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Gegen NS-Verbot und „Menschenhatz der Linken“
ОглавлениеBeim Kampf gegen das Verbotsgesetz arbeiten Korporierte und FPÖ mit Neonazis seit Jahren Hand in Hand. Für viele ist der Kampf gegen dieses von ihnen so genannte „Schandgesetz“ ein Akt des Selbstschutzes: Immer wieder überschreiten Burschenschafter jene Grenzen, die der Gesetzgeber gezogen hat.
Norbert Hofer hat diese Tradition übernommen. Mehrfach stellte er das Gesetz in Frage, das nationalsozialistische Wiederbetätigung unter Strafe stellt. 2008 forderte er in einer Diskussion mit Jugendlichen eine Volksabstimmung über diese Frage.136 Im selben Jahr nahm er die freiheitliche Präsidentschaftskandidatin Barbara Rosenkranz in Schutz, die den von Burschenschaftern immer wieder konstruierten Widerspruch zum Recht auf freie Meinungsäußerung thematisiert hatte. Rosenkranz sei Opfer von „Vernaderung“ und „Menschenhatz“ der „vereinigten Linken“, formulierte er damals und attackierte Bundespräsident Heinz Fischer, der sich unter dem „Tarnmäntelchen des Staatsmannes“ einmal mehr als „Linksausleger der SPÖ“ erwiesen habe.137
Im November 2013 wiederholte er den ausjudiziert widerlegten Unsinn, das Verbotsgesetz „spieße sich mit der Meinungsfreiheit“. Eigentlich hätte er es besser wissen müssen. Zwei Mal wurde der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in dieser Frage angerufen, beide Male kam dieser zu einem eindeutigen Urteil: Die „strafrechtliche Verfolgung von nationalsozialistischen Äußerungen“ sei durch das Verbotsgesetz „ausreichend legitimiert“ und zudem ein „notwendiger Bestandteil“ einer demokratischen Gesellschaft. Meinungsäußerungen zugunsten dieses totalitären Systems seien ein „Missbrauch der Freiheitsrechte“.138
Im Präsidentschaftswahlkampf gab sich Norbert Hofer geläutert. Am Verbotsgesetz will er nicht rütteln, erklärte er in Interviews – aber nur, um sofort wieder auf den Kurs der NS-Verharmloser einzuschwenken. Mit seiner beim traditionellen Neujahrsempfang der FPÖ in Salzburg erhobenen Forderung139, das Verbotsgesetz auf IS-Sympathisanten auszudehnen140, knüpft er nahtlos an eine jahrzehntelang geübte Taktik des Neonazismus an: Er stellt den millionenfachen, fabrikmäßig organisierten Massenmord, an dem Hunderttausende Österreicher direkt oder indirekt beteiligt waren, auf eine Stufe mit ein paar Hundert meist jugendlichen Extremisten.
Was Hofer da tut, entspricht der jahrzehntelang verfolgten Taktik der Neonazis: mit dem Nationalsozialismus zu vergleichen, was nicht vergleichbar ist; Verbrechen, wie sie heute passieren, auf eine Stufe zu stellen mit dem Hitler-Terror, mit Ausgrenzung, Verfolgung, Enteignung, willkürlicher Inhaftierung, Zwangsarbeit und Folter in den Konzentrations- und Vernichtungslagern, mit dem millionenfachen Massenmord an Juden, Roma, Sinti, Homosexuellen, Behinderten und politisch Missliebigen.
Hofer stellt sich damit in eine Reihe mit Europas schlimmsten politischen Hetzern von Rechtsaußen. Der Niederländer Geert Wilders hat Moscheen mit „Nazi-Tempeln“ und den Koran mit Hitlers Mein Kampf gleichgesetzt141, Marine Le Pen vom französischen Front National hatte betende Muslime mit der Nazi-Besatzung verglichen.142