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Burschenschaften und Nationalsozialismus

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Die „demokratischen Traditionen“, auf die Vertreter des korporierten Milieus bis heute mit demonstrativ zur Schau gestelltem Stolz hinweisen, hat es in Wahrheit nie gegeben. Dass Burschenschaften die Revolution von 1848 mit einem im Juni 2014 zelebrierten Fest der Freiheit für sich beanspruchten, zählt zu den dreistesten ihrer vielen Versuche, Geschichte umzudeuten.

An den nahezu im gesamten europäischen Raum, von Frankreich bis an die Grenzen des zaristischen Russland, von Norddeutschland bis Palermo stattfindenden Revolutionen konnten sich österreichische Burschenschaften gar nicht beteiligen. Aus einem einfachen Grund: Es gab sie damals noch nicht. Metternichs Repression hatte das verhindert. Zudem war die Beteiligung österreichischer Studenten mehr Widerstand gegen Habsburg als Kampf für die Demokratie. Kein Wunder also, dass österreichische Historiker in einer Stellungnahme „mit Empörung“ auf die „Inanspruchnahme“ der bürgerlichen Freiheitsbewegung durch „rechtsradikale Splittergruppen“ protestierten.*

Der Politologe Bernhard Weidinger, einer der besten Kenner der Burschenschafter-Szene**, wertet das Fest der Freiheit als burschenschaftlichen Versuch einer Imagekorrektur, um die Verknüpfung mit Nationalsozialismus und Antisemitismus loszuwerden und den Deutschnationalismus „nach Auschwitz zu rehabilitieren“. Die „tagespolitische Motivation“ sieht er in der Forderung nach Meinungsfreiheit, hinter der sich „aber allzu offensichtlich die Forderung nach einem Recht auf Verhetzung, auf rassistische Sprache, auf Wiederbetätigung und Geschichtsfälschung“ verberge.110 Klaus Taschwer, Wissenschaftsjournalist des Standard und Buchautor, kommentierte lakonisch, die Feier diene schlagenden Burschenschaften „als Ablenkungsmanöver, um ihr Nazi-Erbe zu kaschieren“.111

Immer wieder haben sich Burschenschaften als Feinde der Demokratie ausgewiesen. Sie haben nicht nur gegen das Frauenwahlrecht gekämpft, sondern 1906 auch gegen die Einführung des allgemeinen und gleichen Männerwahlrechts. Es sei schließlich nicht einzusehen, „dass ein deutscher Universitätsprofessor politisch dasselbe Gewicht haben sollte wie ein in einem Erdloch hausender Bewohner des östlichen Galiziens“, hielt der Chronist der Innsbrucker Burschenschaft Germania noch 1965 rückblickend fest.

Seit 1918 waren Burschenschafter an jeder antidemokratischen Erhebung gegen die Weimarer oder Erste Republik federführend beteiligt:112 Am Kapp-Putsch von 1920 in Berlin, an Hitlers Marsch auf die Feldherrnhalle von 1923 in München und am nationalsozialistischen Juliputsch des Jahres 1934 in Wien.

Hitlers Putschversuch von 1923 wurde in den Burschenschaftlichen Blättern zum Kampf für Freiheit, Volk und Vaterland verklärt: „Am 8. November des Jahres ist in München versucht worden, eine revolutionäre Regierung der deutschen Freiheit zu bilden, am 9. November sind in München 20 deutsche Männer für Volk und Vaterland gefallen. Erschüttert steht Deutschland an der Bahre dieser Toten, die reinen Herzens ihr Leben geopfert haben.“113

Stille Machtergreifung

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