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Zauber und Antizauber

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Auf der Werft erregte die Anwesenheit einer deutschen Yacht bei den Nigerianern großes Aufsehen. Immer wieder kamen Neugierige zu Besuch und versuchten festzustellen, ob sich das Bild, das sie sich von den Deutschen gemacht hatten, mit der Wirklichkeit deckte.

Da kamen welche, die in den Deutschen gewaltige Krieger sahen; andere meinten, es müßten alle Nazis oder mindestens Störenfriede im Verein der Völker sein, und andere wiederum, die regelmäßig englische Zeitungen lasen, wußten besser als ich, in welchen heimischen Ministerien sich noch ehemalige Größen des Dritten Reiches verbergen. Es war erstaunlich, wie interessiert sich diese intelligenten Burschen nach allem erkundigten, was nicht zu ihren Vorstellungen paßte.

Daß ich nahezu alle Arbeiten an meinem Boot selbst ausführte, imponierte ihnen am meisten und schien sie zutraulicher zu machen.

Eines Tages erschienen zwei ganz besonders Neugierige mit einem seltsamen Anliegen. Mr. Abu und Mr. Ajobi suchten Hilfe bei mir. Ich fragte die beiden jungen Leute; die nicht so recht mit der Sprache herausrücken wollten, ob sie krank seien? „No, Sir, nicht direkt!“ Ob sie Geld benötigten? Entsetzt wehrten sie ab. Ob sie mir etwa eine Frau andrehen wollten? Denn dieses Angebot erhält man nahezu in jedem Hafen. Auch nicht! Schließlich kam es heraus: „Doktor, Sie müssen ein Ju-Ju-Mann sein, weil Sie ganz alleine von Europa hierher gekommen sind. In der Nacht allein segeln, ohne Maschinisten, ein zerlegbares Fahrrad an Bord, niemals krank werden und immer den richtigen Hafen finden – das kann nur ein Ju-Ju-Mann!“

Das hatte ich nicht erwartet! „Sagen Sie mir doch bitte, was Sie unter einem Ju-Ju-Mann verstehen!“ forderte ich sie auf.

„Das ist ein Zauberer, der Menschen krank und gesund machen kann. Das ist aber auch ein Mann, der übernatürliches leistet“. Und, ohne daß ich darauf eingehen konnte, fuhren sie fort: „Wir brauchen Hilfe, um uns gegen die Zauberkraft unseres Dorfes schützen zu können.“

„Aber man kann doch nicht einfach ein halbes Pfund Antizauberkraft kaufen wie in einem Laden! Oder wollen Sie von mir etwa ein Amulett haben?“

“No, listen, Sir: wir gehören einem Geheimbund an, einem amerikanischen; wir besitzen eine ganze Bibliothek von Büchern über Mystizismus und Okkultismus, aber wir haben nichts darin gefunden, was uns Afrikanern helfen könnte. Schauen Sie, wir beide kommen aus dem Hinterland, und dort hat man uns übelgenommen, daß wir in die Stadt gezogen sind und will uns mit einem Zauber verderben. Wir haben sogar Angst, daß unsere eigenen Frauen von den Dorfbewohnern verhext worden sind und uns vergiften wollen. Vielleicht wissen Sie irgendeinen Gegenzauber aus Ihrer Heimat, der uns immun macht.“

Die beiden kannten die Bibel recht gut, sie waren intelligent und wußten über Suggestion und Hypnose besser Bescheid als die meisten Europäer – doch gegen den uralten Urwaldzauber konnten sie sich nicht wehren. Sie sind ihm bis zur letzten Nervenzelle verfallen, trotz ihrer christlichen Übertünchung.

Aber wer von uns Europäern ist frei von jeglichem Aberglauben? Und wenn wir uns in mehr als 1900 Jahren nicht völlig von abergläubischen Vorstellungen lösen konnten, wie kann man da von diesen einfachen Menschen erwarten, daß sie es binnen zehn oder zwanzig Jahren vermögen?

So darf es niemanden wundernehmen, wenn er in einer Zeitung aus Lagos liest, Nigerias Fußballmannschaft sei nur deshalb von den ghanesischen Spielern geschlagen worden, weil diese sich der schwarzen Magie bedient hätten. Der Sportredakteur behauptet allen Ernstes, die Ghanesen hätten vor dem Spiel aus einem Pokal schwarzes Wasser getrunken, auf einen schwarz angemalten Schädel gespuckt, wären alle mit schwarzen Ringen geschmückt gewesen, hätten einen rot angemalten Schädel herumgetragen und dazu kriegerische Lieder gesungen.

Trotz dieser düsteren Vorgänge müssen wir uns fragen, was schlimmer ist: ein Afrikaner, der an seinen Ju-Ju glaubt, oder ein Europäer, der auf sein Massenhoroskop in der Illustrierten schwört?

Maritime E-Bibliothek: Sammelband Abenteuer und Segeln

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