Читать книгу Eingezogen. Ein Wehrpflichtiger der NVA erinnert sich. - Hans-Joachim Grünitz - Страница 10

Exerzierausbildung

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Das wichtigste beim Militär ist zu wissen, wie man sich zu bewegen hat. Für jede Lebenslage, Gangart, Drehung oder Formation gibt es eindeutige Befehle. Das erleichtert im Kriegsfall den geordneten Gang in den Tod oder, was dann doch angenehmer wäre, den Rückzug nach dem Motto: »Kameraden, die Welt ist rund, wir greifen von hinten an!«. Wie auch immer, Bewegung zu erlernen hieß im Dienstplan »Exerzierausbildung«. Zwar langweilig aber nicht sonderlich anspruchsvoll, sollte man meinen und, außer dem Paradeschritt, von körperlicher Anstrengung her zu ertragen. Also eine der leichteren Übungen. Selbstverständlich fand das Ganze auf dem Kasernenhof statt und bei solchen Aktivitäten mußte man unwillkürlich an die alten Preußen denken. In der Tat dauerte es aber doch seine Zeit, bis alle Soldaten diesen hochwichtigen Part beherrschten, denn scheinbar wußte nicht jeder wo links oder rechts ist, eine der grundlegenden Voraussetzungen für erfolgreiches Exerzieren. Irgendwann nach zahlreichen Tobsuchtsanfällen der Ausbilder und ebensovielen Strafrunden schaffte unser Zug und natürlich auch alle anderen es doch. Der Grundstein war gelegt, und künftig war das räumliche Dirigieren der Truppe mit kurzen Worten möglich, egal wohin es ging.

Sehr beliebt in diesem Zusammenhang war der Marsch im Gleichschritt mit gesungenem Lied. Talentierte konnten sich austoben. Die eine oder andere Stimme war in beeindruckendem Klangvolumen zu vernehmen, so daß man dachte, man sei in einem russischen Männerchor. Dagegen kämpften allerdings die falschen Töne mit großem Erfolg an. Probleme bereitete meist der zu singende Text. Zwar wurde dieser eigens im Unterricht vermittelt, irgendwann einigte man sich aber dann doch auf nur ein oder zwei Lieder. Meine Singbereitschaft ging immer nur soweit, daß ich einfach mit dem Mund wackelte. Äußerst unbeliebt war der sogenannte Exerzier- oder Paradeschritt. Eine Gangart, die nicht gerade der Natur abgelauscht und somit also äußerst anstrengend war. Mit durchgedrückten Knien, die Beine beinahe bis zur Waagerechten hochreißend, hatte man Mühe, vorwärts zu kommen. Aber unerläßlich, denn dieser Schritt war für die spätere Vereidigung vorgesehen. In weiser Voraussehung allerdings nur für eine kurze Wegstrecke.

Wir lernten nacheinander alle für das militärische Leben wichtigen »Unterordnungsübungen« wie z.B. Grußanweisungen mit und ohne Mütze, wie man sich zu melden hat, wie man einen Vorgesetzten anspricht, wenn ein noch höherer Vorgesetzter im Raum ist, was man zu sagen hat, wenn man den kargen Sold empfängt und und und. Es war an alles gedacht. Wenn im Gebäude keine Kopfbedeckung getragen wurde, hatte man einen Vorgesetzten mittels einer sogenannten Blickwendung zu grüßen. Dabei waren bestimmte Abstände, vor und nach dem Vorbeigehen, einzuhalten.

Eines Tages lief ich den Flur in der Kaserne entlang, da kam mir ein BU entgegen. Dieser Mensch war von kleinem Wuchs, wofür er ja nichts konnte, aber irgendwie mußte der einen Schaden, um es vorsichtig auszudrücken, in seiner Psyche davongetragen haben. Jedenfalls wendete ich im Vorbeigehen meinen Kopf und blickte ihn vorschriftsmäßig an. Der BU tat gleiches, allerdings riß der seinen Kopf so herum, daß man das Knacken der Halswirbel hören konnte und verzog sein Gesicht dabei dermaßen zu einer Grimasse, man kann sagen »Gesicht zur Faust geballt«, daß ich nicht so recht wußte, will der mich nun verscheißern, hat er was gesoffen oder siehe oben! Ich nehme an, es war der lange Dienst und die Jahre, die noch vor ihm lagen. Im Übrigen gehörte dieser BU zu den unangenehmen Typen, die mangels Intellektes nur kraft ihres Dienstgrades über ihre Untergebenen herrschten. Solche Leute waren unberechenbar, da sie ihren Geist, wenn überhaupt welcher vorhanden war, vor dem Kasernentor zurückgelassen hatten.

Eingezogen. Ein Wehrpflichtiger der NVA erinnert sich.

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