Читать книгу Maritime E-Bibliothek: Sammelband Abenteuer und Segeln - Arved Fuchs, Hannes Lindemann - Страница 66
Kap Palmas – meine alte Heimat
ОглавлениеDie Abfahrt verzögerte sich dadurch, daß ich den Anker nicht einhieven konnte. Sofort sprang der Lübecker hilfsbereit ins Wasser und tauchte mehrere Male, bis er den Anker klar bekam. Mit einem Motorboot begleitete er mich noch auf die See hinaus, bis ihn die hereinbrechende Dunkelheit zurückrief.
Mein nächstes Ziel war Kap Palmas, etwa 100 Seemeilen entfernt und im äußersten Süden von Liberia gelegen. Dort unterhält die Firestone-Gesellschaft eine kleine Plantage, auf der ich ein Jahr lang arbeitete und den Einbaum baute, der später den Atlantik überquerte.
Da die Strömung in diesen Gewässern besonders stark ist und da ich zusätzlich die Windkraft eines Tornados gut ausnutzen konnte, warf ich bereits am Mittag des folgenden Tages direkt vor der Einfahrt zum Hofman-Fluß den Anker. Obwohl ich die Furt in den Fluß genau kannte, durfte ich es selbst bei Hochwasser nicht wagen, die Barre, die Meer und Fluß voneinander trennt, zu überqueren.
Im übrigen ist man draußen auf Reede immer vor dem Angriff unzähliger Mücken sicher, ganz zu schweigen von dem Besuch neugieriger Krausköpfe.
Im Süden des Kaps war man gerade dabei, einen kleinen Hafen zu bauen, der vor allem der Küstenschiffahrt dienen soll. Große Dampfer müssen nach wie vor auf Reede gehen. Gehässige Zungen behaupten sogar, der Hafen diene vor allem den persönlichen Bedürfnissen des Präsidenten, seiner Farm und seiner Luxusyacht. Tubman besitzt zwei Riesenyachten, von denen eine nur ihm selbst zur Verfügung steht, während die andere als liberische Marine anzusehen ist. Eine dieser Yachten traf ich schon in Las Palmas auf den Kanarischen Inseln. Der junge spanische Kapitän ließ sie dort gerade überholen.
Mit dem Faltboot, das ich inzwischen repariert hatte – es war ja in der Sturmboe vor der Saharaküste in der Mitte durchgebrochen –, paddelte ich durch die gefährliche Furt und landete dort, wo vor Jahren der Einbaum vom Stapel gelaufen war. Binnen Sekunden war das Boot von Neugierigen umringt, jeder wollte mich mit liberischem Handschlag – ein mehrmaliges Fingerknipsen – begrüßen. Fragen stürzten auf mich ein, Ausrufe der Überraschung und Freude wurden laut.
Dann kam Jule, der Fischer, der mir damals den Einbaum besorgt hatte: „Doktor, ich wußte immer, daß Sie noch mal zurückkommen würden! Herzlich willkommen bei ihren alten Freunden!“
Harper, das kleine Städtchen auf Kap Palmas mit seiner reizvollen Lage zwischen Meer und Fluß, bietet ein ausgesprochen tropisches Bild: primitive Lehmhütten stehen neben selbstgebauten Bungalows, gegenüber vom Palast des Präsidenten wackelt eine altersschwache Bretterbude im Wind, und in Kloakengewässern wühlen hungrige Schweine grunzend nach Futter.
Am Stadtausgang ragten mitten aus einem verwahrlosten Feld ein paar funkelnagelneue Gebäude hervor, doch weit und breit war keine einzige Menschenseele zu sehen, denn die Häuser sind unbewohnt! Sie sind das neue Hospital, dessen Inneneinrichtung angeblich in Kisten verpackt bereits eingetroffen – indessen noch nicht bezahlt ist.
Dieser Fall erinnerte mich lebhaft an die Klage eines indischen Lehrers, der dem Spital gegenüber wohnte. Seine Schule sollte aus Monrovia Lehrmittel für den Physikunterricht erhalten, große Freude! Doch was kam an: nichts als ein paar Reagenzgläser! Die Bunsenbrenner waren offensichtlich anderswo gelandet, die Glaskolben wieder woanders etc.
Als einmal in Harper ein Haus zusammenbrach und etwa zehn Personen verletzt wurden, konnte der europäische Arzt ihnen nicht helfen, weil er keine Medikamente und Verbandstoffe mehr hatte. Er kabelte um Soforthilfe nach Monrovia, und in der Tat, man half: ein Sonderflugzeug traf in Harper ein und überbrachte – acht Mullbinden!