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Geheimhaltung:
Wir sollen nicht wissen, wen wir wählen

Auf dem Weg zur Macht ist es wichtig, die Verankerung der völkischen Korporierten in den Traditionen des Nationalsozialismus ebenso geheim zu halten wie die burschenschaftliche Dominanz an der Spitze der FPÖ. Nichts belegt das deutlicher als ein scheinbar harmloser Vorfall an einer Linzer Schule.

Der Extremismus-Experte und Buchautor Thomas Rammerstorfer (Die Grünen) hatte vor Maturaklassen über Extremismus gesprochen – von links bis rechts, von religiös bis national, von Reichsbürgern, Identitären, Pegida und Grauen Wölfen bis zu Jugendkulturen wie Skinheads oder Hooligans. Mit wenigen Sätzen und zwei von mehr als 30 Schautafeln der PowerPoint-Präsentation wurde dabei auch das Thema Burschenschaften erwähnt: ihre Nähe zum Rechtsextremismus und ihr Einfluss auf die FPÖ.

Dass es genau diese Themen sind, deren Bekanntwerden der FPÖ auf ihrem Weg zur Macht im Weg stehen könnte, beweist die panikartige Reaktion des freiheitlichen Abgeordneten zum Nationalrat Roman Haider, stellvertretender Obmann der pennalen Burschenschaft Donauhort zu Aschach. Von seinem Sohn, ebenfalls Mitglied dieser Verbindung, wurde er über Handy informiert, rief daraufhin in der Schule an, drohte nach Aussage des Direktors mit „massiven beruflichen Konsequenzen“ und erzwang den Abbruch der Veranstaltung.5

Als Reaktion auf diesen Vorfall stellte Oberösterreichs stellvertretender Landeshauptmann Manfred Haimbuchner (Corps Alemannia Wien zu Linz) eine Online-Plattform vor, die Schüler dazu auffordert, „parteipolitische Beeinflussung“ durch Lehrer anonym zu melden, was nicht nur Politiker anderer Parteien an das „Spitzelwesen vergangener schrecklicher Zeiten“ erinnerte.6 Dass Roman Haider allen Grund hatte, seine Mitgliedschaft in der Burschenschaft geheim zu halten, belegt deren ideologisch eindeutige Ausrichtung: Der Waffenspruch lautet „Was gibt es hier? Deutsche Hiebe!“ Als Bundeslied wird „Wenn alle untreu werden …“ gesungen, das einstige Treuelied der SS.7

Wenige Wochen nach dem Vorfall stellte der Landesschulrat klar: Rammerstorfer habe ein „differenziertes Bild“ des Extremismus gezeichnet, der Vortag sei korrekt gewesen und habe den Unterrichtsprinzipien entsprochen. Klargestellt wurde auch: Schulveranstaltungen dürfen in Zukunft durch Interventionen von außen nicht abgebrochen werden.8

Traditionen des Nationalsozialismus

Schon vor dieser Entscheidung war klar: Der Versuch der FPÖ-Führung, politische Aufklärung über burschenschaftliche Aktivitäten als „parteipolitische Beeinflussung“ unterbinden zu lassen, ist rechtlich nicht gedeckt. Aus freiheitlicher Sicht aber macht die Einschüchterungstaktik Sinn. Aufklärung über Geschichte und ideologische Ausrichtung der Burschenschaften sowie über ihre Verbindungen in die Rechtsextremisten- und Neonaziszene könnten sich auf dem Weg zur Macht als sperriges Hindernis erweisen.

In einem Erkenntnis hat der österreichische Verfassungsgerichtshof 1985 festgestellt: „Die kompromisslose Ablehnung des Nationalsozialismus ist ein grundlegendes Merkmal der wiedererstandenen Republik.“ Österreichs deutschnationale schlagende Verbindungen (die deutlich extremer ausgerichtet sind als die Mehrzahl der deutschen Burschenschaften) scheinen sich daran nicht gebunden zu fühlen. Unzählige Beispiele belegen, dass sie sich aus den Traditionen des Nationalsozialismus nie befreit haben, wie in diesem Buch dokumentiert ist.

Burschenschafter fordern die Aufhebung des Verbotsgesetzes, womit nationalsozialistische Wiederbetätigung erlaubt wäre.

Burschenschaftliche Publikationen verharmlosen die Verbrechen der Nazis, verbreiten die Auschwitz-Lüge und glorifizieren Nazi-Verbrecher.

Burschenschafter nehmen an Neonazi-Veranstaltungen teil, treten für neonazistische Organisationen als Redner auf, veranstalten neonazistische Sommerlager, die sich am Vorbild der NS-Sommerlager orientieren, bewerben Vortragsveranstaltungen mit Nazi-Sujets.

Burschenschafter beteiligen sich an Traditions-Veranstaltungen der Waffen-SS, die für die schlimmsten Verbrechen der NS-Geschichte, die blutigsten Massaker an Zivilisten, die grauenvollsten Massenerschießungen von Kriegsgefangenen und nicht zuletzt für die Bewachung der Konzentrations- und Vernichtungslager verantwortlich war.*

Burschenschafter bekleiden Spitzenfunktionen im rechtsextremen WITIKO-Bund, in dessen Publikationen sich Textstellen wie diese finden: „Zu den gewaltigsten Geschichtslügen der jüngsten Vergangenheit zählen die sechs Millionen ermordeten Juden.“9

Burschenschaften fördern rechtsextreme und rassistische Aktivitäten der Jugend auf unterschiedlichste Art, z. B. indem sie deren neonazistische Agitation durch ein Preisgeld belohnen, wie das die Burschenschaft Libertas getan hat.

Burschenschaften betreiben neonazistische Indoktrination des studentischen Nachwuchses durch sogenannte „Bildungsveranstaltungen“, bei denen Europas Elite der braunen Brandredner auftritt.

Burschenschaften gewähren Neonazis aus der Gewaltszene Unterschlupf und juristischen Beistand.

Die bekanntesten Neonazis Österreichs sind aus Burschenschaften hervorgegangen. Die schlimmsten politisch motivierten Verbrechen und Gewalttaten der Nachkriegsgeschichte – von Tötungsdelikten über Brandanschläge und Straßenschlachten bis zur Schändung jüdischer Friedhöfe – wurden von Burschenschaftern verübt.10

Die von Wissenschaftlern vielfach vertretene Meinung, die ideologische Ausrichtung von Burschenschaften sei unterschiedlich radikal, schwanke zwischen neonazistisch und national-konservativ, wird von Informanten aus dem Burschenschafter-Milieu relativiert. Diese sprechen von einer „weitgehenden ideologischen Homogenität“, die durch verbindliche Statuten der Dachverbände vorgegeben und durch Konformitätsdruck aufrechterhalten wird, der nur in Ausnahmefällen auf echten Widerstand stößt.11

Vermeintliche Unterschiede ergeben sich aus der öffentlichen Darstellung. Während große und zahlenmäßig starke Burschenschaften durch Publikationen, gedruckte Einladungen und aufwendige Internet-Auftritte Einblicke in ihr ideologisches Innenleben geben, arbeiten kleine Burschenschaften nach Art politischer Stammtische weitgehend im Verborgenen.

* Die Zeitung „Für die Waffen-SS“ hat sich 1944 bei den Mitgliedern ausdrücklich dafür bedankt, dass „das Gift der inneren Zersetzung niemals wieder in den Volkskörper der Heimat gelangen konnte“.

Stille Machtergreifung

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