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9. Elegie

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Für den Liebesdichter wird die Allmacht Amors auch dadurch deutlich, daß er sie nicht nur selbst erfährt, sondern daß auch andere Menschen von ihr bezwungen werden.147 In der 7. Elegie, auf die unser Gedichtbeginn zurückweist, hatte Properz den Dichterfreund Ponticus gewarnt, daß auch er einmal Amors Macht fühlen könnte; dann würde ihm seine kriegerische Ependichtung wenig nützen, und vergeblich würde er sich bemühen, elegische Verse zu schreiben, mit denen er Mädchen beeindrucken könnte. Nun ist das Vorhergesagte eingetreten.148 In den ersten vier Versen wird das Geschehene konstatiert: Ponticus liegt einem Mädchen zu Füßen und wartet auf die Befehle seiner ‚Herrin‘, ja wagt nicht mehr, ein Wort zu äußern, das ihr nicht gefällt. Er ist der Sklave eines Mädchens, das er auf dem Sklavenmarkt gekauft hat.149

In der nächsten Partie, Vers 5–8, empfiehlt sich Properz als kundigen Berater in Liebesdingen. Besser als die prophetischen Tauben von Dodona könne er vorhersagen, wie ein Liebesverhältnis verläuft; seine eigenen schlimmen Erfahrungen hätten ihn klug gemacht. Diese Verse geben dann in der zweiten Gedichthälfte den warnenden Worten, mit denen er dem Freund die kommende Entwicklung vorhersagt, ihr Gewicht.

Die Verse 9–14 nehmen dann ein Motiv der 7. Elegie auf. Als Liebendem nütze dem Freund sein ernstes episches Dichten nichts. Der friedliebende Liebesgott wolle kein erhabenes Schlachtenepos, dessen Ton in gewählten Umschreibungen angedeutet wird; er zieht die einschmeichelnden Verse der Elegie vor. Ponticus solle darum sein begonnenes ernstes Thebengedicht weglegen150 und sich zarten Tönen zuwenden, also Versen, die Mädchen schätzen. In der vorherigen Elegie, Vers 39f., hatte Properz gesagt, er selbst habe die Geliebte nicht durch reiche Geschenke, sondern durch seine einschmeichelnden Verse umstimmen können.151 Auch hier geht der Rat an den Freund natürlich in diese Richtung: Nur durch elegische Liebesverse könne man ein Mädchen gewinnen.

In diesen Versen, die die im Reiche Amors richtige Art des Dichtens zeigen, weist der Dichter, ohne daß der Name fällt, zum ersten Mal auf sein kallimacheisches Stilideal hin. In der Berufungsszene des Aitienprologs hatte Apollon dem jungen Dichter befohlen, die breite Straße des epischen Dichtens zu meiden und zarte Verse zu schreiben. Und wie bei Properz wird bei Kallimachos neben Philitas Mimnermos genannt.152

In Vers 15 wendet sich Properz der Lage des Freundes zu. Er wundert er sich, daß er jetzt schon so verzweifelt und hilflos sei.153 Was würde er erst machen, wenn ihm die Geliebte nicht als Sklavin zu willen sein müßte,154 wenn er wie er selbst durch eine spröde, abweisende Geliebte in einer viel verzweifelteren Lage wäre. Noch sei er erst leicht berührt, und er sagt ihm voraus, daß seine gegenwätigen Liebesschmerzen erst der Anfang seien, der erste Funke eines kommenden Brandes, wie er es mit einem Bild sagt.155

Den vollen Liebesschmerz vergleicht er dann in Vers 19ff. mit einer Verwundung, die im Innersten brennt. Die Qual übersteige alle vorstellbaren Schmerzen. Leichter sei es, armenischen Tigern entgegenzutreten und die Martern eines Ixion in der Unterwelt zu ertragen, übertreibt er. Das Thema leicht variierend, führt der Dichter in Vers 23f. ein anderes Bild ein, das die Unentrinnbarkeit des Eros zeigt: Der Liebesgott lasse seinen Gefangenen wie einen gefangenen Vogel nur einige Flügelschläge frei und dann packe er ihn schnell wieder.156

In Vers 25ff. malt er das kommende Verhängnis weiter aus: Der Freund könne sich nicht darauf verlassen, daß die Geliebte als Sklavin in seiner Gewalt sei (Vers 25); wenn sie auch seine Sklavin ist, unterjoche sie ihn so, daß er die Augen nicht mehr von ihr wenden kann. Ihr verfallen, sei er den Launen des Mädchens ausgeliefert, sein ganzes Leben müsse um sie kreisen.157 Amors Gewalt werde aber erst dann ganz offenbar, wenn er ihn bis ins Mark verwundet habe,158 also ihn ganz in seiner Gewalt habe. Zum Schluß gibt Properz dem Freund in der Rolle des Liebeskundigen, die er zu Gedichtbeginn eingenommen hatte, einige Ratschläge: Er solle keinen verführerischen Schmeicheleien glauben, die schon Stärkere verführt hätten. Vor allem aber solle er ihm seinen Fall offen bekennen. Ein Liebesgeständnis erleichtere wenigstens.159 Und vielleicht könne er als Kundiger in Liebesdingen helfen.

Die Leidenschaft, die den Freund ergriffen hat, und die, wie Properz klar sieht, sich noch steigern wird, ist nicht anders als seine eigene Liebesleidenschaft charakterisiert.160 Vor allem hebt er die Schmerzen und Qualen eines solchen Zustands hervor. Er sieht den Freund wie sich selber willenlos in der Gewalt der Leidenschaft und willenlos den Launen der Geliebten ausgeliefert. Die Befürchtung der 7. Elegie, daß Ponticus seine kriegerische Dichtung nichts nützen werde, wenn ihn eine Leidenschaft ergriffen hat, braucht nicht wiederholt zu werden, ja man hat den Eindruck, daß ihm in seinem jetzigen Zustand eine weitere Arbeit an seinem Eposprojekt unmöglich sein wird. Ob dem Ungeübten aber statt dessen elegische Verse gelingen, hat Properz schon in der Elegie 7,20f. bezweifelt.

Die Elegien des Properz

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