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Ein Rückblick-Kapitel

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Abitur. Pah! Mein Vater wollte immer, dass zumindest einer seiner Söhne Abitur macht und anschließend studiert. Er selbst war sogar promovierter Agrarwirt. Dr. rer. nat. Mein Bruder Lülle, der designierte Bundeskanzler, hatte gar keine Lust auf Schule. Er wollte zwar Bundeskanzler werden, hielt eine fundierte Bildung dafür aber nicht für zwingend notwendig. Schule ist doof. Ich glaube, er wollte die Erwartungen meines Vaters an den Erstgeborenen, den Kronprinzen, einfach nicht erfüllen. Seine Art Protest manifestierte sich in einer völlig verkorksten Schullaufbahn. Er blieb schon in der fünften Klasse sitzen. Er hat es sogar geschafft, vom Internat zu fliegen, weil er sich ständig verweigerte. Er verweigerte es zu lernen, sich zu benehmen, er verweigerte alles. Dass Pitze überhaupt zur Schule gegangen wäre..., daran kann ich mich jetzt nicht direkt erinnern. Der war irgendwie immer in so einem Stotter-Heim in Hildesheim. Wochenend-Kind. Von ihm haben meine Eltern gar nichts erwartet. Purzel war noch zu klein, um irgendetwas von ihm erwarten zu können, Nummer vier musste sich erst noch "zurechtwachsen". Für meine Mutter ist er heute noch der Kleine.

Dann also wenigstens ich. Ich sollte es nun richten. Ich war ja auch nicht dumm, das Gymnasium erledigte ich mit links und mein Vater hoffte, dass nun wenigstens ich mein Abi machen und in seine Fußstapfen treten würde. Das habe ich ihm aber gründlich versemmelt. Nicht, dass seine Schuhe für mich zu groß gewesen wären, nein, ich wollte diese alten Latschen einfach nicht. Ich eröffnete ihm kurz vor dem Abitur, dass ich nicht mehr wolle und auch nicht willens wäre, meine Intelligenz einem reaktionären Schulsystem zu opfern, welches Kinder nach sozialer Herkunft und nicht nach individuellem Vermögen beurteilt, das nur Weiterführer einer Gesellschaft ausbildet, die ich ablehnte. Und überhaupt. 'Vive l'anarchie!' Jawoll. Mein Nein zum Abitur sollte gleichsam ein Nein zu dieser Gesellschaft sein und mit Sicherheit würde ich mich nicht vom System versklaven oder gar prostituieren lassen.

Klammer auf: Dass ich damals dann diese Ausbildung gemacht habe, lag schlicht daran, dass ich ja irgendetwas machen musste. Ja, ich war jung und ich brauchte das Geld. Und außerdem ließ die Weltherrschaft der Arbeiterklasse nun echt schon lange auf sich warten und ich war politisch ziemlich enttäuscht. Da konnte ich auch Kapitalist werden. War mir auch egal. Aber das mit dem Abitur und dem ich-bin-ja-so-stolz-auf-dich, das habe ich ihm gründlich versemmelt. Klammer zu.

Mein Vater war sprachlos. So! Coole Nummer, dachte ich damals. Mein Vater war sprachlos und da, wo ich ihn am liebsten hatte. Auf der Palme. Himmel, war ich stolz auf mich. Ich Idiot.

Allerdings ahnte ich jetzt, im Sommer 1982, dunkel, was das bedeuten könnte: Nix Philosophie.

Die darauffolgende Ernüchterung vermochte ich eine Weile zu ertränken. Wein, viel Wein wurde mein Berater. Und Tröster. Ein guter, ein milder und nachsichtiger Tröster - und das darf ich natürlich eigentlich gar nicht sagen - ein gar nicht so schlechter Berater.

Einstein, Gott und meine Brüder

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