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16. Elegie

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In dieser Elegie variiert der Dichter die herkömmliche Form eines Paraklausithyrons, der Klage eines Ausgeschlossenen vor der Türe der Geliebten.242 Properz wollte sichtlich auch diese traditionelle Form einmal behandeln, aber andererseits die Geliebte nicht offen mit allen Zügen einer Hetäre zeichnen.243 So wählte er eine kunstvoll-künstliche Gedichtsituation: Er läßt die verschlossene Türe als Augenzeuge die Sprecherin sein, die im Hauptteil des Gedichtes die Klage des Ausgeschlossenen wörtlich berichtet. Vorbild für dieses Aneinanderfügen von zwei Sprechern konnte die Technik Catulls in einigen seiner großen Gedichte sein. Auch eine Türe findet sich schon bei Catull im 67. Gedicht als Sprecherin, in dem der Dialog eines neugierigen Befragers mit einer die Geheimnisse des Hauses verratenden Türe wiedergegeben wird. Aber daß man unbelebte Dinge wie Menschen sprechen läßt, ist in der antiken Literatur ein gar nicht seltenes Mittel der Verlebendigung.244

Wie die Türe im 67. Gedicht Catulls blickt die Türe in den beiden ersten Distichen auf eine bessere Zeit zurück. Sie war bekannt für altrömische Sitte.245 Daß sie nur dem Einen geöffnet war, wird durch ein Bild vergegenwärtigt: Sie war für triumphale Einzüge geöffnet, die in Einzelheiten vorgestellt werden: Über ihre Schwelle zogen vergoldete Triumphwagen, und sie war feucht von den Tränen der Gefangenen. Diese triumphalen Einzüge müssen allegorisch gemeint sein. Einige Kommentare nehmen zwar an, daß die Verse an wirkliche Triumphe von Vorfahren der Familie erinnern wollen, aber mag auch in einem vornehmen Atrium neben Spolien das Denkmal eines Vorfahren in Form eines Triumphwagens gestanden haben (Juv. 7,125–129; 8,2–3), Triumphzüge (Plural!) mit weinenden Gefangenen zogen nicht über die Schwelle eines Privathauses, sondern zum Juppitertempel auf das Kapitol. Das Bild eines Triumphzuges für höchstes Glück oder höchste Macht lag einem Römer nahe. So vergegenwärtigte Ovid die Macht Amors. Er läßt in den Amores 1,2,23–42 den Liebesgott unter dem Beifall des Volkes in goldenem Triumphgewand und auf goldenem Wagen einziehen. Als Gefangene folgen Männer und Mädchen und als frische Beute der Dichter selbst. Gefesselt sind Vernunft und Schamgefühl, Gefolgsleute aber sind Schmeichelei, Verblendung und Raserei.

In Vers 5 wendet sich der Dichter mit einem betont an den Anfang gesetzten nunc der schlimm veränderten Gegenwart zu: Vor der Türe spielt sich ein nächtliches Treiben ab, wie es bei umschwärmten Hetären geschildert wird.246 Die Türe ist personifiziert, sie spricht wie eine alte Dienerin, die über die Verwandlung ihrer Herrin entsetzt ist. Zuerst klagt sie darüber, was ihr von den trunkenen Nachtschwärmern angetan wird. Mit Faustschlägen werde sie beschädigt, mit Symposionskränzen behängt, und verloschene Fakeln liegen vor ihr, die ein Abgewiesener liegen ließ.247 Sie könne den Ruf ihrer tief gesunkenen Herrin nicht schützen, sie selbst, die einst mit Respekt betrachtet wurde, werde ja mit hingekritzelten oder angehefteten schamlosen Versen verhöhnt.248 Dennoch könne dieser Hohn die Herrin nicht bewegen, auf ihren Ruf bedacht zu sein und kein Lotterleben à la mode zu führen.249 In den Versen 13–16 ist die Türe dann von Mitleid mit dem einst einzig Geliebten bewegt, der nun verschmäht in langen Nächten vor ihr liegt.250 Sie weint und beklagt den Armen, auch wenn er sie durch sein lautes Klagen um den Schlaf bringt.

In den Versen 17–39 gibt dann die Türe das Klagelied des Ausgeschlossenen in einer wörtlichen Rede wieder. Properz nimmt dabei traditionelle Motive des sogenannten Paraklausithyrons auf.251 Wie Tibull in der Elegie 1,2 redet der Ausgeschlossene in den Versen 17–26 die Türe an, als ob sie ein hartherziger Türhüter wäre,252 der den Flehenden nicht einläßt. Die Türe, die eben noch als von Mitleid bewegt geschildert wurde, wird nun, da sie ja stumm und unbeweglich dem Verzweifelnden verschlossen ist, als bar jeden Mitleids empfunden. Grausamer als die Herrin selbst schilt sie der Ausgeschlossene,253 und in einer Folge empörter Fragen wirft er ihr vor, daß sie den Liebenden nicht einläßt, ja nicht einmal mitleidig sein Flehen meldet und daß die Türschwelle sein schimpfliches Lager sein wird. In den Versen 23–26 steigert sich der Ton der Klage. In einem pathetisch dreimal wiederholten me beklagt der Ausgeschlossene sein Schicksal. Dabei nennt er drei Phasen der Nacht, Mitternacht, die sich zum Untergang neigenden Sterne (Text: prona) und schließlich den nahenden Morgen, um die sich immer mehr steigernde Kälte der fortschreitenden Nacht zu vergegenwärtigen,254 die Türe aber, die Vers 25 erneut vorwurfsvoll angeredet wird,255 bleibt starr und unbeweglich, ganz und gar ungerührt von menschlichen Schmerzen.256 Diese leidenschaftliche Anrede an ein totes Ding hat etwas Absurdes an sich, aber das gehört zu dem übersteigerten Ton eines Paraklausithyrons.

In den Versen 27–34 verändert sich der Ton. Der Liebende wünscht, daß wenigstens seine Stimme durch eine Ritze der Türe an das Ohr der Geliebten dringe. In verzweifelter Selbsttäuschung glaubt er, daß sie trotz ihres harten Herzens257 einen Seufzer und eine mitleidige Träne nicht unterdrücken könne. Die weiche Stimmung, die ihn bei diesem Gedanken überkommt, zeigen die zärtlichen Verkleinerungsformen vocula, auriculae und ocelli. Wie unrealistisch aber dieser Hoffnungsschimmer ist, sieht man daran, daß dem Verschmähten ja durchaus bewußt ist, daß die Geliebte in den Armen eines Glücklicheren liegt (Vers 33f.),258 seine Worte aber werden vom Winde verweht.259

Die Verse 35–44 nehmen die Scheltrede an die Türe wieder auf. Wieder wird sie in wiederholten Anreden, also leidenschaftlich angesprochen (tu sola, tu maxima causa, victa numquam, ianua, te, tibi, tuos, perfida). Dann versichert der Jammernde, daß er die Türe, die ihn jetzt so kalt abweist, immer aufs Höchste verehrt hat. Gewiß findet sich auch sonst, daß ein Verliebter Verse macht und an der Türe anheftet,260 Blumenkränze an die Pfosten hängt261 und daß er die Schwelle küßt.262 Wenn er hier aber beteuert, sie mit Geschenken überhäuft und niemals geschmäht zu haben,263 ja zu ihr ehrfürchtig mit gelobten Gaben wie zu einem Göttertempel gekommen zu sein (Vers 36–38. 43f.), ist das wieder ein Zeichen der absurden Verwandlung der hölzernen Türe in eine Person, ja geradezu in eine Gottheit, die hören und Bitten erhören kann.264

In den beiden letzten Distichen beschließt die Türe ihre lange Rede: Solche und ähnliche Worte klage der Verliebte bis zum Morgengrauen, wenn das Vogelgezwitscher anhebt. Sie, die Türe, aber komme durch das unmoralische Leben der Herrin und das Wehklagen des Verliebten in Verruf. Properz sagt nicht, daß die Türe die seiner untreuen Geliebten ist – so vermeidet er, ihr Leben direkt als Hetärenleben zu denunzieren – er sagt auch nicht, daß er der ausgeschlossene Verliebte ist, aber seine eigene Liebesverzweiflung schildert er sonst auf eben diese Weise.

Die Elegien des Properz

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