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5. Elegie

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Der Freund Gallus, an den das Gedicht gerichtet ist, wird auch in den Elegien 10, 13 und 20 des ersten Buches angesprochen. Wer er war, wissen wir nicht, außer daß Vers 23f. auf alten Adel deutet, was natürlich auch Provinzadel meinen kann. Vielleicht war er ein Bekannter oder Verwandter aus der Heimat, wo dieser Name auch in Properzens Verwandtschaft verbreitet war.91 F. Cairns (2006) nimmt S. 70ff. an, daß mit Gallus der Elegiker Cornelius Gallus gemeint sei. Er sieht zwar S. 201f., daß dem Gallus des ersten Elegienbuches Züge zugeschrieben werden, die zu dem üblichen Bild des Elegikers nicht passen, betrachtet das aber als absichtliche Entstellung.92 Das scheint keine sehr überzeugende Deutung zu sein; denn der Gallus des ersten Properzbuches ist klar als eine andere Person als der Elegiker charakterisiert, den Properz in 2,34,91f. als den unglücklichen Liebhaber der Lycoris und den verehrten Vorgänger in seiner Kunstübung kennt. Der Gallus des 1. Buches aber stammt nach 1,5,23f. im Gegensatz zu Cornelius Gallus aus einer altadligen Familie. Er wird als etwa gleichaltriger sodalis gezeichnet, der ähnliche Interessen wie Properz hat: In 1,5 versucht er dem Freund Cynthia abspenstig zu machen; in 1,10 ergreift ihn eine andere heftige Leidenschaft; in 1,13 erscheint er als Spötter über Properzens Unglück und als ein Don Juan, der unzählige Mädchen verführt hat, den nun aber eine ernsthafte Leidenschaft erfaßt, in 1,20 ist er ein Knabenliebhaber. Wieso Properz solche Rollen Cornelius Gallus hätte zuschreiben wollen, der einer anderen Generation angehörte, zur Abfassungszeit von Properzens Gedichtbuch längst eine hohe militärische und politische Laufbahn fern von Rom eingeschlagen und seine poetische Produktion vermutlich schon seit Jahren aufgegeben hatte,93 ist unerfindlich. Geradezu absurd aber wäre, wenn Properz in 1,10,15–30 dem älteren Liebesdichter wie einem in eroticis Unerfahrenen als Kenner und Lehrer in Liebesdingen gegenübergetreten wäre.94

Die Elegie setzt ganz unvermittelt mit dem Vorwurf ‚Neidischer‘ ein und fordert den Angesprochenen, wie später deutlich wird, den Freund Gallus, auf, von seinen lästigen Reden zu lassen. Das Gedicht gibt sich also als Antwort auf Äußerungen, die erst aus dieser Antwort klar werden: Der Freund erblickte in Properzens Liebesverhältnis sichtlich eine Verbindung, die höchstes Glück gewährt, und beneidete ihn darum. Offenbar hatte er auch den Wunsch geäußert, selbst Cynthia näherzutreten. Properzens Reaktion ist nach der Faszination von Cynthias Liebe in der 4. Elegie sehr überraschend. Zwar bittet er in Vers 2 den Freund, wie er in der Elegie 4,3f. Bassus gebeten hatte, ihn und seine Geliebte ihren Lebensweg ungestört ziehen zu lassen; und daß er an Cynthia festhalten will, zeigt auch in Vers 19 nostra puella und in Vers 31 mea Cynthia. Aber er ist nicht etwa empört, daß der Freund an eine Liaison mit Cynthia denkt, vielmehr bittet er ihn um seiner selbst willen, von einem solchen Versuch zu lassen, der ihn nur ins Unglück stürzen würde. Dabei malt er ein so wenig anziehendes Bild der Geliebten und der Beziehung zu ihr, daß man sich fragt, warum Properz an einem so unglücklichen Verhältnis unbedingt festhalten will. Aber offenbar gehörte dieses Hin- und Hergerissenwerden zwischen höchstem Glück und tiefster Verzweiflung zum Wesen der Liebe, wie sie Catull und die Elegiker zeichneten.

Die erste Verspartie umfaßt die Verse 1–10. Nach dem ersten Distichon, in dem Gallus um Zurückhaltung gebeten wird, fragt Properz in Vers 3 geradezu entsetzt, ob denn Gallus seine eigenen Leiden auch auskosten wolle. Gallus werde die äußersten Schmerzen durchleiden, im Bild, er werde auf verborgene Feuer treten und die schlimmsten Gifte trinken. Cynthia sei nicht ein Mädchen von der Art, wie er sie kenne,95 sie werde ihn mit ihrer Launenhaftigkeit und ihren leidenschaftlichen Aufwallungen peinigen.96 Und er prophezeit dem Freund, wenn Cynthia ihn wirklich erhören werde, müsse er tausend Leiden ertragen. Sehr klar kommt hier Properzens Grunderfahrung in seiner Liebesbeziehung zum Ausdruck. Für sie waren tausend Schmerzen bezeichnender als tausend Wonnen.

Mit einem die bedrohliche Nähe der Gefahr vergegenwärtigenden iam stellt Properz dem Freund in Vers 11ff. im einzelnen vor Augen, was ihn erwartet: Cynthia werde ihm den Schlaf rauben, und seine Augen würden nicht mehr trocken werden.97 Auch die stärksten Männer mache sie mit ihrem stolzen Sinn98 zu ihren Sklaven, wörtlich: lege sie in Fesseln. Diese Zukunft wird in Vers 13ff. weiter ausgemalt. Von Cynthia verschmäht, werde er oft verzweifelt zu ihm, dem Freund, fliehen, wo er Verständnis erhofft. Zitternd und weinend werde er ihm mit entstellten Zügen sein Leid klagen. Er fände die Sprache nicht mehr99 und verlöre das Bewußtsein seiner selbst. Da würde er erkennen, was es bedeutet, Cynthias Sklave zu sein, und würde, aus ihrem Hause ausgeschlossen, verzweifelt umherirren.100 Er würde sich dann nicht mehr wundern, warum Properz so bleich und mitgenommen aussieht.101 Sein Adel aber würde Cynthia nicht beeindrucken, und wenn sie bei dem von ihr so übel behandelten Liebhaber nur die geringste Untreue entdecke,102 würde sie den allgemein geachteten Mann in der ganzen Stadt in üblen Ruf bringen.

In den beiden Distichen Vers 27–30 kommt Properz dann auf sich selbst zu sprechen. Er könne ihm dann nicht helfen, sie könnten höchstens gemeinsam ihr bedauernswertes Los beklagen.103 In dem Schlußdistichon mahnt Properz den Freund nochmals, die gefährliche Nähe Cynthias zu meiden.

In dem Gallus vor Augen gestellten Zukunftsbild zeichnet Properz natürlich sein eigenes Schicksal. Man erfährt aber auch mehr über Cynthias gesellschaftliche Stellung.104 Wenn Properz Gallus vor Augen hält, daß Cynthia über eine ganze Schar von hörigen Anbetern als launenhafte Herrin gebiete und wenn er sich vorstellen kann, daß auch Gallus ein Liebesverhältnis mit Cynthia anknüpfen könnte, und er das nicht nur hinnähme, sondern gemeinsam mit dem Freund über die Grausamkeiten der ‚Herrin‘ klagte, zeigt das deutlich, daß er Cynthia als Courtisane betrachtet. Natürlich war sie nicht eines der leichten Mädchen, wie man sie aus den Liebesepigrammen der griechischen Anthologie oder aus Ovids ‚Liebeskunst‘ kennt. Aber bei all ihrer Kultur, ihrem Stolz und ihren kapriziösen Launen ist an ihrer gesellschaftlichen Stellung nicht zu zweifeln: Sie war eine Courtisane, wenn auch eine von hohen Graden. Aber die Faszination, die eine Courtisane ausüben kann, ist ja nichts Einmaliges in der Weltliteratur. Und für Properz und überhaupt für die römischen Elegiker war ein solcher Stand der Geliebten poetisch durchaus fruchtbar. Er bot der dichterischen Phantasie einen breiten Spielraum für die verschiedensten Situationen und Motivvariationen.

Die Elegien des Properz

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