Читать книгу Die Elegien des Properz - Hans Peter Syndikus - Страница 38
3. Elegie, Vers 1–44
ОглавлениеDie Elegie ist das dritte Gedicht im 2. Buch, das die betörende Schönheit Cynthias feiert. Die ersten Verse setzen mit einem fingierten Zwiegespräch ein. Ein kopfschüttelnder Freund erinnert Properz daran, daß er behauptet habe, er könne ohne die Liebe leben, keine Frau könne ihn mehr berücken, aber nach kaum einem Monat sei es wie vorher; schon fülle sich ein zweites Gedichtbuch mit seinen leichtfertigen Themen. In Vers 4–8 antwortet Properz, er habe das Unmögliche versucht48 und ernsthaften Studien nachgehen, d. h. sich mit einer ernsten Dichtung beschäftigen wollen, aber die Liebe sei stärker gewesen: Eine Liebe könne aufgeschoben, aber nicht ausgelöscht werden. Vers 4 zeigt, daß das nicht nur eine Erneuerung der Liebe, sondern auch eine Wiederaufnahme der Liebesdichtung bedeutet.49
Als Grund führt er im folgenden die Unwiderstehlichkeit Cynthias an. In einer ungewöhnlich langen Periode von Vers 9–22 erklärt er, daß ihn nicht so sehr ihre Schönheit anziehe (obwohl die hinreißend sei) als vielmehr ihre musikalischen und musischen Gaben. Ihre Schönheit und Eleganz50 feiert er wie in der 1. und 2. Elegie, aber wichtiger als die Schönheit ihres Antlitzes, als ihre prächtig fallenden Haare und die strahlenden Augen, die er seine Sterne nennt, ist ihm noch ihr Tanz, ihr Gesang und Leierspiel und ihre Dichtergabe.51 Die Schönheit wird in Naturvergleichen nahegebracht; wie sie sich auch in Catulls Hochzeitsgedicht c. 61 finden.52 Die geistigen Gaben werden dann durch Vergleiche aus dem griechischen Mythos und der griechischen Dichterwelt erhöht. Die Vergleiche mit von Ariadne angeführten dionysischen Chören, dem Plektron der Sappho, der Leier der Musen und der Dichtung der Korinna rücken Cynthia in die Nähe der griechischen literarischen Kultur. Das sind schwerlich bloße Schmeicheleien. In dieser Zeit tauchen in Rom auch sonst emanzipierte Frauengestalten auf, die sich durch ihre Bildung und Kultur, aber auch durch ihren Luxus und einen gänzlich unbekümmerten Lebenswandel vom einstigen Rollenverständnis einer römischen Frau gründlich gelöst hatten.53
Die nächste Partie, die Verse 23–32, führen Cynthia, die nun in geradezu hymnischem Ton angeredet wird (tibi, mea vita, tibi, tibi, non non, non, una tu), in begeisterter Überhöhung wieder in die Nähe der griechischen Götterwelt. Der ihr gewogene Gott Amor habe bei ihrer Geburt geniest, was als ein Glück verheißendes Zeichen galt,54 und alle Himmlischen hätten ihr ihre Gaben gespendet. Wenn dann gesagt wird, solche Gaben seien mit einer üblichen menschlichen Geburt unvereinbar, wird ihr ein geradezu göttlicher Charakter gegeben. Und wenn der Dichter dann in einer phantastischen Vorstellung glaubt, sie werde sicher wie die Heroinen der Vorzeit als erste Römerin eine Geliebte des Zeus,55 ja über das Irdische erhoben werden, ist der alltäglich-irdische Bereich endgültig verlassen. In einem weiteren Vergleich erscheint Cynthia in Vers 32 als zweite Helena, die als die unübertreffliche Verkörperung der Schönheit galt: Nach Helena sei die Schönheit selbst in der Gestalt Cynthias wiedergekehrt.
Die Verse 33–40 rühmen weiter Cynthias Schönheit, aber wenn Properz fortfährt, daß für eine solche Schönheit die ganze römische Jugend entbrenne, wird damit auch unvermerkt auf das Properz oft bedrückende Thema angespielt, daß er nicht der einzige ist, dem Cynthia ihre Gunst gewährt. Und auch, wenn er dann sagt, es wäre passender gewesen, wenn Troja um ihretwillen, nicht um Helenas willen untergegangen wäre, kommt durch den Blick auf den Ehebruch Helenas diese Seite der Geliebten noch einmal zum Bewußtsein. Doch das ist hier nur ein rasch vorüberziehender Schatten, der auf die Gestalt fällt. Der Dichter rühmt in Fortführung des Vergleichs weiterhin die Schönheit der Geliebten. Früher habe er sich gewundert, fährt er fort, daß wegen einer Frau der Trojanische Krieg entbrannt ist. Nun versteht er. Und im Tone sich nochmal steigernd, redet er Paris und Menelaos an und versichert, daß sie keinen besseren Grund für einen solchen Krieg hätten finden können. Aber Cynthias Schönheit stellt er noch höher, sie wäre es wert gewesen, daß Achill darum gestorben wäre, und um ihretwillen hätte Priamus mit Recht den Krieg aufgenommen.56 So erscheint Properz diese Schönheit als das höchste Gut der Welt, um deretwillen jedes Opfer gerechtfertigt ist.57 Gewiß sind das verstiegene Vorstellungen, aber Properz will in seiner leidenschaftlichen Ekstase nichts von nüchterner Vernunft wissen. In seiner subjektiven Welt läßt er nur ihre Wertungen gelten. Und auch Cynthias freie Liebesvorstellungen, auf die schon die humana cubilia in Vers 31, die Scharen der für sie erglühenden Bewunderer und der Vergleich mit der umkämpften Helena wiesen, können ihr Bild für den bewundernden Liebenden nicht wirklich trüben.
Wenn Properz in Vers 41–44 zum Abschluß ruhiger werdend sagt, jeder Maler, der die großen früheren übertreffen wolle, müsse Cynthia zum Modell wählen,58 um in Ost und West bewundert zu werden, verbindet das die Schönheit der Geliebten in anderer Weise noch einmal mit den Schönheitsvorstellungen der griechischen Welt, die zu Gedichtbeginn zum Vergleich dienten. Die Verbindung von Gedichtanfang und -schluß wird auch durch das gleiche Wort facies als Inbegriff der Schönheit in Vers 9 und 39 unterstrichen. Der sentenzenhaft zugespitzte Satz, daß Cynthias Schönheit noch als Bild Ost und West entflamme, schließt den Preis der Geliebten wirkungsvoll ab.59