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Antisemitismus-Verleugnung: Hofer und Strache als Judenfreunde
ОглавлениеUm die antisemitischen Traditionen der FPÖ vergessen zu machen, veranstalteten Hofer und Strache im November 2016 ein medienwirksam inszeniertes Antisemitismus-Symposion unter dem Titel „Haben wir aus der Geschichte gelernt?“. Zum Jahrestag des Novemberpogroms von 1938 (von den Nazis verharmlosend Reichskristallnacht genannt, so als wären da nur ein paar Fensterscheiben zu Bruch gegangen) versuchten die beiden den Einsatz „linker Parteien“ für die „schrankenlose Zuwanderung von Muslimen“ zum „linken Antisemitismus“98 und den Kampf der FPÖ gegen islamischen Zuzug zur „proisraelischen Politik“ umzudeuten.
Die Anwesenheit zweier israelischer Ex-Politiker des rechten Randes scheint sich Strache mit einer Verneigung vor jener israelischen Siedlungspolitik im Palästinensergebiet erkauft zu haben, die einer Zwei-Staaten-Lösung und damit einem Nahost-Frieden im Weg steht: Bei seinem Israel-Besuch im April 2016 hatte er eine jener umstrittenen Siedlungen am Jordan besucht, die völkerrechtswidrig auf palästinensischem Gebiet liegen.99
Es war nicht der einzige Versuch der FPÖ, über den Antisemitismus in Burschenschaften und FPÖ-Führung hinwegzutäuschen. Während des Präsidentschaftswahlkampfes hatte Norbert Hofer in einem Interview wahrheitswidrig erklärt, es erfülle ihn mit Stolz, als Dritter Präsident des Nationalrats und „erster FPÖ-Politiker“ im israelischen Parlament „offiziell empfangen“ worden zu sein und mit der Vizepräsidentin der Knesset „offizielle Gespräche“ geführt zu haben.100 „Ich war Teil einer Delegation des österreichischen Parlaments“, hatte er im Gespräch mit dem Standard betont.101
Hofer scheint davon ausgegangen zu sein, dass österreichische Journalisten solche Informationen ungeprüft übernehmen. Als der ORF-Journalist und ZiB2-Moderator Armin Wolf versuchte, den Aussagen nachzugehen, stieß er ins Leere: Weder nationale noch internationale Medien, weder die Pressedienste des Wiener Parlaments noch der Knesset hatten vom Besuch einer „österreichischen Delegation“ oder einem „Empfang“ berichtet und auch die österreichische Botschaft in Tel Aviv wusste davon nichts. Der Pressesprecher des israelischen Parlaments teilte dem Kurier auf Anfrage mit, dass es keinen derartigen Besuch gegeben habe. Zuletzt betonte die israelische Botschafterin in Wien, dass ihre Regierung offizielle Kontakte mit der FPÖ „auch weiterhin ablehne“.102
Auf diese Unstimmigkeiten angesprochen, versuchte Hofer, die offensichtliche Unwahrheit kleinzureden. Aus der „offiziellen Delegation“ des Parlaments wurde eine „private Reise“, der „offizielle Empfang“ schrumpfte zu einem „informellen Gespräch“.103
Auch mit anderen Aussagen zu dieser Reise hat es Hofer nicht so genau genommen. In der Presse hatte er erklärt: „Als ich auf dem Tempelberg war, ist zehn Meter neben mir eine Frau erschossen worden, weil sie versucht hat, mit Handgranaten und Maschinenpistolen betende Menschen zu töten.“104 Laut Mickey Rosenfeld, Pressesprecher der israelischen Polizei, hat ein solcher Terrorakt nie stattgefunden.
Die Jerusalem Post berichtete von einem Zwischenfall ohne terroristischen Hintergrund. Bei der Frau handelte es sich nicht um eine palästinensische Terroristin, sondern um eine unbewaffnete Israelin, die bei einer Polizeikontrolle nicht angehalten hatte, von der Polizei „angeschossen“ und „leicht verletzt“ wurde.105
Ein von Hofer erwähnter Brief von Heinz-Christian Strache an Avner Shalev von Yad Vashem, in dem dieser sich und seine Partei „von ganzem Herzen“ zu einer „Holocaust-Erinnerungskultur“ verpflichtet, tauchte mit einiger Verspätung zuletzt doch noch auf: Allerdings mit Datum vom 3. Mai 2016, zwei Wochen, nachdem Hofer ihn Mitte April erwähnt hatte.106
Als penible journalistische Recherchen Hofers Legendengebäude zum Einsturz gebracht hatten, sprach Strache von einem „Skandal“, meinte damit jedoch nicht etwa Hofers Falschinformationen, sondern die „perfide und widerliche Wahlmanipulation“ der Medien und die „absurden und niederträchtigen“ Behauptungen von Armin Wolf im „rot-grünen Propagandasender“ ORF.107
Die demonstrativen Anbiederungsversuche der burschenschaftlichen FPÖ-Führung veranlassten die Israelitische Kultusgemeinde in Wien und den European Jewish Congress, Israels Staatspräsident Reuven Rivlin um Klarstellung zu bitten. Diese ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Kontakte israelischer Repräsentanten mit rechtsextremen Parteien, die mit einer antisemitischen Geschichte behaftet sind, den Holocaust leugnen sowie Hass und Intoleranz fördern, werde er „niemals dulden“. Kein Interesse könne ein solch „schändliches Bündnis“ rechtfertigen, ließ der oberste Repräsentant Israels wissen.108
Pinchas Goldschmidt, Präsident der Europäischen Rabbiner-Konferenz, kommentierte die Anbiederungsversuche der beiden FPÖ-Politiker, ihre gemeinsamen Auftritte mit ehemaligen israelischen Politikern und Gerüchte, zahlreiche Juden hätten beim ersten Wahlgang Hofer gewählt, mit dem Satz: „Als Gott die Intelligenz verteilte, hat sich nicht jeder angestellt.“109
* 1831 wurde der Arier-Paragraf von einem Teil der Burschenschaften vorübergehend zurückgenommen.
* Den Protestbrief unterschrieben: Gothia, Libertas, Moldavia, Olympia, Teutonia (alle Wien); Arminia, Carniola, Cheruskia, Germania (alle Graz); Arminia Czernowitz zu Linz; Brixia, Suevia (Innsbruck); Cruxia, Leder (Leoben)
* Udo Guggenbichler ist Mitglied der Burschenschaften Albia, Wien und Arminia, Graz, darüber hinaus der pennalen Verbindungen Hollenburg (Ferlach) und Gothia (Meran). Er ist langjähriger Vorsitzender des österreichischen Pennälerringes und Organisator der vom WKR-Ball zum Akademikerball mutierten Veranstaltung in der Hofburg, zu der alljährlich Rechtsextremisten, Auschwitz-Leugner und Neonazis als „Ehrengäste“ geladen sind.