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8. Elegie

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In der modernen Lyrik ist vielfach eine das ganze Gedicht bestimmende Stimmung gesucht. Properzens Dichtung ist anders. Seine Elegien sind oft von starker Bewegung erfüllt und nicht selten führt eine Gedichtbewegung zu Gefühlen, die in starkem Kontrast zu denen der Ausgangslage stehen. Diese Unruhe der Gefühlswelt, diese Beweglichkeit des Gemüts zeigen wenige Elegien so eindrucksvoll wie diese.

In der Motivfolge des Gedichts nimmt Properz eine literarische Tradition auf. Die Motivfolge ist dabei immer, daß ein Zurückbleibender einen, der ihn verlassen und über das Meer absegeln will, anspricht. Zuerst bittet er ihn zu bleiben, dann wünscht er, daß widrige Winde die Abreise aufhalten; schließlich gibt er nach und wünscht eine glückliche Reise.131 Bei Properz sind die Motive des traditionellen Topos von heftigster Gefühlserregung durchpulst.

Die Gedichtsituation setzt voraus, daß Cynthia entschlossen ist, einem reichen Rivalen über die Adria in die Provinz Illyrien zu folgen. Nach der Elegie 2,16, in der die Rückkehr dieses Rivalen geschildert wird, war er als Gouverneur (Das allgemeine Wort praetor kann einen legatus pro praetore bezeichnen) in die Provinz gesandt worden. In unserem Gedicht wird er weder genannt noch seine Aufgabe bezeichnet. Das iste in Vers 3 drückt Verachtung aus.132

Nach dem unvermittelten Einsatz mit igitur bringen die ersten acht Verse eine Folge entsetzter Fragen. Dabei wird der insistierende Ton durch die außerordentliche Häufung der Pronomina der 2. Person sehr einprägsam. Der Liebende kann das Geschehen nicht fassen. Vorwurfsvoll fragt er die Geliebte, ob sie gar nicht mehr an ihn denke, ob der andere ihr so viel wert sei, daß sie in der unwirtlichen Jahreszeit bei stürmischer See ihm folgen wolle (Vers 1–4). In den Versen 5–8 tritt das Mitleid mit ihr in den Vordergrund: Könne sie denn das Brausen des Sturms ertragen, sich auf den harten Holzplanken des Schiffes zur Ruhe legen133 und dann mit ihren zarten Füßen auf Reif und Schnee treten.134

In den Versen 9–16 ändert sich der Ton. Die Geliebte wird kaum mehr angesprochen und an die Stelle der Fragen treten nun ohnmächtige Wünsche, die alle nur das eine wollen, daß das Schiff nicht abfährt. Das wird auf immer wieder andere Weise ausgedrückt135: Möchten sich doch die Winterstürme verdoppeln und sich der Beginn der Schiffahrt verschieben. Möchten sich diese seine Wünsche erfüllen136 und er nicht ansehen müssen, daß sich die Stürme legen und er starr am öden Strand stehen müßte, wenn das Schiff die Geliebte davontrüge, und er ihr nur noch Vorwürfe nachrufen könnte.137 Diese Angstvision bildet einen wirkungsvollen Abschluß der Versfolge.

In den Versen 17–26 wird die Stimmung weicher. In Vers 17 wird die Geliebte zwar noch eidbrüchig genannt, aber der liebende Dichter kann ihr bei aller Enttäuschung nichts Böses wünschen: Wie wenig sie es auch verdiene, möge sie doch, von einer schützenden Meeresgottheit geleitet, eine glückliche Fahrt haben, sicher am gefährlichen Vorgebirge Ceraunia vorbeisegeln138 und in gefahrlose Gewässer gelangen. Trotz ihrer Treulosigkeit werde er treu bleiben und nennt sie dabei mit einem Liebeswort sein Leben. Immer wieder werde er Seeleute befragen, wo sie jetzt weilen mag, und er beteuert, daß sie, so fern sie auch sein mag,139 seine einzige Geliebte sein werde. Durch die Wiederholung des Versschlusses von Vers 24 erhält das mea est in Vers 26 eine starke Betonung. Das setzt sich dann in Vers 42 und 44 fort, wo mea est am Versschluß triumphierend wiederholt wird.140

Bis zum Vers 26 bleibt Properz bei der Motivfolge der erwähnten Rednervorschrift, in Vers 27 erfolgt dann ein völliger Umschlag der Lage: Die Geliebte bleibt! Auch die Sprechsituation ist verändert: Der Dichter redet nicht mehr Cynthia an, sondern gibt seinem Jubel in monologischer Form Ausdruck. Es ist darum verständlich, daß hier Lipsius und viele Nachfolger den Beginn eines neuen Gedichtes angenommen haben,141 aber Properz kennt auch sonst ähnliche Umbrüche in einer Gedichthandlung. Und ist das, poetisch gesehen, wirklich ein Bruch? Prosaisch erzählt, müßte das, was zwischen Vers 26 und 27 geschehen ist, etwa so lauten: Doch von meinen Klagen bewegt, änderte Cynthia plötzlich ihren Sinn. Sie gab ihre Reiseabsicht auf und versprach, in Rom zu bleiben. Aber poetisch ist der unerwartete Jubelruf in Vers 27 viel wirkungsvoller, und die Plötzlichkeit der Veränderung der Situation paßt auch gut zu dem plötzlichen Umschlag von Warnung zu Zustimmung in Vers 17. Vorbereitet wird der Übergang, daß schon in den Versen 23–26 von Cynthia in der 3. Person gesprochen wird.

Der Jubelruf in Vers 27 gibt den Ton für das Folgende an. Das hic erit wird voll Freude durch hic manet variierend wiederholt. Er triumphiert: vicimus. Cynthia, die eben noch wortbrüchig genannt wurde, hält ja ihren Schwur (iurata). Sie hat die inständigen Bitten des Dichters erhört. Nun kann er sie mit Recht wieder seine Cynthia nennen (Vers 32. 34. 42. 44), und auf seine Feinde und Neider, die sich über die bevorstehende Trennung gefreut hatten, kann er nun voll Verachtung herabschauen (Vers 27. 29. 45).142

Die Verse 31–36 malen die beglückende Situation aus. Der Dichter wird der Geliebten lieb sein, und um seinetwillen zieht sie Rom und auch enge Verhältnisse allem Reichtum der Fremde vor, der durch einen ungewöhnlichen Mythenvergleich auch sprachlich hervorgehoben wird. Daß er als Dichter gesiegt hat, zeigen dann die Verse 37–42. Der Nebenbuhler konnte nur Gold geben und versprechen. Der Dichterfreund vermag das nicht, er gewann ihre Liebe mit seinen einschmeichelnden Versen. Apollo und die Musen halfen ihrem Dichter,143 und so ist die unvergleichliche Cynthia sein. Durch die Unempfindlichkeit gegenüber den Verlockungen des Goldes erscheint die für die Dichtung so empfängliche Geliebte in diesem Punkt als Gegenbild der üblichen geldgierigen Hetäre.144 Das ist ein entscheidender weiterer Zug im Charakterbild Cynthias, das Properz im ersten Elegienbuch zeichnet.

In den letzten vier Versen betont der Dichter noch einmal sein Glück. Mit einer sprichwörtlichen Redensart sagt er, er fühle sich in den Himmel erhoben,145 und in seiner Hochstimmung ist er davon überzeugt, daß das bis in sein Alter immer so bleiben wird.

Trotz der fortwährenden Gefühlsumschläge ist das Gedicht sehr harmonisch gestaltet. Die Gefühlsbewegung angesichts der bevorstehenden Trennung vollzieht sich in drei, stark voneinander abgesetzten Versgruppen von je acht Versen. Nach dem Jubelruf in Vers 27 ist der Ton einheitlicher, aber die Partie bis zum Gedichtschluß ist doch klar gegliedert, es folgen Versgruppen, von 4, 6, 6 und nochmals 4 Versen aufeinander.146

Die Elegien des Properz

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