Читать книгу Die Elegien des Properz - Hans Peter Syndikus - Страница 17
4. Elegie
ОглавлениеDer in Vers 1 und 12 angesprochene Bassus gehörte wie der in der 7. und 9. Elegie angeredete Ponticus zu Properzens poetischem Zirkel, dem später auch Ovid nahestand.81 Dies legt nahe, daß der Dissens in Liebesfragen, von dem in der Elegie die Rede ist, nicht so sehr eine Meinungsverschiedenheit im Leben, als eine grundsätzliche literarische Abgrenzung war, so wie Horaz in den an Elegiker gerichteten Oden 1,33 und 2,9 umgekehrt die elegische Grundhaltung kritisiert. Auf Literarisches deuten auch Bassus’ Schönheitsidole Antiope und Hermione, also berühmte Schönheiten der Sage. Ob freilich Bassus in seinen Gedichten tatsächlich eine andere Liebesauffassung vertreten hat, wissen wir nicht, von seiner Dichtung hat sich nichts erhalten. Ovid nennt ihn einen Jambendichter, zu dem das Rühmen der Schönen in Gegenwart und Sagenwelt in den Versen 1–7 an sich wenig paßt, aber Bassus kann natürlich auch auf anderen poetischen Feldern tätig gewesen sein.
Die Auseinandersetzung mit der Haltung des Freundes geschieht nicht ohne Selbstironie. Wie in der 1. Elegie weiß Properz genau, daß man über seine ausschließliche Bindung an Cynthia den Kopf schütteln konnte, aber andererseits weiß er ebenso, daß ihre Anziehungskraft so stark ist, daß er sich aus dieser Bindung nicht lösen kann. So ist er auf den Freund, der dies versucht, nicht zornig, sondern er legt ihm seine Lage dar, wie er sie sieht.82 Bassus’ Mahnung, statt der Leidenschaft für eine einzige Frau auch die Reize anderer Mädchen wahrzunehmen, wie er es offenbar selbst tut, kann er nicht folgen. Er bittet den Freund, ihn in seiner Versklavung zu lassen, in der er bis an sein Lebensende ausharren möchte. Properz charakterisiert seine Liebe dabei auf keineswegs sehr anziehende Weise: Er nennt die Geliebte wie schon in der ersten Elegie, Vers 21, seine Herrin, seine Gebieterin (domina). Einem freien Römer mußte ein Zustand solcher Abhängigkeit an sich widerwärtig sein, und man versteht, daß Bassus den Freund aus einem solchen Verhältnis befreien möchte. So wird eine gewisse Spannung erzeugt: Der Leser wird neugierig gemacht, was dem Dichter diesen Zustand so anziehend erscheinen läßt.
Properz legt zuerst negativ dar, daß keine der Sagengestalten,83 die Bassus rühmt, geschweige denn die mondänen Mädchen Roms an Cynthias Schönheit heranreichen (Vers 5–10). Dann preist er sie positiv: Die Schönheit ihrer Gestalt sei noch das mindeste. Ihr natürliches, edles Gesicht,84 ihre Kultiviertheit85 und endlich ihre erotischen Reize seien noch überzeugendere Gründe für seine Leidenschaft.86 Und je mehr Bassus die Liebenden zu trennen versuche, desto fester hielten sie am beschworenen Bund fest (Vers 11–16). Daß der Liebesbund durch einen Treueschwur bekräftigt wurde, sagt Properz hier zum ersten Mal, aber ganz allgemein nimmt man ein solches Versprechen als selbstverständlich an.87 Und anders als in anderen Gedichten scheint hier das Glück vollkommen zu sein, weil beide, der Liebende und die Geliebte, die Treue bewahren.
Im Schlußteil der Elegie (Vers 17–28) droht der Dichter: Wenn Cynthia von Bassus’ Absicht erfährt, werde er das schwer zu büßen haben. Sie werde ihn nicht mehr mit dem Freund zusammenkommen lassen und die Warnung fast burlesk übertreibend fährt er fort, Cynthia werde diese schwarze Tat nicht vergessen; sie werde nichts mehr von ihm wissen wollen und werde ihn bei allen Mädchen Roms anschwärzen, ja an allen Altären und heiligen Steinen Roms88 werde sie ihn weinend anklagen. Nirgends werde er mehr willkommen sein, was für Bassus, der die wechselnde Liebe vieler Mädchen sucht, ja ein schlimmes Los wäre. Den Grund für diesen zu erwartenden Zornausbruch geben die Verse 25–27 an. Für Cynthia wäre es das Schlimmste, wenn durch den Raub ihrer Liebe der Liebesgott nicht mehr ihr Leben regierte.89 Wenn auch der sich überschlagende Ton dieser Partie kaum ganz ernst ist, wird doch in der Schilderung des Zornausbruchs, ihrer Wut, ihres leidenschaftlichen Weinens und ihrer Rachsucht ein ganz neuer Charakterzug an Cynthia offenbar, der dann auch in der nächsten Elegie, Vers 7–12, in den Mittelpunkt gestellt wird. Cynthia soll so sichtlich als geradezu furchterweckende Herrscherin in ihrem Reich erscheinen. Zu ihrer Charakterisierung soll wohl auch beitragen, daß sie bei allen Mädchen Roms, d. h. bei den leichten Mädchen, wohlbekannt ist. Ihre gesellschaftliche Stellung scheint nicht die ehrbarste zu sein. Aber den verliebten Dichter stört das offenbar nicht im mindesten; so prallen Bassus’ Worte wirkungslos von ihm ab.
Mit dem Wunsch, daß die Liebe zu Cynthia, die ihm Bassus ausreden wollte, immer erhalten bleibe90 und daß Cynthia ihm nie Grund zu einer Klage gebe, schließt das Gedicht. In der Charakterisierung Cynthias und in der Schilderung ihrer Kreise und andererseits in dem festen Willen des Dichters, an diesem seine Freiheit raubenden Verhältnis festzuhalten, zeigt Properz recht schonungslos auf die Absurdität dieser Leidenschaft, dieses Wahnsinns, wie er Vers 11 sagt. Aber der Reiz, besonders auch der hier nur angedeutete erotische Reiz dieser Frau ist so groß, daß der Liebende ihr unrettbar verfallen ist.