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17. Elegie

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In der ersten Versgruppe, Vers 1–14, sehen wir den an einen einsamen Strand verschlagenen Dichter sein Schicksal beklagen. Gleich im ersten Vers sagt er, daß er an Cynthias Liebe verzweifelnd zu Schiff aus Rom geflohen sei. Die gewählte Route wird aus Vers 3 deutlich, wo der nicht erreichte Zielhafen genannt wird. Kassiope war ein sicherer Hafen auf der Insel Korkyra.265 Wenn das Schiff vor dem Erreichen dieses Ziels vom Sturm in eine unbewohnte Bucht verschlagen wurde, ist an die Küste des Epirus zu denken. Properz schildert also eine Fahrt über das Jonische Meer in den Osten. Er hat diese Flucht über die Adria kaum wirklich unternommen, aber er hat so eine Gedichtsituation gefunden, in der er seinen Jammer über die Abkehr Cynthias wirkungsvoll darstellen konnte.266

In der Gedichtsituation bietet Tibulls Elegie 1,3 eine gewisse Parallele. Tibull mußte nach einer Fahrt über die Adria seine Reisegenossen weiterziehen lassen und blieb schwer erkrankt auf der Insel Korkyra zurück. Gewiß sind die Umstände anders. Tibull begleitete seinen Gönner Messalla in den Osten, und die Geliebte hat ihn mit guten Wünschen ziehen lassen. Aber gleich ist doch die Furcht, daß er in der Fremde nicht von lieben Händen bestattet wird (1,3,5–8), daß ihm die Reise wie ein Vergehen gegen die Liebe vorkommt (1,3,21f.) und daß er in ähnlich feierlicher Form die Seefahrt und das ganze Eiserne Zeitalter verwünscht (1,3,35–50).

Properz beginnt das Gedicht, wie er es liebt, unvermittelt: Et merito, verdient habe er es. Er empfindet sein Unglück als eine gerechte Strafe, weil er seinem Schicksal, das Cynthia ist, zu entkommen gesucht hatte. Seevögel umschwirren ihn am einsamen Strand, zu denen er seine Klage erhebt.267 Er ist vom das Toben des Sturms umgeben und hat keine Hoffnung, daß sich sein Wüten legen werde und er das Ziel seiner Reise erreichen könne. In seinem schlechten Gewissen glaubt er, daß die verlassene Cynthia, die er Vers 5–12 anredet, wie wenn sie vor ihm stünde, im Wüten der Winde gegenwärtig sei und mit ihrem Fluch den Sturm erregt habe. Leidenschaftlich ruft er zu ihr und fleht sie an, von ihren Verwünschungen zu lassen und sich mit der Strafe zu begnügen, die ihn bereits getroffen hat. Er klagt, ob er denn am einsamen Strand verscharrt werden solle. Aber bei dem Gedanken an die äußerste Verlassenheit kommt ihm eine tröstende Vorstellung. Er glaubt, daß Cynthia bei einer Todesnachricht nicht unbewegt bleiben werde, daß sie dann wohl weinen werde, wenn sie in Rom ein Kenotaph errichtete,268 wie es für einen verschollenen Seefahrer üblich war.

Die Gedanken werden in dieser Partie nicht ruhig entwickelt, sondern springen hin und her. Bald wird von Cynthia in der dritten Person gesprochen, bald wird sie angeredet, als ob sie gegenwärtig sei, dann klingt die Rede wieder wie ein verzweifeltes Selbstgespräch. Die Unruhe der Sprachform entspricht dem aufgewühlten Seelenzustand in äußerster Gefahr. Die Versfolge schließt in Vers 13f. mit einer Verwünschung der Seefahrt in der traditionellen Form einer Verfluchung des ersten Erfinders von Schiff und Segel.269

In der zweiten Gedichthälfte ab Vers 15 wird der Ton ruhiger. Der Dichter überlegt, wie viel besser es gewesen wäre, in Rom zu bleiben und zu versuchen, Cynthia milder zu stimmen.270 Bei all ihrer Grausamkeit sei sie doch eine einzigartige Geliebte gewesen. Dabei zitiert der Ausdruck rara puella das frühere Gedicht 8,42, in dem Properz Cynthias Zuneigung und Liebe gefeiert hatte. In Vers 19 taucht dann erneut der Todesgedanke auf: Er glaubt, es wäre besser gewesen, wenn er in seinem Liebeskummer in Rom gestorben wäre. Und er malt sich in Vers 21–24 aus, daß Cynthia dann gewiß ihren Zorn vergessen und ihn liebevoll bestattet hätte. Sie hätte eine ihrer von ihm so geliebten Locken abgeschnitten, seine aus der Asche aufgelesenen Gebeine auf Rosen gebettet und hätte laut um ihn geklagt.271

Der Gedanke an das eigene Begräbnis und das eigene Grab ist bei Properz wie auch bei Tibull 1,1,61–68 ein oft wiederkehrendes Motiv. In einer seltsamen Obsession stellt er sich immer wieder das eigene Begräbnis vor. In 1,19 wird sein künftiges Begräbnis zum zentralen Gedichtmotiv, aber schon in 1,7 erwartet er, daß die Jugend Roms ihn an seinem Grab betrauern werde und in 2,1 hofft er, daß sein Leichenzug einmal von Cynthias Haus ausgehen werde, und er stellt sich vor, daß der hohe Freund Maecenas einen mitfühlenden Blick auf sein Grab werfen werde. In 2,13 gibt er Cynthia detaillierte Aufträge, wie sie ein zu einem Dichter passendes Begräbnis ausrichten soll, und in 3,16 wiederholt er das Motiv und malt sich einen passenden einsamen Platz für sein Grab aus. Aber die Vorstellung des eigenen Begräbnisses hat für Properz keinen Schrecken. Er schildert das Ereignis immer in vielen Einzelheiten. Was ihn einzig bewegt, ist die Sorge, ob die Liebe diese extremste Bedrohng überdauere. In unserem Gedicht ist der Gedanke an den eigenen Tod und das eigene Begräbnis geradezu ein Lichtblick in der Verzweiflung. Er hofft, daß Cynthia wenigstens dann ihre Liebe zeige.

Auch in der zweiten Gedichthälfte fällt der Blick auf die trostlose Umgebung. Die den Strand säumenden unbekannten Wälder bedeuten nichts Gutes; denn von hier ist keine Hilfe zu erwarten, und das rettende Gestirn der Dioskuren will sich nicht zeigen.272 Aber zum Schluß hellt sich die Stimmung des Gedichtes auf. In den beiden letzten Distichen ruft der Dichter mit einem die schlimmen Gedanken beiseiteschiebenden at vos die Nereiden zu Hilfe, Meeresgottheiten, die Seefahrer in Gefahren sicher geleiten.273 Die Nennung ihres Reigens ruft heitere Bildvorstellungen vor Augen, und auch die Attribute candidus, felix, mansuetus haben etwas Glückverheißendes. Bei seinem Anruf läßt der Dichter die traditionelle Gebetssprache anklingen, in der feierlichen Anrede mit dem Hinweis auf ihre edle Abkunft,274 in dem auf die Berechtigung der Bitte hinweisenden si-Satz275 und schließlich in dem demütigen socio parcite,276 verschont eueren Schicksalsgenossen, wenn ihr je Liebe gefühlt habt. So bittet er die hilfreichen Göttinnen, helle, also wieder heile Segel aufzuspannen und den vorher so drohenden Küste ihren Schrecken zu nehmen. Ob das aber mehr als ein Hoffnungsschimmer ist, bleibt am Gedichtende offen.

Die Elegien des Properz

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