderen Verwaltungsträgers eintreten soll (siehe etwa Art. 84 Abs. 2 GG). Der Bürger ist zunächst nur reflexhaft betroffen: Schon mit Rücksicht auf die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte ist es weder zulässig, Belastungen unmittelbar auf eine Verwaltungsvorschrift zu stützen noch vermögen Verwaltungsvorschriften allein aus sich heraus Ansprüche gegenüber der Verwaltung zu begründen. Hierzu bedarf es einer außenrechtlichen Wirkungsnorm.[191]
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Einordnung in die Rechtsquellenlehre
Verwaltungsvorschriften nehmen innerhalb der Rechtsquellenlehre eine Sonderstellung ein. Die Normpyramide wird im Binnenrecht quasi auf den Kopf gestellt.[192] Außenrechtlich ist die rechtswidrige Verwaltungsvorschrift nach allgemeiner Auffassung ein Nullum.[193] Vorbehaltlich der durch § 36 Abs. 2, Abs. 3 BeamtenStG und § 63 Abs. 2, Abs. 3 BBG gesetzten Grenzen[194] bindet die rechtswidrige Verwaltungsvorschrift aber die nachgeordnete Stelle, sodass sie sich gegenüber dem einfachen Gesetzesrecht und sogar gegenüber der Verfassung durchsetzt. Eine weitere Besonderheit ist ihre relative Bindungswirkung. In besonderen Einzelfällen kann und muss die Behörde von der Verwaltungsvorschrift abweichen.[195] Damit stehen Verwaltungsvorschriften paradigmatisch für den neueren Normtyp in der Rechtsquellenlehre, dem nur eine präsumtive Verbindlichkeit zukommt.[196]
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Typologie und Außenverbindlichkeit
Nach ihrem Gegenstand und mit Blick auf die Rechtswirkungen im Außenrechtsverhältnis lassen sich fünf Kategorien von Verwaltungsvorschriften unterscheiden.[197] Organisationsvorschriften haben die innere Ordnung von Verwaltungsstellen, das Verwaltungsverfahren sowie den Dienstbetrieb zum Gegenstand.[198] Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften enthalten für die Verwaltung verbindliche Weisungen, wie unbestimmte Rechtsbegriffe auszulegen sind. Beiden kommt keine Außenverbindlichkeit zu, weil Verwaltungsvorschriften allein Gegenstand, nicht jedoch Maßstab richterlicher Kontrolle sind.[199] Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften steuern die Rechtsfolgenseite, beispielsweise bei der Verteilung von Subventionen.[200] Über den Umweg des Art. 3 Abs. 1 GG (Selbstbindung der Verwaltung) soll ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften Bindungswirkung zukommen.[201] Vom BVerwG ist mit normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften eine weitere Kategorie anerkannt worden.[202] Wie norminterpretierende Verwaltungsvorschriften beziehen sich diese auf die Auslegung bzw. Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe. Wichtige Anwendungsfälle sind die TA-Luft und die TA-Lärm. Um ihre Außenverbindlichkeit zu begründen, griff das BVerwG ursprünglich auf die Figur des antizipierten Sachverständigengutachtens zurück.[203] Nunmehr geht die Rechtsprechung von einem der Verwaltung gesetzlich eingeräumten Beurteilungsspielraum aus, der durch eine generelle Regelung ausgefüllt wird.[204] Ihre Bindungswirkung steht unter verschiedenen Vorbehalten. Sie müssen den Vorrang des Gesetzes respektierten, dem Erkenntnisstand in Wissenschaft und Technik entsprechen und in einem besonderen, gesetzlich vorgezeichneten Verfahren erlassen worden sein, das eine hohe Sachgerechtigkeit und die Einbindung von Sachverstand verbürgt. Zuletzt werden auch sog. gesetzesvertretende Verwaltungsvorschriften für zulässig gehalten. Mit Rücksicht auf den Vorbehalt des Gesetzes ist dies nur im Bereich der Leistungsverwaltung denkbar, beispielsweise um die Vergabe von Subventionen zu regeln, für die nur ein Titel im Haushaltsplan ausgewiesen ist.[205] Auch hier ist die Selbstbindung der Verwaltung zu beachten. Durch die rechtsstaatliche Einhegung der früher so bezeichneten besonderen Gewaltverhältnisse hat sich die Figur der Sonderverordnungen als „Ableger und Variante“ der Verwaltungsvorschrift überholt.[206] An deren Stelle sind nunmehr die klassischen Rechtsquellen getreten.[207] Rechtsstaatliche Mindestvoraussetzung außenwirksamer Verwaltungsvorschriften ist deren Publizität.[208]
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Kein originäres Rechtssetzungsrecht der Verwaltung
Ein Teil der Literatur will Verwaltungsvorschriften generelle Außenwirksamkeit zusprechen. Hierzu wird mit einem der Exekutive vorbehaltenen Funktionsbereich, der Vollzugskompetenz der Verwaltung sowie dem Anliegen argumentiert, den gekünstelt erscheinenden Umweg über Art. 3 Abs. 1 GG zu vermeiden.[209] Die wohl überwiegende Meinung argumentiert dagegen u. a. überzeugend mit einem Umkehrschluss aus Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG. Das sich hieraus ergebende Erfordernis einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Ermächtigung ist kaum mit einem originären Normsetzungsrecht der Exekutive zu vereinbaren.[210] Um hinreichenden Abstand zur Rechtsverordnung zu wahren, kann der Verwaltungsvorschrift auch nur eine präsumtive Verbindlichkeit zukommen.[211] Zumindest das Potenzial für eine bedeutende Ausweitung der Außenverbindlichkeit von Verwaltungsvorschriften bietet eine jüngere Entscheidung des BVerfG zur richterlichen Kontrolldichte bei außerrechtlichen Fragen, die bislang noch nicht durch Fachkreise und Wissenschaft eindeutig beantwortet sind.[212]
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Verwaltungsvorschriften in der EU
Auch auf Unionsebene besteht ein erheblicher Bedarf, den Vollzug des Unionsrechts zu steuern. Im Bereich des direkten Vollzugs ermöglichen dies Mitteilungen und Leitlinien der Kommission.[213] Dass sie nicht im Katalog des Art. 288 AEUV genannt werden, ist unerheblich, weil sie – jenseits einer anderen expliziten primärrechtlichen Verankerung[214] – prinzipiell rechtlich unverbindlich sein sollen. Ähnlich wie Verwaltungsvorschriften im deutschen Recht soll ihnen aber doch eine mittelbare rechtliche Verbindlichkeit zukommen. Begründet wird diese über den Gleichheitssatz sowie den Grundsatz des Vertrauensschutzes.[215] Funktionale Äquivalente zu den deutschen Verwaltungsvorschriften sind seit dem Vertrag von Lissabon im Bereich des indirekten Vollzugs die Durchführungsrechtsakte (Art. 291 AEUV), die an die Stelle des früheren Komitologieverfahrens getreten sind und grundsätzlich von der Kommission erlassen werden (Art. 291 Abs. 2 AEUV).[216] Die Kontrolle der Kommission bei der Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Mitgliedstaaten bestimmt sich nach der neuen Komitologieverordnung (VO (EU) 182/2011)[217], die auf Grundlage des Art. 291 Abs. 3 AEUV erlassen worden ist. Die Durchführungsmaßnahmen müssen im Basisrechtsakt vorgesehen sein. Ihnen kommt dann Außenverbindlichkeit zu.[218] Dies unterscheidet sie von den unverbindlichen Empfehlungen und Stellungnahmen (Art. 288 Abs. 5 AEUV). Nach der Rechtsprechung des EuGH sollen die nationalen Gerichte gleichwohl verpflichtet sein, diese bei der Auslegung zu berücksichtigen.[219]