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Wie wird man reich?
ОглавлениеEin Libanese, Besitzer mehrerer Geschäfte und Häuser, fuhr mich zur Plantage. Auf der Fahrt erzählte er mir seinen Werdegang, der typisch für Karriere der Syrer und Libanesen ist, die in Westafrika einen großen Teil des Handels an sich gerissen haben.
Joseph Kashouh war als kaufmännischer Angestellter aus dem Libanon nach Liberia gekommen. Die ganze Familie hatte zusammengelegt und unter großen Opfern seine Fahrt finanziert. Nach seiner Ankunft in Liberia arbeitete er drei Jahre lang bei einem anderen Libanesen und machte sich danach mit seinem Bruder in dem Flecken Pleebo in der Nähe von Harper selbständig. Das war zu der Zeit, da ich auf der Plantage arbeitete und ihn und seine Bekannten, Kaufleute aus seiner Heimat, behandelte. Damals besaß Joseph nichts als sein liebenswürdiges Lächeln.
Aber er scheute sich nicht, wie alle seine Landsleute auch, ganz einfach, beinahe afrikanisch, anzufangen. Was er seinen afrikanischen Kollegen voraus hatte, waren sein Bienenfleiß und seihe Aktivität, und was ihm gegenüber den europäischen Kaufleuten Vorteile verschaffte, war seine Anspruchslosigkeit. Zusätzlich half ihm der Umstand, daß Afrikaner häufig lieber bei Weißen kaufen, weil sie ihnen – meist mit Recht – mehr vertrauen.
Kurz und gut: Joseph wurde in kurzer Zeit reich. Aber noch heute wohnt und ißt er sehr bescheiden, hat keine Interessen außer seinem Geschäft und leistet sich als einzigen Luxus nur Kaffee und eine kleine Afrikanerin, an der er sehr hängt und die ihm bereits drei Kinder geschenkt hat.
Ausländische Kaufleute haben es in einigen Gebieten Westafrikas nicht ganz so leicht. Wie sollen sie zum Beispiel einen Minister dazu bewegen, die Schulden zu bezahlen, die seine Frau bei ihnen macht? Denn zum Privileg hoher Beamter gehört es, Schulden zu machen, und der Kaufmann, der keine Unannehmlichkeiten haben will, treibt sie am besten nicht ein.
Ein andermal lud mich ein liberischer Ingenieur ein. Er hatte in Amerika studiert und leitete jetzt den Straßenbau in der Provinz, besaß aber auch eine eigene Reparaturwerkstatt, in der die Straßenbaumaschinen wieder hergerichtet wurden. Als ich ihm erzählte, daß ich als nächsten Hafen Abidjan besuchen wollte, fragte er mich: „Auf dem Cavally nach Abidjan?“ Das wäre ungefähr so, als wenn ein Hamburger fragen würde, ob ich auf der EIbe nach Rotterdam segeln wollte. Später klärte man mich auf, daß der „Ingenieur“ nur ein Mechaniker sei, aber im übrigen das Gehalt eines ausländischen Arztes empfange.
Die Liberianer sind im allgemeinen hilfsbereit, sehr gastfreundlich, immer zu Späßen aufgelegt. Kein Weißer wird jemals von ihnen verletzt oder unfreundlich behandelt werden – solange er sie respektiert. Wer jedoch arrogant auftritt, stößt auf Abneigung und tief verborgene Ressentiments. Die Frage “Wann reist du ab, weißer Mann?“ gilt für Kolonialsysteme, jedoch niemals für den Europäer im einzelnen. Im Gegenteil: überall bemühen sich die westafrikanischen Regierungen verzweifelt darum, neue europäische Fachkräfte für ihr Land zu verpflichten. Die Zeit des Europäers ist noch lange nicht zu Ende, der Weiße muß jedoch als Freund kommen, als Helfer und nicht als Ausbeuter und Besserwisser.
Nachdem ich mit meinen alten Freunden ein anstrengendes Neujahrsfest im „Club“ der Plantage verleben durfte, verließ ich schweren Herzens Liberia, dessen Einwohner ich immer sehr geschätzt habe. Aber die Zeit drängte, Nifia und ich hatten einen festen Fahrplan vereinbart, den ich einhalten mußte.
Wieder einmal waren meine Eindrücke von Liberia gegensätzlich; dem guten Willen des Präsidenten steht das selbstgefällige und verständnislose Gebaren einiger seiner Mitarbeiter entgegen.
In Haiti und Liberia hatten Afrikaner Gelegenheit, zu kolonisieren. Sie haben es nur bedingt vermocht. Erst als Liberia das Vorbild der großen „kapitalistischen Firmen“ im eigenen Lande aus nächster Nähe beobachten konnte, erst als Präsident Tubman mit seiner Politik die engen Tore seines Landes öffnete, zeigte es sich, daß auch Afrikaner ihr eigenes Land zum Besten der Allgemeinheit erschließen können.
1 Wind, der von seitlich-hinten einfällt.