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7. Elegie
ОглавлениеIn diesem Gedicht folgt eine weitere Gegenüberstellung. Properz stellt sein Leben und nun vor allem die ihm entsprechende Dichtung etwas in Rom Herkömmlichem gegenüber. Wie der hier angesprochene Poet Ponticus hatte man in Rom schon lange ernste Epen in hohem Stil verfaßt. Ponticus, der, wie Ovid berichtet,120 in Properzens poetischem Zirkel als Epiker bekannt war, steht also in einer langen Tradition, in der die in Rom geschätzten Tugenden hochgehalten wurden. Mit dem Vorhaben, eine Thebais zu verfassen, wählte er zwar kein Thema aus der römischen Geschichte, aber ein ausgesprochen kriegerisches Thema war das gewiß.
Auch Properzens Position ist nur scheinbar bloß persönlich, auch er steht in einer Tradition, in der die berühmte Gegenüberstellung in Kallimachos’ Aitienprolog variiert wurde. Kallimachos hatte den späten, wenig kunstvollen Epen seiner Zeit seine eigenen, jeden Vers feilenden und mit vielem spielenden Gedichte gegenübergestellt. Aber auch inhaltlich bestand ein Gegensatz zu den heroische Taten ausbreitenden Epen. Diesen Gegensatz betont Hermesianax, fr. 7,35ff. Powell. Er rühmt Mimnermos, den ersten Elegiker ob des süßen und weichen Klanges seiner Verse und sieht im Liebesthema den Mittelpunkt seiner Dichtung. Einen späten Nachklang dieser Gegenüberstellung zeigt das 23. Gedicht der Anacreontea: Der Dichter wollte von den Atriden und Kadmos singen, aber seine Saiten tönten nur von Liebe. Dann wollte er die Taten des Herakles rühmen, aber wieder klang von seinem Instrument nur die Liebe.121 Der Grundcharakter der Elegie, wie ihn die Römer sahen, ist also schon in diesen griechischen Beispielen betont.122 Daß es Properz auf diese literarische Tradition ankam, zeigt Vers 19: Ponticus werde in einer Liebesnot keinen mollem versum schreiben können, also nicht in der für die elegische Dichtung bezeichnenden Art dichten können.123
In den ersten acht Versen werden die beiden Formen der Dichtung, die des Freundes und die eigene, einander gegenübergestellt. Der Freund habe einen hohen Gegenstand gewählt, den heroischen Kampf um das alte Theben. Properz hebt seine Kühnheit hervor, wenn er sagt, er wetteifere mit dem größten Dichter Homer, in dem man ja den Autor der griechische Thebais sah.124 In den Versen 5–8, in denen Properz diesem hohen Thema sein eigenes Dichten gegenüberstellt, geschieht das mit recht bescheidenen Worten. Er kennt nur ein Thema, seine Liebe, und sein Ziel ist höchst privat, er will die stolze ‚Herrin‘ sich günstig stimmen. Bescheiden klingt auch, wenn er sagt, daß die Quelle seiner Dichtung weniger sein ingenium sei als sein Liebesleid (Vers 7).125 So nimmt er hier die Aussage des Prologgedichtes des 2. Buches vorweg, daß ihn nicht Apollon oder die Muse zu seiner Dichtung inspirieren, sondern allein die Geliebte;126 er verhehlt aber auch nicht, daß ihm die Liebe vor allem Schmerzen bringt, die er in seinen Versen beklagen muß.
In den nächsten Versen 9–14 knüpft Properz zunächst an das Vorige an: So vergehe sein Leben. Aber dann klingt ein neuer Ton auf: Das mache ihn bekannt. Properz, der eben noch so bescheiden schien, glaubt, daß eben diese Dichtung eine Leistung sei, von der er sich Ruhm erhofft. Man solle ihn dafür bewundern, daß er der für die Poesie aufgeschlossenen Geliebten127 einzig gefallen hat, aber auch, daß die Klage über ihre Härte ein Thema seiner Gedichte ist, was ja schon in den Versen 6–8 im Vordergrund stand. Aber die Wirkung seiner Dichtung geht über den privaten Bereich hinaus. Die Liebenden in Rom sollen seine Gedichte eifrig lesen und aus seinen Liebesschmerzen lernen, ihr eigenes Geschick besser zu bewältigen. Seine Elegiendichtung ist also gewiß nicht so hochtönend wie die Ependichtung des Ponticus, aber sie führt mitten in das Leben der römischen Gegenwart und behandelt Themen, die die Jugend der Hauptstadt bewegen.128
Der Gedanken des Nutzens seiner Dichtung für einen Liebenden führt in den Versen 15–20 zu Ponticus zurück. Properz warnt ihn: Die von ihm mißachteten Liebesgötter könnten sich rächen, und Amors Pfeil könnte auch ihn treffen.129 Dann aber nützten ihm seine pathetischen Verse, die Kriegstaten rühmen, nichts, und er würde vergeblich versuchen, sich umzustellen und zu seiner neuen Lage passende gefühlvolle elegische Verse zu schreiben. Die Liebesthemtik und die unpathetische elegische Form werden also bereits hier als die entscheidenden Kennzeichen der eigenen Dichtung gesehen. Diese doppelte Thematik wird ein Grundmotiv in Properzens Poetik bleiben.
In der Schlußpartie, Vers 21–26, malt sich Properz die erwartete Umkehr in Ponticus’ Lebens- und Dichtungssicht aus: Selbst von Liebe erfaßt, würde er Properz als keinen geringen Dichter bewundern und seine Dichtung schätzen lernen (Vers 21f.). Vers 23f. wird dann allgemeiner, nicht nur Ponticus werde ihn als Dichter schätzen, sondern Roms Jugend. Noch an seinem Grabe werde sie ihn rühmen, er habe es verstanden, die in ihren Augen entscheidenden Themen zu behandeln und sie werde ihn ihren großen Dichter nennen. Nach dieser Selbstvergewisserung kann Properz im letzten Distichon mit mehr Überzeugungskraft Ponticus mahnen, seine Dichtung nicht gering zu achten; nicht selten überfalle den Menschen eine späte, dann aber umso heftigere Leidenschaft.130
Die Elegie ist wieder sehr harmonisch geformt. Nach der Gegenüberstellung der fremden und der eigenen Dichtung in Versgruppen von je vier Versen wird die Darstellung breiter. Es folgen zwei Versgruppen von je sechs Versen, und auch der Schlußabschnitt umfaßt wieder sechs Verse. Die Gegenüberstellungen werden sehr betont: Vers 1 dum tibi, Vers 5 nos, nostros, Vers 9–14 hic mihi, hinc ... mei, me, me, Vers 15–20 te quoque. te, tibi, nec tibi, Vers 21–26 tum me, tunc ego, tu cave.
Auch in diesem Gedicht ist eine Gedichtbewegung durch eine Umgewichtung der Themen zu spüren. Zu Beginn wird Ponticus’ Ependichtung als etwas Rühmliches und Staunenswertes gepriesen, Properzens Gedichte dagegen erscheinen als etwas Privates und nicht sehr bemerkenswert. Dann aber sieht man Properz als den vielbewunderten Dichter der Jugend Roms, und in den Schlußpartien der Elegie wird deutlich, daß Ponticus sein hochstilisiertes kriegerisches Epos nichts nützen würde, wenn ihn eine späte Liebe ergreift. Dann würde er die früher wenig geachteten Verse des Properz bewundern und versuchen, in seiner Art zu dichten. Was vorher wenig bedeutend erschien, zeigt sich nun als etwas Erstrebenswertes und Wichtiges.
Die Distanzierung von der kriegerischen Thematik einer Thebais ist zur Beurteilung der späteren recusatio-Gedichte von Bedeutung. Vielfach wird ja vermutet, daß Properz ein kriegerisches Augustusepos rein aus Abneigung gegenüber dem neuen Regiment abgelehnt habe und daß die ästhetischen Gründe und der Hinweis auf eine andere Begabung vorgeschoben seien. Aber die Distanzierung auch von Ponticus’ unpolitischer Thematik zeigt deutlich, daß Properz durchaus auch ästhetische Gründe hatte, ein pathetisches Großepos als wesensfremd zu betrachten.