Читать книгу Die Elegien des Properz - Hans Peter Syndikus - Страница 8
Leben und Werk
ОглавлениеÜber Properzens Herkunft und Jugend unterrichten nur die Selbstaussagen des Dichters. Er spricht in den Elegien 1,22,9f. und 4,1,63–66.121– 126 davon: Seine Heimat sei Umbrien und zwar Assisi (Asisium) und sein Umland. Wenn er dabei in Vers 4,125f. sagt, Assisi sei durch ihn berühmt geworden, muß das seine Heimatstadt sein.1 Sein Vorname war, wie die Virgilvita Suetons überliefert,2 Sextus. Properz berichtet 4,1,127–130 weiter, daß er seinen Vater früh verlor und daß der ursprünglich große Landbesitz der Familie durch die Landverteilungen an die Veteranen im Jahre 41 v. Chr. sehr beschnitten wurde. Seine Familie gehörte also zur dortigen Landaristokratie, und auch durch die Landverteilungen kam Properz schwerlich in wirklich bedrängte Verhältnisse. Wenn er in 4,1,133f. sagt, daß seine Hinwendung zur Dichtung ihn davon abgehalten habe, auf dem Forum als Redner aufzutreten, also die Politikerlaufbahn einzuschlagen, bedeutet das klar, daß er wie später Ovid3 von seiner gesellschaftlichen Stellung her eigentlich dazu bestimmt gewesen wäre, diese Laufbahn einzuschlagen. Auch die Namen seiner Freunde legen nahe, daß er zur höheren römischen Gesellschft gehörte. Besonders deutlich wird das dadurch, daß ihn, wie er in der Elegie 1,6 berichtet, der Neffe des Prokonsuls Volcatius Tullus einlud, mit ihm in dessen Gefolge in die Provinz Asia zu ziehen.4 Das zeigt, daß er eine ähnliche gesellschaftliche Stellung hatte wie Catull und seine Freunde, die im Gefolge des Propraetors Memmius in die Provinz Bithynien zogen.5 Wie viele Gedichte zeigen, scheint Properz nach seiner Übersiedlung nach Rom dort unter der jeunesse dorée ein ungebundenes Leben geführt zu haben, das der Liebe und Dichtung geweiht war.6 Wenn er gelegentlich von seinen bescheidenen Verhältnisssen spricht,7 meint das wie bei Catull und Horaz den Gegensatz zu den Großen Roms, nicht wirkliche Armut. Auf die Stellung der Familie weisen auch zahlreiche in Assisi gefundene Inschriften, die zeigen, daß die Propertii dort eine angesehene Familie waren.8 Und ein vornehmer Bekannter des jüngeren Plinius ist stolz darauf, daß der Dichter Properz sein Vorfahre war.9 Von diesem gesellschaftlichen Status aus ist das selbstbewußte Betonen des eigenen Standpunkts auch gegenüber der augusteischen politischen Linie in der Elegie 2,7 oder das kompromißlose Beharren auf der eigenen Lebensform besonders an Stellen wie 2,15,41–46, 3,4,21f. und 3,5,47f. gut verständlich: Properz hatte keine demütige Unterwürfigkeit nötig. Gewiß war er stolz darauf, daß Maecenas ihn in seinen Dichterkreis eingeladen hat,10 als Patron brauchte er ihn nicht.
Eine ursprünglich starke Heimat- und Familienbindung wird in den beiden Schlußgedichten des 1. Elegienbuches deutlich. Ihr Sphragischarakter läßt eigentlich erwarten, daß in ihnen nüchterne Lebensdaten berichtet würden. Properz schiebt aber die Erinnerung an einschneidende Jugenderlebnisse in den Vordergrund, die Erinnerung an die Zerstörung der Nachbarstadt Perusia im Jahre 40 v. Chr. und an den Tod eines nahen Verwandten (mei propinqui), der Perusia gegen das Belagerungsheer Octavians verteidigt hatte und vergeblich versucht hatte, sich nach dem Fall der Stadt durch eine Flucht über die etruskischen Berge zu retten. Properzens Schmerz wird deutlich, wenn er noch Jahre nach den Ereignissen Perusia das Grab der Heimat, ja Italiens nennt. Auch für seine Mutter, in deren Haus er nach dem Tode des Vaters die Männertoga empfing (4,1,131), hatte er ein warmes Empfinden: Als er seine Fürsorge für die Geliebte betonen wollte, fiel ihm keine größere Steigerung ein, als daß die Fürsorge für seine ihm teuere Mutter nicht größer sei (1,11,21). Und nach ihrem Tode ist sein heiligster Schwur der bei den Gebeinen des Vaters und der Mutter (2,20,15). Auch an die Heimatlandschaft, in der er aufgewachsen war, denkt er noch später und vergegenwärtigt sich ihre Schönheiten: Als die Geliebte einmal auf das Land reisen und er ihr nachfolgen wollte, tritt ihm unwillkürlich die schöne Uferlandschaft am heimatlichen Clitumnus vor Augen (2,19), und in dem Bericht über seine Herkunft schildert er 4,1,123–126 im einzelnen die neblige Ebene seiner Heimat, die von den Mauern Assisis überragt wird. Aber noch mehr als Catull wird Properz ganz und gar Stadtrömer und lebt in der Gesellschaft der Hauptstadt.
Properzens Lebensdaten sind nur ungefähr zu erschließen. Wenn er 4,1,131 sagt, daß er die Männertoga bald (mox) nach der das Familienvermögen sehr verkleinernden Landverteilung im Jahre 41 angelegt hatte, ist das keine sichere Zeitangabe, zumal das Datum für das Anlegen der Männertoga zwischen dem 14. und 16. Lebensjahr schwankt,11 aber üblicherweise bedeutet mox ‚bald danach‘;12 man sollte also die Daten nicht zu weit herabrücken, wie das manchmal geschieht. Properz dürfte also eher früher als 50 v. Chr. geboren sein als später. Auch eine andere Überlegung führt auf diesen Ansatz: Wenn der Oheim des Freundes Tullus, der ihn aufgefordert hatte, ihn in die Provinz Asia zu begleiten, L. Volcatius Tullus war, der im Jahre 33 Konsul war und die Provinz Asia höchstwahrscheinlich 30/29 v. Chr. als Prokonsul verwaltete,13 konnte Properz damals schwerlich jünger als 20 Jahre gewesen sein; er wäre dann auch nach dieser Überlegung eher vor dem Jahre 50 v. Chr. geboren und wäre bei der Veröffentlichung seines ersten Gedichtbuches wohl im Jahr 29 21 Jahre alt oder eher etwas älter gewesen.14
Für die Datierung der einzelnen Gedichtbücher gibt es nur wenig Anhaltspunkte.15 Das 1. Buch, das bereits in der ersten Elegie das entscheidende Thema, die Liebschaft mit Cynthia, nennt und dann in verschiedenen Aspekten entfaltet, veröffentlichte der noch sehr jugendliche Dichter einzeln: Die beiden Schlußgedichte mit ihrem Sphragischarakter weisen auf eine Einzelveröffentlichung, und zu Beginn des 2. Buches blickt er 2,3,3f. darauf als kurz zuvor erschienen zurück.16 Auch 2,24,2 weist auf das erste Buch zurück: Danach scheint sein ursprünglicher Titel ‚Cynthia‘ gewesen zu sein.17 Diese ‚Cynthia‘ werde auf dem ganzen Forum gelesen, war also ein durchschlagender Erfolg.18 Später wurde dann das Buch als liber primus in die Gesamtausgabe eingereiht.19 Das einzige für eine Datierung verwertbare Ereignis im 1. Buch ist das oben erwähnte Prokonsulat des L. Volcatius Tullus wohl im Jahre 30/29. Wenn Properz von dessen Neffen aufgefordert wurde, ihn im Stab des Oheims in die Provinz zu begleiten, kann das Buch nicht früher als 30/29 v. Chr. veröffentlicht worden sein, aber auch nicht viel später; denn im 2. Buch, das, wie gesagt, auf die Veröffentlichung des 1. zurückblickt, gibt es ein fixierbares Datum für das Jahr 28.
Das 2. Buch ist vom 1. dadurch abgehoben, daß es Maecenas, in dessen Dichterkreis Properz aufgenommen wurde, gewidmet ist. In ihm wird die Liebesthematik des 1. in Variationen, aber auch in neuen Situationen weiter verfolgt. Im Laufe des Buches wird eine Reihe von datierbaren Ereignissen genannt: Das 1. Gedicht blickt in in Vers 30–34 auf den Triumphzug nach der Eroberung Ägyptens, der im Jahre 29 gefeiert wurde, zurück. Die in der 31. Elegie als eben geschehen erwähnte Einweihung des Apollotempels auf dem Palatin geschah im Oktober des Jahres 28. Auch die in 2,7 mit Erleichterung empfangene Nachricht von der Rücknahme der ersten Sittengesetzgebung fiel wahrscheinlich in das Jahr 28. Die 10. Elegie muß wegen der Benennung des Kaisers mit dem Ehrennamen Augustus nach dem Januar des Jahres 27 verfaßt sein, und die in ihr erwähnten Pläne für Kriegszüge gegen die Parther passen wegen der Hervorhebung von Arabien und vielleicht auch von Britannien am besten zu den Ereignissen der Jahre 27 und 26 v. Chr. Jedenfalls kann zur Zeit der Abfassung des Gedichts der Feldzug gegen Arabien im Jahre 25/24 noch nicht begonnen worden sein (intacta!). Der Tod des Elegikers Gallus, der 2,34,91 erwähnt wird, fällt auch in das Jahr 26.
Wegen der von Properz in der Elegie 2,13,25f. genannten drei Gedichtbücher, die seinen Leichenzug begleiten sollen, vermutete Lachmann, daß das überlieferte 2. Buch nach einem Textverlust in der frühen Überlieferung künstlich aus ursprünglich zwei Büchern (2,1–9; 2,10–34) verschmolzen wurde.20 Diese Hypothese wurde von Hubbard und O. Skutsch21 aufgenommen. J. K. King und Günther22 denken an eine ursprüngliche Teilung zwischen 2,12 und 2,13. Fedeli und Lyne schlagen 2,12 als das ursprüngliche Prologgedicht eines 3. Buches vor.23 Aber alle diese Hypothesn haben ihre Schwierigkeiten, wie die Diskussion von Fedeli l. c. gut zeigt. Bedenkenswert ist auch die Feststellung von R. Tarrant, daß 2,1 und 2,34 den Charakter von Einleitungs- bzw. von Schlußgedichten eines Buches haben, daß aber keines der Gedichte, die man als Einleitungsgedicht eines neuen Gedichtbuchs diskutierte, diesen Charakter besitzt.24 Gewiß scheint Properz zur Abfassungszeit von 2,13 beabsichtigt zu haben, nach dem Erfolg des ersten Elegienbuchs (2,24,1f.) dieses mit der folgenden übersprudelnden Gedichtproduktion (2,3,3f.) in drei Büchern zusammenzufassen. Aber das besagt nicht – zur Abfassungszit von 2,13 konnten die drei Bücher jedenfalls noch nicht existieren –, daß dieser Plan verwirklicht wurde und daß das überlieferte 2. Buch eimmal aus zwei, teilweise verloren gegangenen Büchern bestand. Die spätere Antike kannte jedenfalls Properz in der überlieferten Bucheinteilung.25
Die andere Art des 3. Buches zeigt bereits das Prologgedicht. Nicht mehr die Gestalt der Geliebten ist der Ausgangspunkt, sondern die hellenistischen Dichter Kallimachos und Philitas, denen Properz nacheifern will. Die ‚literarischere‘ Thematik des Buches zeigt auch die mehrfache Bezugnahme auf verschiedene Horazoden. Das ist auch ein klarer Anhalt für die Datierung des Buches. Die erste Odensammlung des Horaz ist im Jahre 23 v. Chr. erschienen. Auch der Tod des Marcellus, der in der 18. Elegie betrauert wird, fällt in das Jahr 23. Die beiden Schlußgedichte, die 24. und 25. Elegie, ziehen einen entschlossenen Schlußstrich unter die bisherige poetische Produktion. Sie zeigen das Ende der Liebesbeziehung mit Cynthia an, das bedeutet aber auch das Ende der Liebesdichtung, jedenfalls in der bisherigen Art.
Das 4. Buch, das erst im Abstand von mehreren Jahren erschien, zeigt im Eröffnungsgedicht die Absicht, poetisches Neuland zu betreten. Als neues Thema wählt Properz im ersten Teil dieses Prologgedichts die römische Frühzeit. Diese neue Thematik wird aber im zweiten Teil durch einen Kritiker, der Einspruch erhebt und die bisherige Thematik gewahrt wissen will, in Frage gestellt. Und in der Tat bringen die Elegien des 4. Buches keine völlige Neuorientierung. Das im Eröffnungsgedicht anvisierte Thema römischer Sagen der Frühzeit wird nur in einem Teil der Gedichte aufgenommen, und das nicht immer sehr ernsthaft. Nur am Rand mit der römischen Frühzeit verbunden ist der als Verwandlungskünstler geschilderte Vertumnus der 2. Elegie, und das Schicksal der Tarpeia in der 4. Elegie ist in der Weise hellenistischer Liebessagen erzählt; der Herakles der 9. Elegie aber ist eher eine halbkomische Figur, wie sie Kallimachos in den Aitien schilderte.26 In den Gedichten 3, 5, 7 und 8 werden erneut Liebesthemen aufgenommen, in 7 und 8 taucht sogar Cynthia wieder auf, in der 7. Elegie die Tote als Traumerscheinung, in der 8. ist sie auf dem Höhepunkt ihrer Lebenslust geschildert. Die spätesten Daten, die im 4. Buch erwähnt werden, sind in 4,6,77 die Unterwerfung der Sugambrer im Jahre 16 v. Chr. und in der 11. Elegie der Tod Cornelias, ebenfalls im Jahre 16. Das 4. Buch scheint aber auch früher entstandene Gedichte zu enthalten. Die 3. Elegie mit ihrer Erwartung eines unmittelbar bevorstehenden Partherkrieges scheint vor dem Partherausgleich im Jahre 20 geschrieben zu sein. Nach dem Jahre 16 ist nichts mehr über das Leben des Properz überliefert. Ovid spricht in seinen Remedia amoris, die 2 n. Chr. erschienen sind, in Vers 764 von ihm offensichtlich als von einem Verstorbenen.
Die Elegien des Properz sind nicht in einer biographischen Reihenfolge als Art Liebesroman in die Bücher eingereiht, wie man früher geglaubt hat. Aber in der Anordnung der Gedichte sind durchaus Elemente einer durchdachten Anordnung erkennbar. Die Bücher haben Prologe und Epiloge, die auf den Charakter der betreffenden Bücher weisen, und auch im einzelnen gibt es sinnvolle Bezüge: In den Gedichten 2–9 des ersten Buches tritt immer wieder ein neuer Aspekt in der Charakterisierung der Geliebten und der Eigenart der Liebesdichtung hervor. In 1,7–9 wird zwischen zwei Gedichte, die von der Nutzlosigkeit der epischen Dichtung in Liebesdingen sprechen, eines geschoben, in dem die Gunst der Geliebten durch die eigene leichte Muse gewonnen wird. In den fünf ersten Elegien des 3. Buches wird die Eigenart der eigenen Poesie in immer anderen Aspekten und Gegenüberstellungen aufgezeigt. Schließlich wird die Absage an Liebe und Liebesdichtung in den beiden Schlußgedichten des 3. Buches schon in den Elegien 17 und 21 vorbereitet. Auch sonst finden sich erkennbare Ordnungsprinzipien: Nicht selten stehen zwei themenverwandte oder aber gegensätzliche Gedichte beziehungsreich nebeneinander. Dann scheint aber wieder in weiten Partien die variatio, die größtmögliche Abwechslung, das einzige Anordnungsprinzip zu sein. Es wurden zwar verschiedene Versuche unternommen, durchgängige Aufbauprinzipien ausfindig zu machen, aber die Unvereinbarkeit der einzelnen Vorschläge zeigt, daß hier noch keine schlüssige Lösung gefunden wurde.27