Читать книгу Maritime E-Bibliothek: Sammelband Abenteuer und Segeln - Arved Fuchs, Hannes Lindemann - Страница 81
Ibadan, die afrikanischste Stadt
ОглавлениеIm „Lagos Yacht Club“ lernte ich den jungen deutschen Vizekonsul kennen, der an Land ebenso gerne raste wie auf dem Wasser. Außer einem schnittigen Sportwagen besaß er nämlich auch ein sehr schnelles Boot, einen Katamaran1 vom Typ „Shearwater III“, mit dem schon Geschwindigkeiten bis zu 22 Knoten erreicht worden sind.
Der Vizekonsul führte mich kreuz und quer durch Lagos, eine Lagunenstadt, die sich auf drei flachen Inseln erhebt. Lagos ist häßlich: ein Wirrwarr von Baracken, Hütten, Bungalows, Bars, Marktständen und nur wenigen Hochhäusern. Im Eingeborenenviertel hat man den Eindruck, daß sich mehr Hausrat außerhalb der Wellblechhütten befindet als innerhalb. Jeder handelt mit jedem Plunder!
Und über allem eine Wolke von Staub, Dreck, Gestank. Schreiende Reklame! Schrille Musik! Fette Mammies hocken geduldig vor ihrem Krempel und Trödel. Zerfurchte, zahnlose Greisengesichter bieten aufgeblasene Vogelmägen oder halbverweste Webervögel an. Hübsche, stark geschminkte Mädchen handeln mit „Kosmetika“, darunter weißem Ton und Antimonpulver.
Lagos ist umgeben von Morast und Mangrovensümpfen, die immer für frischen Moskitonachschub sorgen, von Brackwasser und Salzwasser. Und von Barackenvorstädten! Es dauerte lange, bis wir uns auf der Ausfallstraße nach Ibadan an Scharen von Radfahrern, kopflastigen Fußgängern, Autos und „Mammiewagen“ vorbeigekämpft hatten, diesen farbprallen motorisierten Beförderungsmitteln für Marktfrauen und Farmer.
In rasendem Tempo jagten wir auf annehmbaren Asphaltstraßen durch hügelige Farmlandschaften nach der 170 km entfernten größten Negerstadt der Welt, nach Ibadan, von dem es heißt, daß seine Einwohnerzahl nahe an die Millionengrenze herankomme.
Ibadan ist ein monströse Stadt. Afrikanisch durch und durch. Lehm und Wellblech, Lehm und Dachpappe, Lehm und Palmwedel, Lehmstraßen und Lehm in der Luft! Es gibt nur eine Farbe – Lehmfarbe. Das Grün der wenigen Bäume ist mit orangefarbenem Staub bedeckt. Die Dächer, die Autos, ja, selbst die Gesichter tragen diese feine Staubschicht! Nur am Rande der Stadt sieht man einige europäisch anmutende Häuser, nur im Schwimmbad entdeckten wir überhaupt Weiße.
In unmittelbarer Nähe von Ibadan gibt es vier weitere Großstädte, die alle von den intelligenten Yorubas gegründet wurden, deren Kunstgegenstände aus Bronze und Terrakotta von einem Kunstsinn zeugen, den man Afrikanern früher nie zugetraut hätte.
Vor den Toren von Ibadan erstreckt sich das großzügig angelegte Universitätsgebäude mit modernsten Lehrgebäuden und Studentenheimen, vor denen selbst wir Europäer staunend stehenbleiben und uns fragen müssen: ist dies alles noch Afrika? Welch ein Gegensatz zwischen Ibadan, der afrikanischsten Stadt, die ich je gesehen habe, und dieser amerikanisch anmutenden Universität!
Gewiß, eine Universität für die 36 Millionen Einwohner von Nigeria reicht nicht hin und nicht her, aber der Anfang ist gemacht, und ist nicht allein das schon lobenswert?
In der Dunkelheit fuhren wir wieder wie der Blitz in Richtung Süden nach Lagos. Hatte mein Begleiter auf der Hinfahrt vor jeder Kurve einige Male gehupt, so blinkte er jetzt warnend mit den Scheinwerfern. Die meisten Wagen, die uns begegneten, blendeten nicht ab – weil sie es gar nicht können. Aber wir erreichten trotz allem Lagos mit heiler Haut.