Читать книгу Die Elegien des Properz - Hans Peter Syndikus - Страница 25
12. Elegie
ОглавлениеDer Vorwurf eines Freundes in Vers 1f., Properz sei durch sein Liebesleben erschlafft185 und lasse sich dadurch von einem Freundschaftsdienst zurückhalten, deutet als Gedichtsituation an, daß der Freund sein Kommen, etwa um ihn auf einer Reise zu begleiten, gewünscht hatte und ihm nun vorwirft, er lasse sich durch sein Liebesleben von einem Freundschaftsdienst abhalten.186 Nach dem überlieferten Text in Vers 2 halte ihn conscia Roma zurück, was nicht recht verständlich ist. Was soll conscia? Die römische Gesellschaft mag ja von Properzens Liebesabenteuern gewußt haben, aber warum soll sie ihn deshalb dort festhalten wollen? Leo vermutete eine Textverderbnis und glaubte, hier müsse der Name Cynthia und die Anrede an einen Freund gestanden haben.187 Sonst habe illa in Vers 3 keinen Bezugspunkt und das Gedicht habe als einziges im 1. Buch keinen Adressaten. Nach Kraffert und Wilamowitz188 schreibt darum Fedeli Pontice, Roma. Eine andere Möglichkeit wäre Cynthia, Galle. In Vers 3–6 antwortet Properz in knappen Worten, ihn halte keine Liebesbeziehung in Rom zurück. Cynthia sei ihm ganz entfremdet. Übertreibend sagt er, so weit sei sie von ihm entfernt, wie ein Fluß weit jenseits der römischen Welt189 von Italiens Padus, dem heutigen Po. Sie liebe ihn nicht mehr wie früher und ihre süße Stimme töne nicht mehr an sein Ohr.190
Mit einem den Gegensatz betonenden olim setzt die nächste Verspartie, Vers 7–10, ein. Properz erinnert sich an die Zeit der Liebe. Er war Cynthia einst lieb. Niemand konnte sich damals einer ähnlich treuen Liebe rühmen, so daß er allseits darum beneidet wurde. Nun ist alles verändert, aber den Grund ihrer Abkehr weiß er nicht. So fragt er verzweifelt, ob ihn ein feindlicher Gott ins Unglück gestürzt hat191 oder ob ihm ein Zaubertrank seine Liebe geraubt hat.192 Dann klagt er in Vers 11f. realistischer, daß eine Reise – gemeint ist wohl die Reise nach Baiae – ein Mädchen völlig verändern könne. Er ist fassungslos, daß eine so große Liebe in so kurzer Zeit vergehen kann.
Die Rückerinnerung an die Tage des Glücks und der Liebe läßt an das 8. Gedicht Catulls denken.193 Aber die Reaktion der beiden Dichter in einer vergleichbaren Situation zeigt einen bezeichnenden Unterschied im Temperament. Catull will sich aufraffen, will von seiner hoffnungslosen Liebe loskommen, auch wenn er immer wieder hilflos zurücksinkt. Properz dagegen macht trotz der offenkundigen Aussichtslosigkeit nicht den geringsten Versuch, sich zu befreien. Er ist fassungslos, versteht den Grund der Trennung nicht und versinkt in schmerzliche Resignation und eine weiche melancholische Stimmung. Auch in seinem 72. Gedicht reagiert Catull in einer ähnlichen Situation völlig anders als der im Schmerz versinkende Properz.194 Während unserem Dichter Cynthia, auch wenn sie sich von ihm abgewendet hat, immer noch gleich wert ist, durchschaut Catull ernüchtert die ehemals Heißgeliebte und erkennt ihren Unwert. Wenn er sie auch immer noch begehrt, wirklich lieben kann er sie nicht mehr.
Im Schlußabschnitt der Elegie, der mit einem betont an den Anfang gesetzten nunc markiert ist (Vers 13–20), schildert der Verlassene seinen gegenwärtigen Zustand. Er habe nun lange, einsame Nächte, und seine lauten Klagen klängen widerwärtig in seinen Ohren. Er hält jenen für glücklich, der seiner Geliebten nahe sein könne, auch wenn sie ihn schlecht behandelt und er Schmerzen erduldet. Er wäre also zufrieden, wenn er vor ihrem Angesicht klagen könnte. Da gäbe es einen Hoffnungsschimmer; denn auch Tränen könnten eine Liebe erneuern.195 Er weiß auch, daß manch ein Verschmähter Trost in einer neuen Liebe findet. Sein Schicksal ist anders, er kann von Cynthia nicht lassen. Sie war seine erste Liebe, sie wird auch seine letzte sein. Die Abwendung der Geliebten konnte seine Liebe nicht töten. Auch wenn seine Lage hoffnungslos erscheint, kennt er nur Cynthia, die er zu seiner einzigen Geliebten erkoren hat. Er hält das für sein unabänderliches Schicksal.196 So wie hier versichert Properz immer wieder, daß Cynthia seine einzige Geliebte sei, von der er bis zu seinem Tod nicht lassen könne.197