Читать книгу Eingezogen. Ein Wehrpflichtiger der NVA erinnert sich. - Hans-Joachim Grünitz - Страница 16
Hierarchisch
ОглавлениеWir lümmelten dann in der Stube herum, quatschten, rauchten, tranken Club-Cola oder Limo und ärgerten uns über die militärisch unbequemen Hocker, auf denen wir sitzen mußten. Die Einrichtung der Unterkünfte erfolgte, wie alles in der Armee, streng hierarchisch. Den Mannschaftsdienstgraden standen eben nur Hocker, Doppelstockbetten mit sehr dünnen Kopfkissen und schmale Spinde zur Verfügung, während die Uffze Stühle, Einzelbetten mit dicken Federkopfkissen und breitere Schränke hatten. Aber die mußten ja auch länger bleiben. Und die, die ganz lange blieben, denen sei es vergönnt, hatten Sessel, bequeme Holzbetten und kleine Schrankwände im Zimmer. Ja, die Hierarchie war allgegenwärtig. Eben nicht nur im Verhältnis der Genossen untereinander mit ihren unterschiedlichen Dienstgraden, Rangabzeichen und sonstigen Effekten, sondern auch in den Ausstattungsmerkmalen. Offiziere hatten im Winter einen Webpelzkragen. Nun stellt sich die Frage, ob der einfache Soldat weniger kälteempfindlich ist? Übrigens gab es BUs, Berufsunteroffiziere, die hatten auch einen Webpelzkragen. Bis heute weiß ich nicht, ob der ihnen denn tatsächlich zugestanden hat.
Und die Hierarchie machte sich auch in den Rechten der Armeeangehörigen bemerkbar. Zum Beispiel durfte nur ein Offizier in der MHO alkoholische Getränke kaufen. Trinken durfte er sie aber innerhalb des Kasernenengeländes nicht. Das war laut Dienstvorschrift grundsätzlich verboten. Grundsätzlich durchzusetzen war das Verbot jedoch kaum. Vor allem die Offiziere und Unteroffiziere begleitete nicht selten nur die »Truppenstandarte«. Obwohl strengstens verboten, war Alkohol ein immer wieder auftretendes Problem. Gelegentlich gelang es auch uns etwas zu schmuggeln. Postpakete, von den Angehörigen verschickt, wurden allerdings vom Hauptfeld immer argwöhnisch geschüttelt. Es hätte ja was gluckern können. Dann war Paketaufmachen angesagt. Die konfiszierten Flaschen bekam man im günstigsten aber seltenen Fall bei Heimreise zurück, im ungünstigsten Fall wurden sie im Beisein ausgekippt und im für den Hauptfeld günstigsten Fall von diesem und seinen eng Verbündeten ausgetrunken. Der Einfallsreichtum, Alkohol zu schmuggeln, war enorm. Aufwendig getarnt, z.B. in Konservendosen oder anderen unauffälligen Verpackungen, oder gar in Paketen mit doppeltem Boden, wurde versucht, die begehrte Flüssigkeit in die Kaserne zu schicken. Der Spieß, oft mit jahrelanger Berufserfahrung, kannte aber auch sämtliche Tricks und es hing von seiner Laune ab, ob er kurz nach Paketausgabe urplötzlich in der Soldatenstube erschien. Ja, es gab auch Zeiten, da konnte man denken, es gelte der Satz »Leben und leben lassen«. Diese Momente waren allerdings recht selten. Und wenn der Schnaps dann doch in den Kehlen der Vorgesetzten verschwand, hätte man sich zwar beschweren können, aber zum einen war der Dienstweg der Beschwerde lang und zum anderen war man ja durch den Besitz des Feuerwassers im Unrecht.