Читать книгу Die Elegien des Properz - Hans Peter Syndikus - Страница 40
5. Elegie
ОглавлениеDas Thema des Gedichtes ist der Versuch, sich angesichts des ganz und gar sittenlosen Lebens Cynthias aus dieser Bindung zu befreien. Aber die zornige Aufwallung hält nicht vor. Properz kann sich von der so heiß geliebten Frau nicht lösen und wendet sich ihr schließlich wieder bittend und beschwörend zu. Ein solcher Umschlag von zorniger Enttäuschung zum Zusammenbruch dieser Haltung hat sein Vorbild schon in der Komödie. In Plautus’ Truculentus, Vers 758–769, schmäht ein ausgeschlossener Liebhaber voll Zorn eine Hetäre und droht ihr Rache an. Aber dann wird ihm bewußt, daß er nicht die Kraft hat, sich abzuwenden, und so fällt sein Zorn in sich zusammen. In einem ähnlich vergeblichen Befreiungsversuch führt auch Terenz in der ersten Szene des Eunuchus einen enttäuschten Liebhaber vor.72 Und sehr vergleichbar zeichnet Catull in seinem 8. Gedicht den inneren Kampf zwischen dem Entschluß zur Abkehr von der treulosen Geliebten und dem Zurücksinken in die übermächtige Liebesbindung nach.
Wie Catulls 8. Gedicht gibt auch diese Elegie ein Selbstgespräch wieder. Der Dichter redet zwar mehrfach die Geliebte an, aber das ist wie oft leidenschaftliche Vergegenwärtigung, keine wirkliche Anrede. Properz beginnt in Vers 1–8, als ob er das, was er über Cynthias Lebenswandel hört, Gerüchte, die sie in ganz Rom in schlechten Ruf bringen, nicht glauben könne.73 Aber natürlich weiß er, daß das die Wahrheit ist,74 und schmerzlich bewegt fragt er, ob das seine Liebe verdient habe. Sofort steht sein Entschluß fest: Er droht, er werde sich rächen, er werde ein anderes Mädchen finden,75 das ihn nicht so quält und das sich freut, wenn es durch seine Verse berühmt wird.76 Er ist davon überzeugt, daß diese Abkehr Cynthia treffen wird, daß sie dann, wenn es zu spät ist, Reue empfinden und ihre Treulosigkeit beweinen wird.77 Aber diese Erwartung zeigt schon die Schwäche der Position des immer noch Liebenden; denn wenn er bei Cynthia mit einem solchen Schmerz rechnet, rechnet er damit, daß sie ihn im Grunde auch noch liebt. Und kann er dann von ihr lassen?
Im Mittelteil des Gedichtes, in den Versen 9–16, redet sich der Dichter selbst zu, er will seinen Entschluß in die Tat umsetzen. Ein solches Zureden, das sich an das eigene widerstrebende Ich richtet, findet sich sehr vergleichbar in Catulls 8. Gedicht. Aber während Catull die Gefühlsschwankungen einfach nachzeichnet, versteht der reflektierendere Properz sehr wohl, was in ihm vorgeht. Er weiß um die Macht der Liebe und weiß, wie leicht er schwach werden und wieder zurückfallen kann.78 So will er den Zorn des Augenblicks zur Verwirklichung seines Entschlusses nutzen, und er redet sich mit vernünftigen Argumenten zu, daß man eine Trennung ertragen kann, auch wenn sie zunächst schmerzt.
Schroff die eigenen Gedanken abbrechend, wendet sich der Dichter in Vers 17 erneut Cynthia zu. Der Wille zu einer entschlossenen Abkehr ist zusammengebrochen. Er redet Cynthia nicht mehr wie in Vers 3 als Treulose an, sondern mit einem Kosewort als sein Leben. Und er beschwört sie bei ihren einstigen Liebeseiden nicht etwa, ihm treu zu sein, sondern wie ein sorgender Freund, sich durch ihren Lebenswandel nicht selbst zu schaden.79 Dann nimmt er die Drohung von Vers 3 wieder auf, daß er sich wehren wolle. Aber das Motiv ist gründlich verändert. Schon der Vergleich mit einem hilflosen Schaf zeigt die Schwäche der eigenen Position überdeutlich;80 von der Suche einer neuen Freundin ist nun nicht mehr die Rede, und wie erschrocken von den eigenen Worten zählt Properz alles das auf, was vielleicht andere enttäuschte Liebhaber tun, er, der Musensohn, aber gewiß nicht. Er werde gewiß nicht ihre Tür aufbrechen, ihre Kleider zerreißen, ihre Frisur zerwühlen oder gar wagen, sie zu schlagen.81 Nur einen Vers werde er schreiben: Cynthias Schönheit habe Gewalt, ihre Versprechungen halte sie aber nicht. Properz versichert zwar, daß dieser Vers wie ein Makel an ihr haften bleibe und sie erbleichen lasse. Aber wenn man daran denkt, daß Cynthias Ruf bereits ruiniert war (Vers 1f.) und sie überdies, wie Properz gut weiß (Vers 29), über eine üble Nachrede gänzlich unbekümmert war, fragt man sich, besonders wenn man an Archilochos’ Höhnen oder Catulls Schmähverse etwa im 42. Gedicht denkt, ob dieser harmlose Vers Cynthia überhaupt verletzen konnte und nicht eher den kaum verhüllten Zusammenbruch von Properzens Aufbegehren anzeigt.82