Читать книгу Einstein, Gott und meine Brüder - Harry Flatt-Heckert - Страница 6
Erstes richtiges Kapitel
ОглавлениеIch hätte mir nie träumen lassen, eines Tages in eine solche Situation zu kommen. Pleite zu sein und ein Buch zu schreiben.
Klammer auf: Ich sage das nur, damit Sie nicht denken, ich würde das ja nur sagen, damit ich für später - sozusagen jetzt schon vorausbefürchtend - eine Entschuldigung hätte. Ich brauche keine Entschuldigungen. Dafür ist es auch viel zu spät. Klammer zu.
Gut, ich hatte mir so einiges nicht träumen lassen, was dann aber doch über mich kam, wie ein Sommergewitter bei strahlendem Sonnenschein.
Dass meine geliebte Frau vor fünf Jahren mit Mitte vierzig an einem ganz furchtbaren Tumor erkranken würde, dass mein ältester Sohn aus meiner ersten Ehe einmal spiel- und drogensüchtig werden könnte, weil er mit seiner Mutter nicht zurechtkommen kann, oder sie nicht mit ihm zurechtkommen will, dass das Dach meines Hauses schon nach zehn Jahren so marode werden würde, dass es komplett erneuert werden musste und ich auf den Kosten sitzen blieb, weil der Dachdecker mittlerweile insolvent war, dass mein hochintelligenter Vater mit 83 Jahren von einem zum anderen Tag so dement würde, dass er in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung untergebracht werden musste, weil er alle Leute um sich herum verprügelte, dass ich mit Anfang fünfzig aus heiterem Himmel einen Schlaganfall erleiden würde und schon gar nicht, dass die Oberfinanzdirektion Hannover für zehn Jahre die Mehrwertsteuer auf alle meine Einkünfte haben will, und zwar bitte sofort, was natürlich meinen wirtschaftlichen Ruin nach sich ziehen wird und was ich mir nun so gar nicht hatte träumen lassen wollen, warum auch, wär ich ja schön blöd, ist ja ein Albtraum.
Klammer auf: So wie der vorstehende Satz. Und ich verspreche, das war der längste Satz in diesem Buch. Der längste, der schwierigste und der schlechteste. Klammer zu.
Bis vor fünf Jahren war mein Leben eigentlich in Ordnung. Nein, das stimmt nicht. Mein Leben war nicht in Ordnung. Mein Leben war schon immer das diametrale Gegenteil von „in Ordnung“. Es war das reinste Chaos. Aber ich mochte das. Ich mochte das sogar sehr. Mein Leben war großartig, es war bunt, aufregend und schnell. Es war toll, es war noch viel mehr als das, es war ganz wunderbar. Ich war der glücklichste Mensch der Welt, so glücklich, wie ich es mir in meinen kühnsten Träumen nicht hätte vorstellen können. Ich hatte einen tollen Beruf, war erfolgreich, ich war gesund, ich hatte zwei tolle Söhne, ich hatte ein tolles Haus, viele Freunde und vor allem: ich war damals seit fast zwanzig Jahren glücklich verheiratet. Mit meiner Frau, der wohl besten aller denkbaren Frauen. Ephraim Kishon hatte ja keine Ahnung. Meine ist die beste Ehefrau von allen. Nicht seine. Meine. Bis heute.
Und ich kann das beurteilen, denn ich war schon mal verheiratet.
Klammer auf: Damit hier keine Missverständnisse aufkommen. Fast alles, was hier steht ist wahr. Leider und auch glücklicherweise. Beides. Manches habe ich vielleicht in der Spitze etwas abgemildert, damit Sie nicht denken, der spinnt doch! Ich habe auch alle Namen frei erfunden. Kramen Sie also gar nicht erst in Ihren Erinnerungen danach, ob Ihnen vielleicht der eine oder andere bekannt vorkommt. Namensähnlichkeiten sind rein zufällig. Fast alle. Nur meine Frau, meine jetzige, durfte sich ihren Namen selbst aussuchen. Ihren Namen, ihre Haarfarbe, ihre Körbchengröße. Da ließ ich ihr völlig freie Hand. Ich sage das nur, damit Sie nachher nicht ankommen und sagen, das hier sei doch alles erstunken und erlogen oder vollkommen übertrieben. Ich sag das gleich vorab, damit es hinterher keine Diskussionen gibt. Klammer zu.
Also. Ich war schon mal verheiratet.
Klammer auf. Diese Klammertexte sind Ihnen jetzt vielleicht schon aufgefallen. Auch wenn ich sie auf das vertretbar Nötigste beschränken werde, Sie werden sie häufiger in diesem Buch finden. Ich bin Akademiker und sauberes wissenschaftliches Arbeiten gewöhnt. Da will ich mir nix nachsagen lassen. Ich füge sie immer dann ein, wenn ich das Gefühl habe, ich müsste etwas genauer erklären oder wenn mir einfach noch irgendetwas einfällt, was für das Gesamtverständnis wichtig sein könnte, oder ich irgendetwas in einem einigermaßen lesbaren Satzbau einfach nicht mehr unterkriege oder Gefahr laufe, mich zu verformulieren, quasi, mich in meinen eigenen Gedanken zu verheddern. Oder wenn ich etwas beim Nachlesen nicht mehr so schön oder wichtig finde, ich es aber auch nicht löschen will, weil es ja nun mal dasteht. Weil ich es eigenhändig geschrieben habe und die Worte nun wirklich auch nichts dafürkönnen, dass sie nun auf einmal auf der Welt sind. Die kann ich nicht einfach so mir nix dir nix löschen. Einfach markieren, auf die Del-Taste hauen und tschüss. Haben Sie Kinder?! Das kann ich nicht. Auf Fußnoten werde ich der flüssigeren Lesbarkeit zuliebe indes völlig verzichten. Man muss ja auch nicht übertreiben. Keine Fußnoten. Versprochen. Nur Klammern. Und vielleicht mal hier und da ein Spiegelstrich, wenn ich im Eifer des Gefechts das mit den Klammern vergessen sollte. Aber eigentlich nur Klammern. Höchstens noch mal aus Versehen einen eingeschobenen Nebensatz. Den rahme ich dann aber, zum besseren Verständnis, mit ausreichend Kommata ein. Leider muss ich „Klammer auf" und „Klammer zu" immer ausschreiben, weil meine Klammer-zu-Taste klemmt. Sie werden sich schon irgendwie dran gewöhnen. Meine Frau findet diese Klammertexte übrigens überflüssig. Ich habe sie der Vollständigkeit halber aber trotzdem nicht nachträglich gelöscht. Aber wenn Sie sich von diesen Einschüben gestört fühlen, dann tippen Sie das Buch doch einfach noch einmal schnell ab. Einfach die Klammertexte markieren und dann löschen. Ganz einfach. Inhaltlich geht dem Buch dadurch nichts verloren, verständlicher wird es dadurch aber auch nicht. Sollten Sie keinen Computer haben, wird der beherzte Einsatz einer handelsüblichen Haushaltsschere ebenfalls zum gewünschten Ergebnis führen. Aber ich weiß ja gar nicht, ob sie dies Buch überhaupt noch lesen oder es nicht doch lieber zum Buchhändler zurückgebracht haben. Dann ist dieser Klammertext für Sie nicht mehr relevant. Klammer zu.
Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Ich war schon mal verheiratet.