Читать книгу Die Elegien des Properz - Hans Peter Syndikus - Страница 15
2. Elegie
ОглавлениеDas Gedicht gibt sich als Ansprache und Mahnung an Cynthia, aber im Grunde macht es vor allem den Leser des Gedichtbuchs mit den Lebensumständen der angebeteten Frau bekannt. In der 1. Elegie hatte sie Properz als das Thema seiner Elegiendichtung vorgestellt. Die folgenden Gedichte entfalten nun dieses Thema. Gewiß hätte Properz gerne die einzigartige Geliebte über alles erhöht, wie es die fortwährenden Mythenvergleiche zeigen. Aber zu dieser Idealisierung paßte offenbar Cynthias Lebensrealität nicht. Cynthia, wie sie Properz schildert, war wie Catulls Lesbia oder Gallus’ Lycoris eine Frau von hoher Kultur, die literarische Bildung besaß. Sie hatte aber alles andere eher im Sinn, als ein Leben nach altrömischer Weise zu führen. Wie in den nächsten Elegien schrittweise immer deutlicher wird, war sie im Grunde eine Courtisane, wenn auch eine von hohen Graden. Properz war keineswegs ihr einziger Liebhaber.
Vor diesem Hintergrund erhält die Mahnung unseres Gedichts, auf übertriebenen modischen Schmuck und verführerische Aufmachung zu verzichten, ihren eigentlichen Sinn.35 Das was hier aufgeführt wird, waren ja gerade die Mittel, mit denen die mondäne Damenwelt Roms die Männer an sich lockte.36 Dem Wortlaut nach möchte also Properz Cynthia davor bewahren, durch etwas vulgäre Mittel ihre natürliche Schönheit zu beeinträchtigen, so wie in einer plautinischen Szene eine erfahrene Alte einer etwas naiven Jungen nahebringen möchte, daß eine nackte Schönheit viel anziehender wirke als eine purpurverbrämte.37 Aber Properz meint mehr. Wie etwas versteckt Vers 23 zu verstehen gibt, leidet er unter Cynthias Lebenswandel und möchte, daß sie sich auf ihre eigentlichen Vorzüge besinnt. Wenn er das nicht deutlicher sagt, sondern nur Frisur, Kleidung und Parfüms nennt, geschieht das, um die Freundin nicht zu verletzen.38
In Vers 1 spricht der Dichter die Geliebte persönlich an. Er nennt sie mit einem üblichen Liebeswort sein Leben.39 Er will es sichtlich vermeiden, als üblicher Sittenprediger zu erscheinen, und möchte als besorgter Freund sprechen. In der ersten Verspartie, in den Versen 1–8, will er die Geliebte davon abhalten, durch falsche Künste ihre natürliche Schönheit zu verderben.40 Kopfschüttelnd fragt er, warum sie so sehr darauf bedacht ist, sich mit allen Raffinessen kosmetischer Kunst zu schmücken. Er erwähnt ihre luxuriöse Frisur, ihr zartgewirktes koisches Kleid41 und ein orientalisches Parfüm, wobei er mit mehreren Worten das Fremdländische, also Unitalische eines solchen Luxus betont. Daß das eben die Mittel sind, mit denen die mondäne Frauenwelt Roms die Männer anlockt, läßt Properz natürlich unausgesprochen; er schiebt in den Vordergrund, daß solcher Flitter die natürliche Schönheit verderbe, ja daß der nackte Amor solche künstlichen Reize nicht schätze, daß sie also keine wahre Liebe erwecken könnten. Schönheit und Liebe sind also durchaus Werte, die Properz hochhält, aber natürliche Schönheit und echte Liebe, nicht der Talmiglanz und die Liebschaften des mondänen Rom.42
In der nächsten Partie, in Vers 9–14, wird der Gedanke, daß ungeschminkte Natur am schönsten ist, durch Beispiele aus der Natur nahegebracht.43 Die Geliebte solle auf die Natur blicken; Die sprießenden Blumen und Pflanzen, 44 das sprudelnde Bächlein, die bunten Kieselsteine am Strand und die zwitschernden Vögel seien schönere Erscheinungen als alle Künstlichkeit.45 Wie H. Tränkle durch Untersuchungen der Wortwahl nahelegt, scheinen im Hintergrund dieser Partie Naturschilderungen der Neoterikergeneration zu stehen.46 Auch Naturdarstellungen in Virgils Bukolika und bei Tibull zeigen verwandte Züge. In ihnen wird eine unverfälschte Natur, also eine der Überfeinerung des damaligen Rom entgegengesetzte Welt gepriesen. Anderer Ansicht war allerdings Ovid in seiner Ars (3,101–128). Ihm gefällt die Verfeinerung in Schönheitspflege und Kleidung wie der Glanz und Luxus des ‚goldenen‘ Rom seiner Gegenwart, und die sonst so gelobte Frühzeit erscheint ihm roh und bäuerisch.
Die Lehre der Natur sollen dann in den Versen 15–22 vier Mythenbeispiele untermauern, wie sie die blühenden Frauengestalten der römischen Wandmalerei nahelegen konnten, auf die dann Vers 22 durch den Vergleich mit Apellesgemälden unmißverständlich hinweist. Vier Heroinen der griechischen Sage werden genannt, die Götter und Menschen durch ihre natürliche Schönheit, nicht durch falschen Flitter angezogen haben: die Töchter des Leukippos, Marpessa und Hippodameia. Von allen wird berichtet, daß um ihren Besitz heftiger Streit entbrannte, daß sie dann aber einem Gatten treu angehörten. Marpessas und Hippodameias Liebe wird besonders gerühmt, jene zog ihren Freier Idas sogar dem Gott Apollon vor, diese gab, um Peleus zu retten, ihren grausamen Vater dem Verderben preis.47 Der Glanz der fernen mythischen Welt wird dabei durch eine ungewöhnliche Häufung klangvoller griechischer Namen vergegenwärtigt.48 In Vers 22 wird die ungeschminkte Schönheit dieser Heroinen mit Bildern, die der Maler Apelles schuf, verglichen. Natur erscheint also als Kunst von höherer Art als alle Künstlichkeit
Daß es Properz aber nicht nur auf das ästhetische Urteil ankommt, daß Natur schöner als Künstlichkeit ist, zeigt das Lob der vier Heroinen in Vers 23f. Sie suchten nicht viele Liebhaber anzulocken. Dieses vulgo conquirere amantis in Vers 23 verweist vom Mythenexempel auf die gegenwärtige Situation.49 Die Vorstellung, daß die vier Heroinen in der Menge Liebhaber gesucht hätten, ist absurd, aber bei Cynthia ist der Gedanke offenbar nicht so abwegig. Doch Properz beläßt es bei dieser Andeutung und rühmt dann positiv die Tugend jener Heroinen. Ihre keusche Liebe (pudicitia) verschaffte ihnen genug Anziehungskraft, sie brauchten keine künstlichen Schönheitsmittel wie Cynthia. Properz hätte offenbar sehr gewünscht, daß er auch so geliebt werde (Vers 25),50 und hält der Geliebten das Ideal vor Augen, das er so gern in ihr verwirklicht sähe: Wenn ein Mädchen einem gefalle, sei sie genügend verehrt.51
In den Schlußdistichen, Vers 27–32, zeigt Properz, daß das von den Heroinen vorgelebte Ideal auch im Falle von Cynthia erstrebenswert wäre.52 Schmeichelnd zählt er die Vorzüge auf, die die kultivierte Cynthia besitzt und die niemand wie er, der Dichter, zu würdigen weiß: Sie verfasse selbst Verse, spiele die den Musen geheiligte Leier und ihr Gespräch habe eine einzigartige Anmut und Eleganz. Alle Gaben, die Venus und Minerva, die Göttinnen der Liebe und der Kunst, zu spenden vermögen, seien in ihr vereint.53 Properz kommt hier zum ersten Mal auf die musischen Gaben und das Kunstverständnis Cynthias zu sprechen.54 Sie war eine docta puella, die eine literarische Bildung wie Sallusts Sempronia besaß oder wie sie Catull bei der Geliebten eines Freundes rühmt.55 Properzens Tragik ist, daß im damaligen Rom solche Eigenschaften mit einem sehr lockeren Lebenswandel einherzugehen pflegten.
In dem pointiert gesetzten Schlußdistichon versichert er, daß er es an treuer Liebe nicht fehlen lassen werde: Cynthia werde ihm, solange er lebe, teuer sein, wenn sie nur von dem elenden Flitter lasse. Daß mit diesem Hang zu äußerer Gefallsucht mehr gemeint ist, wird natürlich nicht wiederholt.