Читать книгу Die Elegien des Properz - Hans Peter Syndikus - Страница 31
18. Elegie
ОглавлениеAuch in dieser Elegie gibt der Dichter vor, er habe aus Schmerz über die Kälte und Abwendung Cynthias Rom verlassen. Er klagt in einem einsamen Bergwald, der fern von jeder menschlichen Behausung ist, den Felsen, Bäumen und Vögeln sein Leid. Für die Szenerie hatte Properz ein bedeutendes Vorbild, die Klagen des liebenden Akontios aus dem 3. Buch der Aitien des Kallimachos.277 Akontios ist in seinem Liebeskummer in die Einsamkeit geflohen und klagt unter den Bäumen des Waldes sein Leid. Da wünscht er, die Bäume hätten eine Stimme und könnten mit ihm rufen: „Kydippe ist schön“. Und in ihre Rinde möchte er dieselben Worte schneiden: „Kydippe ist schön“.
In den beiden ersten Distichen schildert Properz die einsame Gegend, in die der liebeskranke Dichter geflohen ist. Im menschenfernen Wald umgibt ihn tiefes Schweigen, und nur ein sanfter Wind weht durch die Zweige. Hier sei, glaubt er, der rechte Platz für seine Klagen, die er in Rom vor Cynthia nicht vorzubringen wagte.278 Die einsamen Felsen würden ihn gewiß nicht verraten.
In einer Reihe klagender Fragen und einer leidenschaftlich wiederholten Anrede an Cynthia forscht er in Vers 5–9, was denn ihre Sinnesänderung hervorgerufen habe. Eben noch ein glücklicher Liebhaber, werde er jetzt von ihr verschmäht, eben noch bewundert, schaue man jetzt auf ihn herab.279 Die insistierenden Fragen unde, quod, quid, quae zeigen, daß er den Grund nicht versteht: Was war denn der Anlaß, wodurch habe er das verdient, was war denn sein Fehler,280 fragt er ratlos.
Der Übergang zum nächsten Gedankengang ist verschliffen. In Vers 10 wird die Reihe der Vers 5 einsetzenden Fragen fortgesetzt, aber mit dem tastenden an überlegt der Verlassene bereits einen Grund für die Entfremdung. Das bestimmt dann die ganze folgende Partie. Das an wird Vers 17 und 23 aufgenommen und in den drei so eingeleiteten Versgruppen erwägt der Dichter mögliche Gründe für Cynthias Abwendung, die er aber jedesmal als unberechtigt zurückweist.281 Als erste Möglichkeit fragt er in Vers 10–16, ob die Geliebte wegen einer vermuteten Untreue zornig sei. Er beteuert aber hoch und heilig, daß, so wahr er auf ihre Liebe hoffe, nie eine andere Frau über seine Schwelle getreten sei.282 Und trotz seiner Leiden könne er niemals so zornig sein, daß er ihr einen wirklichen Anlaß zur Empörung gebe und sehen müßte, daß Tränen ihr schönes Gesicht entstellen. Als zweite Möglichkeit erwägt er in Vers 17–22, ob er als zu kühler Liebhaber erschienen sei, weil sein Aussehen nicht mehr die frühere Leidenschaft und Ergebenheit gezeigt habe.283 Wieder beteuert Properz seine unveränderte Liebe. Er ruft die Bäume um ihn zum Zeugen dafür an, daß der Wald von seinen Liebesworten widerhalle und er wie einst Akontios in ihre Rinde immer nur den Namen der Geliebten ritze. Nicht nur die Schilderung der Liebesverzweiflung, auch die Szenerie, der Wald und seine Baumarten, entspricht der Wildnis, in die der liebeskranke Akontios geflohen ist. Übernommen ist auch das Motiv, daß Bäume wie lebende Wesen angesprochen werden und daß an ihre eigenen Liebesgefühle in ihrem Nymphendasein appelliert wird.284 Die dritte Möglichkeit, Vers 23–26, ist, daß Cynthia seine Klagen über ihre Härte nicht gefallen haben. Properz versichert dagegen, daß nur die verschlossene Türe seine Klagen vernommen habe; er habe sich immer stumm und klaglos ihren stolzen Launen unterworfen. Er charakterisiert sich also geradezu als unterwürfigen Sklaven, der seiner Herrin mit allen Fasern ergeben ist und ängstlich besorgt ist, er könne ihren Unmut erwecken. Um so größer ist natürlich die Enttäuschung, daß alles das nichts genützt hat und daß die Geliebte sich von ihm abgewendet hat.
Diese Enttäuschung drückt sich deutlich in den beiden folgenden Distichen, Vers 27–30, aus, in denen der Dichter wieder wie zu Gedichtbeginn auf die ihn umgebende menschenleere Natur blickt. Er klagt der stummen Natur sein Leid. Es ist eine Landschaft, wie sie die Bukolik liebte und in der Virgil ein Mitschwingen mit den menschlichen Schmerzen zu vernehmen glaubte.285 Aber für den kummerbeladenen Liebenden dieses Gedichtes bietet die Natur keinen Trost. Wie zu Gedichtbeginn die Verlassenheit und das Schweigen des Waldes, also die Menschenferne, betont waren, so sind jetzt die Felsen kalt, der ungepflegte Waldsteig bietet nur ein hartes Lager und die schrilltönenden Vögel können auf seine Klagen nicht antworten. Die Natur zeigt sich kalt und fremd. Die Einsamkeit und Verlassenheit des unglücklich Liebenden erscheint grenzenlos.286
Aber Properz ist, wie das letzte Distichon zeigt, entschlossen, trotz allem an seiner Liebe festzuhalten: Wie auch immer die Geliebte ihn behandelt, alle Bäume und Felsen des Waldes lassen als Echo nur ein Wort widerhallen: Cynthia.